Année politique Suisse 2007 : Enseignement, culture et médias / Enseignement et recherche
Forschung
Zur BFI-Botschaft des Bundesrates siehe oben, Einleitung.
Im Zuge der Erfüllung der Motion Graf (gp, BL) bezüglich der unabhängigen
Toxikologieforschung in der Schweiz, welches 2003 vom Ständerat in ein Postulat umgewandelt worden war, präsentierte der Bundesrat einen Bericht. In diesem hielt er fest, dass es in den verschiedenen Bereichen der Toxikologie Forschungsgruppen mit insgesamt fünf Professuren gibt. Diese decken die verschiedenen Gebiete der Toxikologie aber nur teilweise ab. Forschung und Lehre sowie die Nachwuchsförderung sind limitiert. Als Folge der Fokussierung der Hochschulen auf die Grundlagenforschung verbleiben für die angewandte Forschung und Dienstleistungen nur ungenügend Kapazitäten. Der Bundesrat war daher der Ansicht, dass die unabhängige Toxikologieforschung in der Schweiz gestärkt und langfristig sichergestellt werden muss. An den Schweizer Hochschulen soll ein Zentrum für angewandte Ökotoxikologie entstehen. Ausserdem müssen die bestehenden Toxikologienetzwerke gestärkt werden. Das Zentrum soll an der Wasserforschungsstelle des ETH-Bereichs (Eawag) und der ETH Lausanne entstehen, weil dort bereits ökotoxikologisches Know-How vorhanden ist. Die jährlichen Mittel von 2 Mio Fr. sind im Bundesbeitrag für die Jahre 2008-2011 zu Gunsten des ETH-Bereichs enthalten
[59].
Eine Motion Theiler (fdp, LU) forderte den Bundesrat auf, dem Parlament im Rahmen der BFI-Botschaft einen Kredit von 60 Mio Fr. für ein Forschungsprogramm im Gebiet der
tiefen Geothermie vorzuschlagen. Mit den sogenannten „Enhanced Geothermal Systems“ wird Wärme hoher Temperatur aus der Erdkruste gewonnen. Die Schweiz hat diesbezüglich ein hohes Potential, da von der Geologie her Kraftwerke realisierbar wären. Der Nationalrat nahm die Motion an, der Ständerat hingegen änderte diese in Bezug auf die Art und die Höhe der Finanzierung. Der Kredit soll nicht im Rahmen der BFI-Botschaft 2008-2011 beantragt werden, sondern über die Ressortforschung finanziert werden und die Festsetzung des Betrages wird dem Bundesrat überlassen. Der Nationalrat nahm die vom Ständerat abgeänderte Form der Motion ebenfalls an
[60].
Eine Motion Schweizer (fdp, BS) forderte den Bundesrat auf, im Rahmen der BFI-Botschaft einen jährlichen Kredit von 30 Mio Fr. für die Forschung und den Technologietransfer auf dem Gebiet der
Wärmepumpen zu beantragen. Der Bundesrat erteilte dem UVEK den Auftrag, bis Ende 2007 Aktionspläne zu Energieeffizienzmassnahmen in allen Bereichen sowie zur Förderung erneuerbarer Energien auszuarbeiten. Da Entscheidungen über einzelne Massnahmen noch ausstanden, lehnte der Bundesrat die Motion aus formalen Gründen ab. Der Nationalrat folgte dem Bundesrat und lehnte die Motion ebenfalls ab
[61].
Eine Motion Hochreutener (cvp, BE) wollte den Bundesrat beauftragen, dafür zu sorgen, dass bei klinischen Versuchen nur ein Verfahren von einer
Ethikkommission durchgeführt werden muss. Stein des Anstosses war die Zuständigkeit von mehreren Ethikkommissionen für die Beurteilung ein und desselben klinischen Versuchs an verschiedenen Orten. Solche multizentrischen Versuche sind eher die Regel als die Ausnahme, daher kann aus den bestehenden Vorschriften ein Nachteil für den Forschungsstandort Schweiz entstehen. Mit dem derzeit in Bearbeitung stehenden Bundesgesetz über die Forschung am Menschen wird der Bundesrat eine vollumfängliche EU-kompatible Regelung vorschlagen und das Vorgehen bei Multizenterstudien verbindlich vorschreiben. Die beiden Kammern folgten der Empfehlung des Bundesrates und nahmen die Motion an
[62].
