Année politique Suisse 2007 : Politique sociale / Santé, assistance sociale, sport / Gesundheitspolitik
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Medikamente
Zum Teilpaket der laufenden KVG-Revision zu den Medikamentenpreisen siehe unten, Teil I, 7c (Krankenversicherung).
Mit zwei Motionen wollte die CVP-Fraktion Einfluss auf die Medikamentenkosten nehmen. Sie beantragte einerseits, die Spezialitätenliste sei dahingehend abzuändern, dass die obligatorische Krankenversicherung nicht mehr verpflichtet sei, Heilmittel für Bagatellerkrankungen abzugelten. Der Bundesrat erklärte dazu, die Positivliste der krankenkassenpflichtigen Medikamente werde momentan vom BAG kritisch durchleuchtet; der Begriff der geringfügigen gesundheitlichen Störung sei aber zu ungenau und eigne sich nicht für eine Abgrenzung. Der Nationalrat nahm die Motion dennoch mit 104 zu 71 Stimmen an. Der Ständerat schloss sich dann der Argumentation des Bundesrates an und lehnte sie diskussionslos ab [23]. Andererseits berief sich die CVP auf zwei Standesinitiativen der Kantone Genf und Wallis, welche der Ständerat im Vorjahr zwar definitiv abgeschrieben, in deren Anschluss er aber eine vom Nationalrat noch nicht behandelte Motion angenommen hatte, welche den Bundesrat beauftragt, eine Regelung vorzuschlagen, die Klarheit schafft über die Transparenz und das zulässige Ausmass von Rabatten, die im Rahmen der Verschreibung und Abgabe von Arzneimitteln und Medizinprodukten gewährt werden. Während der Auftrag des Ständerates allgemein formuliert ist, gibt die CVP-Motion verbindliche Leitlinien vor. Aus diesem Grund beantragte der Bundesrat Ablehnung, weil er abwarten möchte, wie sich die Praxis entwickelt, konnte sich aber nicht gegen den Nationalrat durchsetzen, der mit 95 zu 60 Stimmen der Meinung war, hier müsse rasch gehandelt werden [24].
Aufgrund der Dringlichkeit der Versorgungsprobleme der Spitäler mit Medikamenten hatte die SGK des Nationalrats im Vorjahr eine Motion eingereicht, die den Bundesrat beauftragte, bis 2007 eine Revision des Heilmittelgesetzes vorzulegen, um diese Problematik zu entschärfen. Es geht insbesondere um die vereinfachte Zulassung von Medikamenten, die in den Spitalapotheken zum Eigenbedarf hergestellt werden, sowie von Heilmitteln, die bei sehr seltenen Krankheiten aus dem Ausland bezogen werden, die wegen des geringen Lieferumfanges jedoch nicht das recht aufwändige reguläre Zulassungsverfahren durchlaufen. Obgleich diese Motion noch hängig war, erklärte sich der Bundesrat in seiner Stellungnahme bereit, umgehend die nötigen Massnahmen in die Wege zu leiten. Swissmedic passte daraufhin eine Reihe von Verordnungen an. Für das weitere Vorgehen braucht es aber eine vorgezogene Teilrevision des Heilmittelgesetzes. Diese legte der Bundesrat dem Parlament im Februar des Berichtsjahres vor [25].
Am Rande der Herbstsession versprach Bundesrat Couchepin eine Senkung der Medikamentenpreise um bis zu 150 Mio Fr. im Jahr. Betroffen von der ausserordentlichen Preisüberprüfung durch das BAG sind rund 1000 Medikamente, die zwischen 1993 und 2002 in die Spezialitätenliste aufgenommen wurden, so etwa umsatzstarke Heilmittel wie Blutdrucksenker und Magensäurehemmer. Den pharmazeutischen Unternehmen wurde bis Ende November Zeit eingeräumt, um die Preise der betreffenden Medikamente im Ausland bekannt zu geben oder diese von sich aus zu senken, ansonsten das BAG eine Senkung auf das Auslandniveau verfügen werde. Die Pharmaindustrie hielt diesmal die Drohung für deutlich genug, um von sich aus – gestaffelt bis 2009 – die geforderte Rücknahme der Schweizer Preise um rund 150 Mio Fr. pro Jahr anzukündigen. Ende November beschloss der Bundesrat eine weitere Massnahme zur Senkung der Medikamentenpreise, welche auf Anfang 2008 in Kraft tritt: Neu in die Spezialitätenliste aufgenommene Generika müssen mindestens 40% günstiger sein als das Originalpräparat [26].
