Année politique Suisse 2008 : Chronique générale / Finances publiques / Direkte Steuern
print
Unternehmensbesteuerung
Das Volk entschied am 24. Februar über die Unternehmenssteuerreform II, gegen welche im Vorjahr eine Allianz aus SP, GP und SGB das Referendum eingereicht hatte [12].
In der Kampagne für die Volksabstimmung bekämpften die SP, die Grünen, die EVP, die CSP und die SD zusammen mit den Gewerkschaften die Reform. Für die Linke stellte diese Lockerung der Doppelbesteuerung der Unternehmensgewinne ein unnötiges, ja sogar verfassungswidriges Steuergeschenk an die Reichen dar. Sie befürchteten, dass die daraus resultierenden Mindereinnahmen den Staat zu Sparmassnahmen im Sozialbereich zwingen würden. Ihre Werbung schlug recht aggressive Töne an. So versuchten sie, die Vorlage mit den von breiten Kreisen als skandalös empfundenen hohen Löhne und Prämien für Bankmanager in Verbindung zu bringen.
SVP, FDP, CVP und Liberale unterstützten gemeinsam mit dem Bundesrat und den Unternehmerverbänden Economiesuisse und Gewerbeverband die Unternehmenssteuerreform. Sie betonten vor allem die daraus entstehenden Vorteile für die KMU. Das gegnerische Argument der Steuerausfälle relativierten sie mit der Behauptung, dass die eingesparten Steuern wieder investiert würden, was positive Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum und damit auch auf die zukünftigen Steuereinnahmen hätte [13].
Unternehmenssteuerreform II
Abstimmung vom 24. Februar 2008

Beteiligung: 38,6%
Ja: 938 744 (50,5%)
Nein: 918 990 (49,5%)

Parolen:
Ja: FDP, CVP, SVP, GLP, LP, EDU, Lega; Economiesuisse, SGV, SBV.
Nein: SP, GP, EVP (1)*, CSP (1)*, PdA, SD; SGB, Travail.Suisse.

* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen
Das Bundesgesetz über die Reform der Unternehmenssteuern wurde bei einer relativ schlechten Stimmbeteiligung von 38,6% mit einem Ja-Stimmenanteil von 50,5% äusserst knapp angenommen. Der Vorsprung der Befürwortenden betrug weniger als 20 000 Stimmen. Am stärksten stimmten die Niedersteuerkantone Nidwalden (64,3%), Appenzell Innerrhoden und Zug zu. Am niedrigsten war die Akzeptanz in den linken Industriekantonen Neuenburg (40,4%) und Basel-Stadt. Grundsätzlich nahm die Zustimmung von Ost nach West ab. Eine wichtige Ausnahme bildete Genf, das als einziger französischsprachiger Kanton zustimmte. Ein Grund für die Differenz zwischen den Sprachregionen mag darin gelegen haben, dass ausser Bern (wo sie am 24. Februar mit einer kantonalen Volksabstimmung eingeführt wurde) und Basel-Stadt (wo sie in Vorbereitung ist) bereits alle Kantone der Deutschschweiz eine ähnliche Regelung im kantonalen Steuerrecht kennen. Die Vox-Analyse zum Stimmverhalten zeigte, dass die Anhängerschaft der SP und der Grünen nahezu geschlossen der ablehnenden Parteiparole gefolgt war. Auch die Mitglieder oder Sympathisanten der Gewerkschaften sprachen sich überdurchschnittlich oft gegen die Unternehmenssteuerreform aus (72% Nein). Zwischen der Anhängerschaft der drei grossen bürgerlichen Parteien SVP, FDP und CVP gab es kaum Unterschiede; sie stimmte zu mehr als 70% für die Reform [14].
Ende Jahr beschloss der Bundesrat seine nächsten Schritte für eine weitere Unternehmenssteuerreform, um die in der Schweiz tätigen Firmen von unnötigen Steuerlasten zu befreien und die Position der Schweiz im internationalen Standortwettbewerb zu stärken. Dazu sollen die Emissionsabgabe abgeschafft und steuerliche Hindernisse bei der Finanzierungstätigkeit von Konzernen beseitigt werden. Zudem schlug der Bundesrat Anpassungen bei den kantonalen Holding- und Verwaltungsgesellschaften vor. In- und ausländische Erträge dieser Gesellschaften sollen, wie von der EU verlangt, künftig gleichbehandelt werden. Der Bundesrat beauftragte das EFD, eine Vernehmlassungsvorlage auszuarbeiten [15].
Gegen den Widerstand des links-grünen Lagers fügte der Nationalrat bei der Diskussion der Legislaturplanung neben der vom Bundesrat vorgegebenen administrativen Entlastung auch eine fiskalische Entlastung der Unternehmen ein. Gegen den Willen des Bundesrats stimmte der Rat mit 108 zu 71 Stimmen dieser Ergänzung zu. Die Einigungskommission sprach sich für die Version des Nationalrats aus, worauf sich auch der Ständerat mit 25 zu 9 Stimmen anschloss [16].
Nach dem Nationalrat im Vorjahr nahm nun auch der Ständerat eine Motion Bührer (fdp, SH) aus dem Jahr 2004 an, die den Bundesrat beauftragt, im Rahmen der Unternehmenssteuerreform II die Emissionsabgabe auf Eigenkapital abzuschaffen, um so die steuerliche Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz zu verbessern. Der Bundesrat hatte vergeblich Ablehnung beantragt, da bei dieser Massnahme die Nutzniesser in erster Linie bei den multinationalen Unternehmen, den Banken, Versicherungen und Holdinggesellschaften zu suchen wären, nicht aber bei den KMU. Auch wenn die Unternehmenssteuerreform II mittlerweile unter Dach und Fach war, beantragte die Kommission dennoch Annahme der Motion, da sie das Grundanliegen teilte. Sie argumentierte, die Emissionsabgabe sei auf dem internationalen Parkett mittlerweile ein Auslaufmodell; zudem erfolge sie zu einem falschen Zeitpunkt, nämlich dann, wenn Investitionen getätigt werden, und nicht erst, wenn daraus Gewinne anfallen. Leuenberger (sp, SO) plädierte für Ablehnung, nicht aus besonderer Zuneigung zu dieser Abgabe, die tatsächlich veraltet scheine, sondern weil nach dem knappen Abstimmungsergebnis zur Unternehmenssteuerreform eigentlich allen klar sein müsse, dass es nicht angehe, Grossunternehmen weiter zu entlasten, während so dringende Vorlagen wie die Revision der Familienbesteuerung oder die Vereinfachung der Mehrwertsteuer auf die lange Bank geschoben werden. Da in der Zwischenzeit auch der Bundesrat seine Meinung revidiert hatte und die Motion als Teil einer Wettbewerbssteuerreform betrachtet wissen wollte (siehe oben), wurde diese mit 25 zu 10 Stimmen angenommen [17].
Mit der Überweisung einer Motion seiner FK beauftragte der Ständerat die Regierung, eine Vorlage zur Beseitigung steuerlicher Hindernisse bei der Finanzierung von Konzerngesellschaften auszuarbeiten. Anders als in den meisten EU-Ländern untersteht in der Schweiz die konzerninterne Finanzierung, das so genannte Cash Pooling, sowohl der Stempel- wie der Verrechnungssteuer, was zur Folge haben kann, dass Geschäfte ins Ausland verlagert werden. Nachdem der Bundesrat bereit war, den Auftrag entgegen zu nehmen, wurde die Motion diskussionslos angenommen [18].
Der Ständerat behandelte zwei im Vorjahr vom Nationalrat überwiesene Motionen zur Senkung des Gewinnsteuersatzes für Unternehmen. Die Motion der FDP-Fraktion war recht offen formuliert, und schrieb insbesondere den Umfang und den zeitlichen Horizont der Senkung nicht vor, schlug aber eine Flexibilisierung bei der Besteuerung unterschiedlicher Ertragsarten vor. Diese Motion, die in erster Linie die Standortattraktivität der Schweizer Wirtschaft für ausländische Unternehmen fördern will, nahm die kleine Kammer gegen einen Ablehnungsantrag Fetz (sp, BS) mit 32 zu 10 Stimmen an, allerdings in einer abgeänderten Form, welche die Flexibilisierung ausschloss, da dieses so genannte Box-Modell, welches heute von den Niederlanden praktiziert wird, auch in der EU nicht unbestritten ist. Gegen den Widerstand der SP, die fand, gerade die Flexibilisierung hätte eine innovative Entwicklung ermöglicht, stimmte der Nationalrat der definitiven Überweisung in der modifizierten Form mit 95 zu 61 Stimmen zu. Die Motion der SVP-Fraktion, die genaue Vorgaben zur Senkung (von heute 8,5% auf neu 5,0%) vorsah, was allein beim Bund zu jährlichen Steuerausfällen von 3,8 Mia Fr. führen würde und auch beträchtliche Auswirkungen auf die Kantone hätte, lehnte der Ständerat mit 33 zu 7 Stimmen ab [19].
 
[12] Siehe SPJ 2007, S. 138 f.
[13] Presse vom 10.1.-23.2.08.
[14] BBl, 2008, S. 2781 ff.; Presse vom 25.2.08; Hirter, Hans / Linder, Wolf, Vox – Analyse der eidgenössischen Abstimmungen vom 24. Februar 2008, Bern 2008.
[15] AZ, NZZ und TA, 11.12.08.
[16] AB NR, 2008, S. 717 ff.; AB SR, 2008, S. 585 f.
[17] AB SR, 2008, S. 322 ff.
[18] AB SR, 2008, S. 767 f.
[19] AB SR, 2008, S. 50 ff.; AB NR, 2008, S. 1315 f. Siehe SPJ 2007, S. 139.