Année politique Suisse 2008 : Infrastructure, aménagement, environnement / Sol et logement
 
Raumplanung
Volk und Stände lehnten die Volksinitiative der Zürcher FDP für eine starke Einschränkung des Verbandsbeschwerderechts bei grossen Bauprojekten deutlich ab (siehe dazu unten, Teil I, 6d, Protection des sites et de la nature). Anlässlich der Behandlung dieser Volksinitiative hiessen die beiden Parlamentskammern eine Motion der Rechtskommission des Nationalrats gut, welche eine bessere Koordination zwischen Raumplanung und Umweltschutz verlangt [1].
Der Bundesrat empfahl die Ende 2007 von Helvetia Nostra eingereichte Volksinitiative gegen den Bau von umweltbelastenden Anlagen zur Ablehnung (siehe dazu unten, Teil I, 6d, Protection des sites et de la nature).
Grosses Aufsehen erregte namentlich in der Region Bern ein Entwurf des Bundesamtes für Raumentwicklung (ARE) für ein zukünftiges Raumkonzept für die Schweiz. Dieses soll die strategische Grundlage für die Raumentwicklung der nächsten zwanzig Jahre bilden. Einen Beschluss über das Konzept und über den Grad seiner Verbindlichkeit wird der Bundesrat erst nach der für 2009 vorgesehenen Konsultation der Kantone fassen. Aufgrund von international definierten Kriterien, welche primär wirtschaftliche Aspekte abdecken, erklärte das ARE die Agglomerationen Zürich, Genf-Lausanne und Basel zu den drei Metropolitanräumen der Schweiz. Die in Bezug auf Wirtschaftsleistung und Einwohnerzahl an vierter Stelle liegende Agglomeration Bern wurde eine Stufe tiefer, als so genannte Hauptstadtregion eingeordnet. Ursprünglich war der Raum Bern sogar bloss als „Städtenetz“ auf derselben Ebene wie die um ein Mehrfaches kleinere Region Aarau-Olten eingeteilt worden. Für die bernischen Behörden war dies ein ungerechtfertigter Prestigeverlust, der unter anderem die Agglomeration im internationalen Standortwettbewerb benachteiligt. Sie befürchteten insbesondere auch, bei national mitfinanzierten Infrastrukturprojekten beispielsweise für den öffentlichen Verkehr in Zukunft gegenüber den vier anderen schweizerischen Grossstädten benachteiligt zu werden. Dafür, dass diese Ängste nicht unbegründet sind, sorgte das ARE selbst, indem es postulierte, dass der Bund die Metropolitanräume Basel, Genf/Lausanne und Zürich bei der Entwicklung der Infrastrukturen bevorzugt behandelt und „die Entwicklungsdynamik … in erster Priorität in die metropolitanen Entwicklungsschwerpunkte gelenkt werden“ soll [2].
Die Naturschutzorganisation Pro Natura reichte im August ihre Volksinitiative „Raum für Mensch und Natur (Landschaftsinitiative)“ mit rund 110 000 Unterschriften ein. Diese verlangt insbesondere, dass in den nächsten zwanzig Jahren per saldo keine zusätzlichen Bauzonen bestimmt werden dürfen. Eine Studie des ARE zeigte auf, dass die eingezonten Baulandreserven sehr gross sind und noch für 1,4 bis 2,1 Mio Einwohner Platz bieten. Negativ aus raumplanerischer Sicht beurteilt die Studie die Tatsache, dass der grösste Teil dieses Baulandes in ländlichen, vom öffentlichen Verkehr schlecht erschlossenen Regionen liegt [3].
top
 
