Année politique Suisse 2007 : Politique sociale / Population et travail
Kollektive Arbeitsbeziehungen
Wie nach den Positionsbezügen im Vorjahr zu erwarten war, gestaltete sich die Weiterführung des Gesamtarbeitsvertrags (Landesmantelvertrag, LMV) im Bauhauptgewerbe, das über 100 000 Beschäftigte (davon rund 80 000 Festangestellte) zählt, als äusserst schwierig. Im Mai beschlossen die Bauunternehmer, den seit Anfang 2006 geltenden LMV auf Ende September 2007 zu künden. Die Arbeitgeber beschuldigten die Gewerkschaften Unia und Syna, bei der Frage der Flexibilisierung der Arbeitszeiten zwecks der Kompensation von ausgefallenen Arbeitsstunden infolge von schlechtem Wetter und Ähnlichem nicht kompromissbereit zu sein. Auf den 1. Oktober trat die Kündigung des LMV durch die Bauunternehmer in Kraft, wobei die Arbeitgeber zugesichert hatten, sich während der vertragslosen Zeit an die Bestimmungen des alten LMV halten zu wollen. Die Gewerkschaft Unia hatte Ende September mit einer grossen Demonstration (rund 15 000 Teilnehmende) in Zürich gegen die Vertragsauflösung protestiert, und die Bauarbeiter hatten sich gemäss Angaben der Gewerkschaften in Abstimmungen auf den Bauplätzen zu rund 85% für Kampfmassnahmen ausgesprochen.
Mitte Oktober begannen die Unia und die Syna ihre kurzen
Streiks auf den NEAT-Baustellen und in den Städten Genf, Bern und Neuenburg. Anfangs November legten sie für einen Tag mehr als 200 Baustellen in und um Zürich sowie in Basel lahm. Sozusagen als Begleitaktion drohte der Schweizerische Gewerkschaftsbund, dass er bei Nichtzustandekommen eines GAV die Ausweitung der Personenfreizügigkeit auf Rumänien und Bulgarien bekämpfen werde. Nachdem die Gewerkschaften die Vorsteherin des EVD, Doris Leuthard, um Vermittlung ersucht hatten, stellte sich auf deren Wunsch hin der pensionierte Seco-Spitzenbeamte Jean-Luc Nordmann als Mediator zur Verfügung. Die Gewerkschaften sistierten während der Vermittlung alle weiteren geplanten Kampfaktionen. Mitte Dezember einigten sich die Verhandlungsdelegationen der Sozialpartner auf einen Kompromiss, der allerdings im Januar 2008 noch von den Delegiertenversammlungen ratifiziert werden muss
[15].
Sehr lange, aber ohne die Begleitung durch Kampfmassnahmen, hatten die Verhandlungen um einen
neuen GAV im Holzbaugewerbe mit seinen rund 13 000 Beschäftigten gedauert. Sie waren 2003 aufgenommen worden, die Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit durch den Bundesrat kam jedoch erst im Berichtsjahr zustande. Hauptgrund für die Verzögerung waren Einwände von Arbeitgeberverbänden benachbarter Branchen gewesen
[16].
[15]
NZZ, 24.5.07;
TA, 24.8.07;
Blick, 30.8.07 und
BaZ, 10.9.07 (Abstimmungen); Presse vom 24.9. (Demonstration in Zürich) und 16.10.07 (erste Streiks);
Lib. und
24h vom 17.10.07 (SGB);
WoZ, 11.10. (Streikvorbereitung) und 8.11.07 (Verhandlungen);
Bund, 13.11.07 (Nordmann); Presse vom 20.12.07 (Einigung). Zu den einzelnen Streiks siehe auch:
NZZ, 15.10.07 (NEAT);
Blick,
TA und
TdG vom 16.10.07 (Bern, Genf und Neuenburg);
TA und
24h vom 2.11.07 (Zürich);
NZZ, 2.11.07 (Basel). Vgl.
SPJ 2006, S. 181.
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