Eine parlamentarische Initiative Graf (gp, BL) wollte mittel- und schwerbelastende
Tierversuche an Primaten verbieten. Die Initiative hatte die Ergänzung des Tierschutzgesetzes mit zwei neuen Artikeln zum Ziel. Tierversuche der Schweregrade 1, 2 und 3 an grossen Menschenaffen und solche mit Schweregrad 2 und 3 an allen Primaten sollten verboten werden. Der Nationalrat beschloss, der Initiative keine Folge zu leisten
[63].
Eine Motion der Finanzkommission des Nationalrates wollte den Bundesrat beauftragen, die bei den Nationalen Forschungsprogrammen begonnene
Wirkungsprüfung zu vertiefen, die Innovationsleistung mit einzubeziehen und den Wirkungsbereich auf alle Projekte des Nationalfonds und die schweizerische Beteiligung an den EU-Forschungsprogrammen auszuweiten. Im Gegensatz zum Bundesrat, welcher aufgrund der bereits laufenden und geplanten Massnahmen für die Überprüfung der Wirksamkeit der mit Bundesmitteln geförderten Forschung keinen weiteren Handlungsbedarf sah, nahm der Nationalrat die Motion einstimmig an
[64].
Der Ständerat überwies die im Vorjahr vom Nationalrat teilweise überwiesene Motion der GP-Fraktion bezüglich der
Nanotechnologie ebenfalls
[65].
Der Bundesrat veröffentlichte seine
Botschaft über die Forschung am Menschen. Dabei änderte er den Vorentwurf aufgrund der Rückmeldungen aus der Vernehmlassung in einem Punkt ab. Stein des Anstosses war der Passus, dass niemand zur Teilnahme an einem Forschungsprojekt gezwungen werden dürfe, Forschungsprojekte mit urteilsunfähigen Personen aber vorbehalten blieben, wenn diese eine Verbesserung ihrer Gesundheit erwarten lassen. Diese Ausnahme vom Grundsatz der Verpflichtung zur Einwilligung der betroffenen Person zu Forschungsprojekten, war in der Vernehmlassung auf deutliche Ablehnung gestossen. Zwang in der Forschung dürfe unter keinen Umständen zugelassen werden, weil sonst die Stellung gerade jener Menschen markant verschlechtert werde, die aufgrund ihrer Urteilsunfähigkeit eines besonderen Schutzes bedürfen. Der Bundesrat nahm diese Kritik auf und strich in seiner Botschaft zum Verfassungsartikel den Vorbehalt
[66].
Die Ethikkommission beider Basel (EKBB) hatte ihren Entscheid zum nationalen Forschungsschwerpunkt „Swiss Etiological Study of Adjustment and Mental Health“ (
Sesam), der unter Federführung der psychologischen Fakultät der Universität Basel steht, bekanntgegeben. Das Gremium sagte grundsätzlich „Ja“ zum Projekt, welches die Ursachen von psychischen Erkrankungen ergründen will und zu diesem Zweck 3000 Kinder – von der Schwangerschaft bis zum Erwachsenenalter – sowie deren Familien einer langfristigen Untersuchung unterziehen wird. Allerdings ist der Entscheid der EKBB mit Auflagen verbunden. So wurde von den Projektverantwortlichen unter anderem verlangt, dass sie auf DNA-Analysen bei Kindern verzichten. Solche Untersuchungen sollen erst möglich sein, wenn die Probanden das Erwachsenenalter erreicht haben. Sowohl die Sesam-Initianten als auch die Kritiker zeigten sich zufrieden mit dem Entscheid der Ethikkommission
[67].