print
Raumplanungsgesetz (RPG)
Der Bundesrat gab gegen Jahresende den Vorentwurf für eine Teilrevision des Raumplanungsgesetzes in die Vernehmlassung. Inhaltliche Hauptzielrichtung ist die Bekämpfung einer ungebremsten Zersiedelung des Landes. Als Mittel schlägt der Bundesrat klarere Vorgaben für die Kantone für ihre Richtplanung vor. Letztere sollen in Zukunft die Gemeinden stärker zu einer ortsübergreifenden Planung und zu einem sparsamen Umgang mit dem Boden verpflichten. Dies könnte zum Beispiel durch die Förderung des verdichteten Bauens oder die Umnutzung von nicht mehr gebrauchten Industriearealen geschehen. Überdimensionierte Bauzonen in ländlichen Gebieten sollen ohne Entschädigungspflicht rückgezont werden dürfen. Dieses Land würde einer Reservebauzone zugewiesen und könnte später bei Bedarf wieder zu einer Bauzone werden. Auf der anderen Seite möchte der Bundesrat dort wo es erwünscht ist, also zum Beispiel in gut erschlossenen Bauzonen, die Landbesitzer verpflichten können, innerhalb einer bestimmten Frist zu bauen. Lassen sie diese Frist ungenutzt verstreichen, hätte die Gemeinde das Recht, das Land zwecks Überbauung zu kaufen. Das Vergrössern und Umbauen von Gebäuden ausserhalb von Bauzonen (zumeist Landwirtschaftsgebäude) soll erleichtert werden. Ist damit aber eine Umnutzung verbunden indem das Haus in eine Wohnung für Nichtlandwirte umgebaut wird, wäre eine Abgabe zu bezahlen. Für das Problem der schlecht genutzten Zweitwohnungen in Tourismusgebieten machte der Bundesrat keine Vorschläge, welche über das hinausgehen, was er als flankierende Massnahme zur Aufhebung der Lex Koller vorgeschlagen hat (siehe dazu unten): Die Verpflichtung der Kantone, sich der Problematik dieser „kalten Betten“ in ihren Richtplänen anzunehmen. Der Bundesrat will diese Teilrevision des RPG auch als indirekten Gegenvorschlag zu der oben erwähnten „Landschaftsinitiative“ verstanden wissen [4].
Der Ständerat hielt an seinem Beschluss des Vorjahres fest, eine raumplanerische Standesinitiative des Kantons Luzern als erfüllt abzuschreiben. Diese fordert eine Revision des Raumplanungsgesetzes mit dem Ziel, auch gewerbliche Aktivitäten von Bauern in den Landwirtschaftszonen zu erlauben und die Vergrösserung von bestehenden Wohnbauten ausserhalb von Wohnbauzonen zuzulassen. Da die erste Forderung umgesetzt ist und die zweite mit der eingeleiteten neuen Revision des Raumplanungsgesetzes (siehe oben) realisiert werden soll, benötige es diese Initiative nicht mehr. Auf Antrag der Kantonsregierung beschloss das St. Galler Parlament die Einreichung einer Standesinitiative, welche ebenfalls Erleichterungen für den Ausbau von Wohngebäuden in Landwirtschaftszonen verlangt [5].
 
[1] AB NR, 2008, S. 292; AB SR, 2008, S. 522 f. Das Parlament hatte bereits 2006 eine Motion der Rechtskommission des SR mit der gleichen Zielrichtung überwiesen (SPJ 2006, S. 159 f.).
[2] BZ, 22.8., 23.8., 27.8. (Position ARE), 29.8. (ursprüngliche Einstufung), 6.9. und 6.12.08; BaZ, 27.8.08. Siehe auch Bundesamt für Raumentwicklung, Forum Raumentwicklung – Informationsheft, Nr. 3, Bern 2008. Vgl. auch die Antwort des BR auf Interpellationen Wasserfallen (fdp, BE) und Luginbühl (bdp, BE) in AB NR, 2008, Beilagen V, S. 229 f. resp. AB SR, 2008, Beilagen V, S. 187 f. NR Joder (svp, BE) reichte zu diesem Thema eine Motion ein (Mo. 08.3478).
[3] BBl, 2008, S. 7557 f.; NZZ und SGT, 15.8.08 (Initiative); BaZ, 24.10.08 (Bauland). Siehe SPJ 2007, S. 187. Siehe auch Lit. Landschaftszersiedelung sowie das Interview mit dem zurücktretenden Direktor des ARE, Pierre-Alain Rumley, in Bund, 24.10.08.
[4] Bund und NZZ, 20.12.08.
[5] AB SR, 2008, S. 528 f.; NZZ, 15.4.08 (SG). Siehe SPJ 2007, S. 188.