Nationalrätin Leutenegger Oberholzer (sp, BL) nahm sich das Thema der bereits seit längerem kontrovers diskutierten Parallelimporte von Medikamenten vor. In einer Motion forderte sie den Bundesrat auf, durch eine Revision des Heilmittelgesetzes einerseits die bestehenden nichttarifären Handelshemmnisse bei der Einfuhr markengeschützter Produkte und bei Arzneimitteln, deren Patentschutz abgelaufen ist, insbesondere im Spitalbereich durch eine Vereinfachung der Verpackungs- und Anschreibepflichten für Medikamente zu beseitigen, andererseits für patentgeschützte Medikamente das grundsätzliche Parallelimportverbot im Heilmittelgesetz aufzuheben, wobei punktuelle Einfuhrbeschränkungen im Rahmen internationaler Vereinbarungen und Verpflichtungen als flankierende Massnahmen im Zusammenhang mit Preisvorschriften zu prüfen seien. Der Bundesrat erklärte dazu, der erste Punkt der Motion werde momentan von der Verwaltung intensiv evaluiert und wohl auch einer Lösung zugeführt, weswegen er sich hier nicht widersetzte. Beim zweiten Punkt erinnerte er daran, dass er sich stets dagegen gewehrt habe, Parallelimporte von patentgeschützten Medikamenten zuzulassen, weshalb er hier Ablehnung beantragte. Der Nationalrat folgte ihm, überwies den ersten Punkt und lehnte den zweiten ab. Die derart entschlackte Motion fand auch die Zustimmung des Ständerates [27].
2005 hatte Nationalrat Borer (svp, SO) eine parlamentarische Initiative eingereicht mit dem Ziel, die Einteilung der zur Selbstmedikation zugelassenen Heilmittel zu vereinheitlichen. Heute werden oft praktisch fast identische Präparate in unterschiedlichen Listen geführt, weshalb sie trotz eigentlicher Unbedenklichkeit in der Anwendung nur von Apotheken und nicht etwa von Drogerien abgegeben werden dürfen. Die vorberatenden Kommissionen beider Räte hatten Zustimmung zur Initiative signalisiert, da damit die Eigenverantwortung der Bevölkerung und der Wettbewerb im Bereich der Heilmittelangebote gefördert werden. Bei der konkreten Ausgestaltung war dann aber die SGK-NR zur Einsicht gelangt, dass es angezeigter sei, dazu eine Kommissionsmotion einzureichen. Mit dem Argument der Medikamentensicherheit widersetzte sich der Bundesrat einer Annahme der Motion. Eine Mehrheit war allerdings der Auffassung, eine Neueinteilung unter transparenteren Kriterien dränge sich auf, weshalb der Vorstoss mit 86 zu 51 Stimmen angenommen wurde [28].
Ein weiteres Sparpotenzial ortet das Parlament im Bereich der Mittel und Gegenstände (Migel). Insbesondere wird kritisiert, dass der Bund eine Migel-Liste erlässt, welche Maximalpreise festhält, was in der Praxis oft zu keinem eigentlichen Wettbewerb führt. Mit zwei Motionen forderten Heim (sp, SO) und Humbel Näf (cvp, AG) den Bundesrat deshalb auf, die entsprechenden Verordnungen so zu ändern, dass Krankenversicherer und Hilfsmittellieferanten die Preise für kassenpflichtige Migel aushandeln und in Tarifverträgen festhalten müssen. Der Bundesrat vertrat die Ansicht, eine Einwirkung auf die Höchstbetragssätze führe hier eher zum Ziel, selbst die Wettbewerbskommission erachte die Festsetzung von Maximalbeträgen als taugliches System, um das Preis-Leistungs-Verhältnis zu verbessern. Im Plenum verzichtete er zwar auf seinen ursprünglichen Antrag, die Motionen abzulehnen, behielt sich aber vor, den Ständerat um Umwandlung in einen einfachen Prüfungsauftrag zu bitten, um in dieser Frage seinen Handlungsspielraum zu bewahren [29].
 
[23] AB NR, 2007, S. 383; AB SR, 2007, S. 1106. Eine Motion Ory (sp, NE), die strengere Richtlinien bei der Selbstdispensation durch Ärzte verlangte, um pekuniäre Überlegungen bei der Abgabe eines Medikamentes zu verhindern, wurde vom SR auf Antrag des BR, der auf ausreichende gesetzliche Leitplanken verwies, abgelehnt (AB SR, 2007, S. 303 f.).
[24] AB NR, 2007, S. 383 f.
[25] BBl, 2007, S. 2339 ff.; TA, 1.3.07.
[26] Originalpräparate: Bund, BüZ und TA, 26.9.07; NZZ, SGT und TA, 21.12.07. Vergleichsländer für die Festsetzung der Preise sind Deutschland, Dänemark, die Niederlande und Grossbritannien. Mit Einwilligung des BAG können die Pharmaproduzenten die Preise für die Schweiz nach wie vor 8% über dem Niveau der Vergleichsländer festsetzen. Generika: AZ, BaZ und NZZ, 22.11.07.
[27] AB NR, 2007, S. 570; AB SR, 2007, S. 1107 f. Eine Motion der SP-Fraktion, die ganz unterschiedliche Forderungen bündelte, wurde hingegen abgelehnt (AB NR, 2007, S. 385). Zur Frage des Patentrechts und von Parallelimporten siehe oben, Teil I, 4a (Wettbewerb).
[28] AB NR, 2007, S. 1692 ff.
[29] AB NR, 2007, S. 387 f.