Das neue
Zentrum für Sozialforschung (FORS) wurde bei der Universität Lausanne angesiedelt. Das FORS vereinigt verschiedene Stellen, die Daten über Gesellschaft und Politik sammeln und auswerten. Nach längerer Vorgeschichte entschied sich das Staatssekretariat für Bildung und Forschung gemeinsam mit dem Bundesamt für Statistik für diesen Standort und gegen die sich ebenfalls bewerbende Universität Zürich. Das Zentrum wird insbesondere den Informations- und Datenarchivdienst Sidos (bisher in Neuenburg) und ein Zentrum für statistische Daten umfassen
[68].
Zu gentechnisch veränderten Lebensmitteln und insbesondere zum Gentech-Moratorium in der Landwirtschaft siehe oben, Teil I, 4c (Produits alimentaires).
Eine Motion Leumann-Würsch (fdp, LU) beauftragte den Bundesrat, die Ressortforschung im Bereich des Nebeneinanders von gentechnisch veränderten und gentechnisch nicht veränderten Pflanzen in der Schweiz durch praktische
Feldversuche und andere geeignete Massnahmen zu intensivieren und die daraus gewonnenen Erkenntnisse in die Umsetzung der Koexistenzverordnung einfliessen zu lassen. Grund zu der Motion hatten die Diskussionen im Vorfeld der Abstimmung über das Gentech-Moratorium zur Frage, ob die Koexistenz von gentechnisch veränderten und gentechnisch nicht veränderten Pflanzen in der Schweiz möglich sei, gegeben. Dies soll mittels der geforderten praktischen Feldversuche gelöst werden. Die beiden Kammern folgten der Empfehlung des Bundesrates und nahmen die Motion an
[69].
Zwei Jahre nach der Volksabstimmung über das temporäre Verbot des Anbaus von gentechnisch veränderten Nutzpflanzen in der Landwirtschaft stellte der Nationalfonds die bewilligten Projekte des
Nationalen Forschungsprogramms 59 (NFP 59) vor. In diesem Rahmen werden die „Nutzen und Risiken der Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen“ untersucht. Die Ergebnisse des Programms sollen Grundlagen schaffen, um vor Ablauf des Gentech-Moratoriums im Jahr 2010 über die weiteren Schritte entscheiden zu können. Es wurde eine ganze Palette von Projekten, die mit insgesamt 9 Mio Fr. unterstützt werden, bewilligt. Darunter fallen einerseits Projekte im Bereich Pflanzenbiotechnologie und Umwelt, wo beispielsweise der Einfluss von gentechnisch veränderten Organismen auf die Ökologie der Böden, auf die Biodiversität und Wildpflanzen untersucht wird. Hier ist auch ein umstrittenes Weizenprojekt angesiedelt, bei dem man versucht, den Weizen mit Hilfe der Gentechnologie gegen Mehltau resistent zu machen und auf welches im nächsten Abschnitt noch näher eingegangen wird. Finanziert werden auch Projekte, die sich mit politischen, sozialen und ökonomischen Aspekten der Gentechnik auseinandersetzen wie auch solche im Bereich „Risiko und Entscheidungsprozesse“
[70].
Gentechnikforscher erhielten die Bewilligung, in Reckenholz bei Zürich und in Pully bei Lausanne versuchsweise gentechnisch veränderten Weizen anzupflanzen. Die Verantwortlichen des Bundesamtes für Umwelt (Bafu) lehnten 29 Einsprachen gegen die Projekte der ETH und der Universität Zürich ab. Der Bafu-Direktor war überzeugt, dass die Projekte besseren Aufschluss darüber geben könnten, wie pilzresistent gentechnisch veränderter Weizen ist. Allerdings betonte er die strengen Auflagen, unter denen in Zürich-Reckenholz und in Pully von 2008-2010 Genweizen angepflanzt wird. Die Versuche laufen im Rahmen des NFP 59. Gegen diese
Freisetzungsversuche gab es heftigen Protest von Umweltverbänden und den Initianten des Moratoriums
[71].
