Année politique Suisse 2007 : Politique sociale / Santé, assistance sociale, sport / Gesundheitspolitik
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Prävention
Der Bundesrat erteilte dem EDI den Auftrag, bis im Herbst 2008 einen Vorentwurf für gesetzliche Bestimmungen zur Stärkung von Prävention und Gesundheitsförderung zu erarbeiten. Als Grundlage dient ein Bericht zum Thema, der als Antwort auf zwei Postulate festhält, dass es in Anbetracht der Zunahme von nichtübertragbaren und psychischen Krankheiten neue rechtliche Grundlagen für diesen Bereich braucht. Diese gesetzlichen Bestimmungen sollen die folgenden Bereiche regeln: Massnahmen des Bundes, Koordination der Präventionsbemühungen von Bund, Kantonen und privaten Organisationen sowie der Aktivitäten der Bundesstellen, Vereinfachung und Neugestaltung der Präventionsstrukturen. Dass verstärktes Engagement in der Schweiz nötig ist, hatte im Vorjahr auch ein OECD-Bericht zum Gesundheitswesen der Schweiz zum Ausdruck gebracht [3].
Zu Unmut im Parlament führt seit einigen Jahren die Tätigkeit der Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz, welche durch eine Zwangsabgabe auf den Krankenkassenprämien finanziert wird. Insbesondere wird immer wieder eine Verzettelung der Mittel (rund 17 Mio Fr. pro Jahr) moniert. Dies veranlasste Nationalrat Rossini (sp, VS), mit einer Motion zu verlangen, der Bund solle als Mitglied des Stiftungsrates durch eine Revision des Leitbildes darauf hinwirken, dass Projekte einerseits verstärkt nach Schwerpunktachsen, andererseits in einem längeren Zeitrahmen gefördert werden können, da Gesundheitsförderung erwiesenermassen einen langen Atem brauche, um die Zielgruppen zu erreichen. Im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrages realisiert die Stiftung keine eigenen Projekte, sondern bietet fachliche und finanzielle Unterstützung bei der Lancierung von Aktivitäten an. Dieses Engagement ist gemäss den Leitlinien der Stiftung üblicherweise zeitlich auf maximal drei Jahre und finanziell auf höchstens 50% der Gesamtkosten begrenzt. In seiner Stellungnahme wies der Bundesrat darauf hin, dass die Stiftung seit 1999 strategisch auf drei Schwerpunktprogramme setzt, welche die Themenkreise "Bewegung, Ernährung, Entspannung", "Gesundheit und Arbeit" und "Jugendliche und junge Erwachsene" beinhalten. Obgleich er die Ansicht des Motionärs teilte, wonach Prävention generell langfristig angelegt sein muss, bezweifelte er, ob es sachlich geboten ist, die bisherige Praxis zu ändern und die Stiftung zu einem dauerhaften Finanzierungsträger nur weniger Aktivitäten zu machen. Federführend in der Prävention seien gemäss Verfassung die Kantone und Gemeinden, während es Sache der Stiftung sei, Impulse zu geben. Eine Ausrichtung auf einzelne Themen wäre dieser Aufgabe hinderlich oder würde sie sogar verunmöglichen. Aufgrund einer externen Evaluation habe die Stiftung in den letzten Jahren zudem ihre Tätigkeit kritisch hinterfragt und beschlossen, die Mittel gezielter einzusetzen. Auf seinen Antrag wurde die Motion mit 101 zu 75 Stimmen abgelehnt [4].
Aber auch einzelne Tätigkeitsfelder der Stiftung wurden kritisch hinterfragt. Nationalrätin Teuscher (gp, BE) machte sich in einer Anfrage Gedanken darüber, ob die Plakatkampagne der Stiftung, die insbesondere übergewichtige Jugendliche ansprechen will, nicht die Gefahr berge, den vor allem bei jungen Frauen verbreiteten Krankheiten Bulimie und Magersucht Vorschub zu leisten. Bekämpft von Hutter (svp, SG) und damit vorderhand der Beratung entzogen wurde ein Postulat Teuscher, welches den Bundesrat ersuchte zu prüfen, ob es nicht sinnvoller wäre, den Anteil der „dick machenden“ Nahrungskomponenten, etwa die Transfette, durch die gesetzliche Festschreibung einer Höchstgrenze zu reduzieren. Der Bundesrat bezweifelte, ob dies zum Ziel führen würde: Fettleibigkeit entstehe durch das Zusammenspiel mehrerer Komponenten (zu hohe Energiezufuhr bei mangelnder Bewegung). Es gehe in erster Linie um eine Verhaltensänderung, wie sie von der Kampagne der Stiftung angestrebt werde [5].
Mehr Erfolg hatte Kiener Nellen (sp, BE) mit einer Motion, die den Bundesrat aufforderte, Budget und Finanzplan des Bundesamtes für Sport (Baspo) ab 2007 um mindestens 10 Mio Fr. zu erhöhen, damit – in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) – Umsetzungsprojekte zur Bewegungs- und Sportförderung sowie zur Förderung einer gesunden Ernährung für Kinder im Alter von fünf bis zehn Jahren realisiert werden können. Die Motionärin machte geltend, es gebe zahlreiche Hinweise darauf, dass ausreichend Bewegung und Sensibilisierung für eine gesunde Ernährung im Kindesalter einer sportlichen Betätigung und einer ausgewogenen Lebensweise auch im Erwachsenenalter Vorschub leisten können. Trotz des unbestrittenen Handlungsbedarfs war der Bundesrat jedoch der Ansicht, dass Umsetzungsprogramme für Kinder und Jugendliche nicht isoliert zu betrachten, sondern in einen gesamtheitlichen Kontext zu stellen sind, weshalb er Ablehnung dieser sehr eng gefassten Motion beantragte. Der Nationalrat war aber der Auffassung, Prävention habe gerade in einem frühen Entwicklungsstadium einen ganz hohen Stellenwert, weshalb er die Motion mit 118 zu 56 Stimmen an den Ständerat überwies [6].
 
[3] LT und NZZ, 29.9.07. Siehe SPJ 2006, S. 185. Postulate: SPJ 2005, S. 182. Hängig sind noch die Vorstösse 07.3261, 07.3525 und 07.3544.
[4] AB NR, 2007, S. 391 f. Zu den Problemen bei der Stiftung siehe auch die Stellungnahme des BR zu einer noch nicht abschliessend behandelten Interpellation im NR (a.a.O., S. 587).
[5] AB NR, 2007, S. 574 (Postulat) und 1173 (Anfrage). Zu Werbeeinschränkungen für besonders fett-, salz- und zuckerhaltige Produkte siehe die Antwort des BR auf eine Anfrage im NR (a.a.O., S. 603).
[6] AB NR, 2007, S. 2009. Eine Motion Zisyadis (pda, VD) auf Übernahme der Diätberatung bei Jugendlichen durch die obligatorische Krankenversicherung wurde abgelehnt, da der BR geltend machte, anders als bei Erwachsenen sei im Kinder- oder Jugendalter der Nutzen einer Beratung nicht wissenschaftlich nachgewiesen (a.a.O., S. 282).