Année politique Suisse 2007 : Politique sociale / Santé, assistance sociale, sport / Gesundheitspolitik
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Medizinalpersonen
Am 3. Juli 2002 hatte der Bundesrat einen vorerst auf drei Jahre begrenzten Zulassungsstopp für die Eröffnung neuer Arztpraxen erlassen. Damit wollte man einerseits der ungebremsten Zunahme der Leistungserbringer, insbesondere der Spezialärzte, entgegenwirken, andererseits die Zuwanderung von jungen Ärzten aus dem EU-Raum in Grenzen halten, welche mit dem Inkrafttreten des Freizügigkeitsabkommens im Personenverkehr der Schweizer Ärzteschaft bei der Eröffnung einer eigenen Praxis gleichgestellt wurden. In beiden Punkten war man nicht sehr erfolgreich. Die Zahl der Ärzte in freier Praxis nahm schweizweit zwischen 2002 und 2006 um 14% zu, der Anteil unter ihnen, der über kein schweizerisches Ärztediplom verfügt, erfuhr in diesem Zeitraum fast eine Verdoppelung und stieg von knapp 3,5 auf gegen 6,5%. Der Zulassungsstopp wurde stets nur als vorübergehende Massnahme erachtet, bis bei der Revision des KVG neue Modelle für das Anrecht von Ärzten auf Abrechnung über die Grundversicherung eingeführt werden. Beim zweiten Anlauf zur KVG-Revision – die erste war 2003 in der Schlussabstimmung im Nationalrat gescheitert – präsentierte der Bundesrat separate Vorlagen zu den einzelnen Bereichen, um nicht wieder an einem Junktim und unheiligen Allianzen zu scheitern. Als Ablösung des Zulassungsstopps stellte er ein Modell vor, welches eine Aufhebung des Kontrahierungszwangs der Krankenversicherer mit sämtlichen Leistungserbringern und die Förderung von (günstiger arbeitenden) Ärztenetzwerken vorsieht (HMO-Praxen, Managed-Care-Systeme). Da diese Teilrevision seither angesichts heftiger Widerstände insbesondere aus der Ärzteschaft in der zuständigen Ständeratskommission vor sich hin dümpelt, hatten die Räte 2004 einer Verlängerung des Stopps bis 2008 zugestimmt. Weil auch in der Folge keine Fortschritte erzielt wurden, beantragte der Bundesrat eine erneute Verlängerung bis Ende 2010 [20].
Im Ständerat räumte die Kommissionssprecherin ein, dass die Massnahme ihren Zweck „kaum, wenig oder gar nicht“ erfüllt. Der Verzicht auf die Weiterführung ohne gleichzeitig eine Anschlussregelung zu treffen, berge aber das Risiko einer unkontrollierten Mengenausweitung. Im Übrigen hätten die Kantone die Möglichkeit, die Anwendung des Zulassungsstopps sehr differenziert auszugestalten, weshalb vorderhand kein Ärztemangel zu befürchten sei. Angesichts der Verzögerungen beim Aufheben des Vertragszwangs war Eintreten unbestritten. Eine Kommissionsminderheit, vertreten durch Fetz (sp, BS), beantragte einen gelockerten Zulassungsstopp, indem die Grundversorger davon ausgenommen würden. Profitieren würden davon die Allgemeinmediziner, Internisten, Ärzte in Gruppenpraxen, Kinderärzte, Hebammen und Gynäkologen. Dieser Vorschlag wurde mit 28 zu 9 Stimmen abgelehnt. Mit 28 zu 8 Stimmen stimmte die kleine Kammer der Verlängerung zu [21].
2006 hatte die Schweizerische Gesellschaft für Allgemeinmedizin eine mit über 300 000 Unterschriften versehene Petition eingereicht, die eine Stärkung und Sicherung der Hausarztmedizin verlangt. Die zuständige Kommission des Ständerates hatte eine Vertretung der betroffenen Ärzteschaft angehört und die Verwaltung mit einem Bericht über die heutige Situation beauftragt. Dieser kam zum Schluss, bei einer Dichte von zwei Ärzten auf 1000 Einwohner könne momentan nicht von einem Ärztemangel gesprochen werden, wobei allerdings die rund 30%-ige Zunahme seit 1990 in erster Linie bei den Spezialisten festgestellt werden könne. Der Zulassungsstopp habe aber zu einer allgemeinen Verunsicherung bei den jungen Spitalärztinnen und -ärzten geführt und viele davon abgehalten, den Übertritt in eine freie Praxis in Erwägung zu ziehen. Angesichts der heutigen Altersstruktur bei den Hausärzten könnte dies zumindest in den Randregionen in den nächsten Jahren zu einer potenziell prekären Lage führen. Die Kommission beantragte deshalb dem Plenum Annahme der Petition und unterstützte das Anliegen mit einem Postulat, das den Bundesrat beauftragt, zusammen mit den Kantonen Massnahmen zur Aufwertung der Hausarztmedizin zu prüfen. Der Bundesrat verwies auf bereits in die Wege geleitete Verbesserungen, welche allerdings zur Umsetzung Zeit bräuchten, weshalb er das Postulat als weitgehend erfüllt nicht annehmen wollte. Die Ratsmehrheit befand aber, hier könnten noch mehr Anstrengungen unternommen werden und nahm sowohl die Petition wie das Postulat einstimmig an [22].
 
[20] BBl, 2004, S. 4293 ff. Siehe SPJ 2005, S. 183.
[21] AB SR, 2007, S. 1030 ff. Zu den einzelnen Vorlagen zur Revision des KVG siehe unten, Teil I, 7c (Krankenversicherung).
[22] AB SR, 2007, S. 492 f. Zur Versorgungssicherheit mit ambulant tätigen Ärzten kam eine Studie des Gesundheitsobservatoriums zu ähnlichen Schlüssen wie die Verwaltung (TA, 3.4.07; LT, 4.4.07).