In der Sommersession wurden die Beratungen zur Ausführungsverordnung des Patentrechtsvertrages sowie zur Änderung des
Patentgesetzes, welche 2006 aufgenommen worden waren, fortgesetzt und abgeschlossen. Im Zentrum stand bei diesen Vorlagen die Patentierbarkeit von biotechnologischen Erfindungen. Weitere wesentliche Aspekte der Revision waren die Genehmigung des Patentrechtsvertrages zur Harmonisierung der Formalitäten im Patentrecht sowie die Umsetzung der Entschliessung der Welthandelsorganisation zur Verbesserung der Verfügbarkeit pharmazeutischer Produkte in Entwicklungsländern
[72].
Während die Vorlage im Nationalrat sehr umstritten gewesen war und die Meinungen weit auseinander gingen, gab die Vorlage im
Ständerat weniger zu reden. Dieser stimmte allen Beschlüssen des Nationalrates zu und eine längere Debatte entzündete sich lediglich bei der Frage, ob bei der Erfindung einer Sequenz, die sich von einer natürlich vorkommenden Sequenz eines Gens ableitet, die Wirkung des Patents auch auf Sequenzen in Verbindung mit anderen Funktionen als der zunächst angenommenen bezieht. Aufgrund von Bedenken aus der Wissenschaft beantragte Stadler (cvp, UR) eine Rückweisung von Artikel 8c, welcher den Geltungsumfang von Ansprüchen auf Nukleotidsequenzen (DNA-Sequenzen) festlegt. Diesem Vorhaben leistete der Ständerat allerdings keine Folge
[73].
Während der Ständerat die erste Vorlage (Bundesgesetz über die Erfindungspatente) in der
Schlussabstimmung mit 27 zu 0 Stimmen bei 7 Enthaltungen guthiess und die zweite Vorlage (Bundesbeschluss über die Genehmigung des Patentrechtsvertrages und der Ausführungsordnung) einstimmig annahm, lehnten im Nationalrat die Sozialdemokraten und die Grünen beide Vorlagen ab. Dadurch wurde die erste Vorlage mit lediglich 110 zu 62 Stimmen und die zweite mit 113 zu 44 Stimmen angenommen
[74].
[59]
BBl, 2007, S. 3747 ff.Vgl
. SPJ 2003, S. 275.
[60]
AB NR, 2007, S. 505 und 1542 f.;
AB SR, 2007, S. 616 f.
[61]
AB NR, 2007, S. 504.
[62]
AB NR, 2007, S. 392;
AB SR, 2007, S. 1106.
[63]
AB NR, 2007, S. 2054 ff. und Beilagen IV, S. 122 ff.
[64]
AB NR, 2007, S. 1859 f.
[65]
AB SR, 2007, S. 298 ff. Vgl
. SPJ 2006, S. 237.
[66]
BBl, 2007, S. 6713 ff.;
NZZ, 22.2.07. Siehe dazu oben, Teil I, 7b (Gesundheitspolitik).
[67]
NZZ, 20.3.07;
BaZ, 20.3.07.
[69]
AB NR, 2007, S. 1326 f.;
AB SR, 2007, S. 104.
[71]
TA, 5.9.07. Die im Vorjahr vom NR beschlossene Ausklammerung der Frage der patentrechtlichen Erschöpfung (Parallelimporte) fand auch im SR Zustimmung. Siehe dazu oben, Teil I, 4a (Wettbewerb).
[72]Vgl.
SPJ 2006, S. 239.
[73]
AB SR, 2007, S. 434 ff.
[74]
AB NR, 2007, S. 1160
; AB SR, 2007, S. 658.
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