Année politique Suisse 2007 : Enseignement, culture et médias / Culture, langues, églises
 
Sprachen
Aufgrund des Sprachenartikels der neuen Bundesverfassung (Art. 70 BV) hatte der Bundesrat 2001 ein Sprachengesetz in die Vernehmlassung gegeben, dem die meisten Kantone, politischen Parteien und weiteren konsultierten Organisationen zugestimmt hatten. Im Frühjahr 2004 hatte das EDI dann überraschend mitgeteilt, dass der Bundesrat darauf verzichte, das Gesetz dem Parlament vorzulegen. Das hatte Nationalrat Levrat (sp, FR) dazu bewogen, eine parlamentarische Initiative einzureichen, welche verlangte, der Vernehmlassungsentwurf sei vom Parlament in Eigenregie weiter zu bearbeiten. Die zuständigen Kommissionen beider Kammern hatten der Initiative Folge gegeben und diejenige des Nationalrats hatte im Vorjahr einen Entwurf vorgelegt. Im Berichtsjahr hat das Parlament diesen bereinigt und verabschiedet.
Der Nationalrat trat – gegen den Widerstand von Bundesrat und SVP-Fraktion – mit 113 zu 59 Stimmen auf die Vorlage ein. Die Befürworter argumentierten hauptsächlich mit der Förderung des nationalen Zusammenhalts und der vier Landessprachen. Die grosse Kammer folgte ihrer Kommission in der Detailberatung in fast allen Punkten. Im Zentrum der Diskussion stand die Frage, welche Priorität dem Fremdsprachenunterricht in der obligatorischen Schule einzuräumen sei. Die FDP unterstützte den Kompromiss der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK), in der obligatorischen Schule zwei Fremdsprachen zu unterrichten, ohne die Prioritäten festzulegen. Die Kommissionsmehrheit hingegen hielt am Vorrang einer Landessprache vor dem Englischen fest und setzte sich im Plenum mit 112 zu 56 Stimmen durch. Im weiteren folgte der Nationalrat dem Antrag seiner Kommission knapp nicht, wonach der Bund Finanzhilfen für die Übersetzung und Veröffentlichung wissenschaftlicher Arbeiten zur Mehrsprachigkeit sowie zur Sprachenpolitik gewähren kann. Massnahmen zur Verbesserung der Kenntnisse des Bundespersonals in den Landessprachen und für eine angemessene Vertretung der verschiedenen Sprachgemeinschaften in der Bundesverwaltung fanden hingegen Zustimmung. Ebenfalls angenommen wurden Massnahmen zur Förderung des Austausches zwischen den Sprachgemeinschaften. In der Gesamtabstimmung passierte das Gesetz mit 87 zu 68 Stimmen [14].
Im Ständerat war Eintreten unbestritten. Alle Redner sprachen sich für ein neues Gesetz aus, das wichtig für den nationalen Zusammenhang und für den Respekt gegenüber den sprachlichen Minderheiten sei. Ory (sp, NE) und Lombardi (cvp, TI) machten sich vergebens dafür stark, dass der nationale Zusammenhalt durch das prioritäre Erlernen einer Landessprache gefördert werden müsse. Der Antrag der Mehrheit, hier keine Vorschriften zu machen, wurde mit 26 zu 8 Stimmen angenommen. In der Gesamtabstimmung wurde das Gesetz ohne Gegenstimme bei einer Enthaltung genehmigt [15].
In der Differenzbereinigung nahm der Nationalrat den Kompromiss der Kommissionsmehrheit an, wonach sich Bund und Kantone dafür einzusetzen haben, dass während der obligatorischen Schulzeit Grundkenntnisse in zwei Fremdsprachen erlernt werden müssen, wovon mindestens eine Landessprache. Der Antrag einer Minderheit II, an der ursprünglichen Fassung des Nationalrats (Priorität für eine Landessprache vor dem Englischen) festzuhalten, wurde mit 71 zu 68 Stimmen abgelehnt, der Antrag einer Minderheit I, dem Ständerat zu folgen, mit 80 zu 67. Der Ständerat schloss sich diesem Kompromiss diskussionslos an, worauf das Gesetz in der Schlussabstimmung verabschiedet werden konnte [16].
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Berücksichtigung der Sprachminderheiten
Im dreisprachigen Kanton Graubünden wurde das neue Sprachengesetz in einer Referendumsabstimmung mit 22 582 Ja gegen 19 344 Nein angenommen. Das Gesetz regelt den Gebrauch der Amtssprachen Rätoromanisch, Deutsch und Italienisch und legt Grundsätze für deren Gebrauch in den Gemeinden fest. Das Gesetz schien unbestritten, da es 2006 im Kantonsparlament einstimmig angenommen worden war. Vor allem Deutschsprachige hatten aber wegen des starken Schutzes des romanischen Idioms in ursprünglich romanisch-, heute aber mehrheitlich deutschsprachigen Gemeinden das Referendum ergriffen [17].
 
[14] AB NR, 2007, S. 1068 ff., 1078 ff. und 1099 ff. Für den Kommisionsentwurf siehe BBl, 2006, S. 8977 ff. und 9047 ff. (BR). Siehe SPJ 2006, S. 246. Für Bestrebungen zur Harmonisierung des Fremdsprachenunterrichts siehe oben, Teil I, 8a, Grundschulen.
[15] AB SR, 2007, S. 778 ff.
[16] AB NR, 2007, S. 435 ff., 1645 und 1731; AB SR, 2007, S. 874 und 949; BBl, 2007, 6951 ff. Weil dem Anliegen damit entsprochen war, gaben beide Kammern einer ähnlich lautenden Standesinitiative des Kantons Tessin keine Folge (AB SR, 2007, S. 789; AB NR, 2007, S. 2057). Ebenso wurde eine pa.Iv. Berberat (sp, NE) zum ersten Fremdsprachenunterricht in einer Amtssprache des Bundes abgeschrieben (AB NR, 2007, S. 2057).
[17] AZ, Bund und BüZ, 18.6.07. Siehe SPJ 2006, S. 246.