Année politique Suisse 2008 : Politique sociale / Assurances sociales
 
Berufliche Vorsorge
Der Ständerat beriet die vom Bundesrat 2007 vorgeschlagene Strukturreform der beruflichen Vorsorge als Erstrat in der Herbstsession. Die ständerätliche Kommission hatte die Vorlage ohne Gegenstimmen verabschiedet. In der Eintretensdebatte begrüssten alle Redner die Vorlage. Der Ständerat nahm beide Vorlagen in der Gesamtabstimmung einstimmig an [20].
Nachdem im Vorjahr der Vorschlag des Bundesrates für eine raschere Senkung des Mindestumwandlungssatzes in der beruflichen Vorsorge gescheitert war, befasste sich der Nationalrat damit. Eine linksgrüne Minderheit Rechsteiner (sp, BS) beantragte das Nichteintreten auf die Vorlage mit der Begründung, dass eine Senkung des Mindestumwandlungssatzes inakzeptabel sei, solange die "Legal Quote" (Überschussbeteiligung der Versicherten) für die berufliche Vorsorge nicht geregelt sei. Ausserdem würde die zunehmende Lebenserwartung eine Reduktion des Mindestumwandlungssatzes nicht rechtfertigen. Mit 118 zu 62 Stimmen lehnte der Nationalrat, den Minderheitsantrag ab und trat auf die Vorlage ein. In der Detailberatung wich der Nationalrat nur in einem Punkt von der Vorlage des Bundesrates ab und zwar beim Zeitraum, über welchen die Senkung vorgenommen werden sollte. Die grosse Kammer folgte der Mehrheit ihrer Kommission und beschloss, die Senkung nicht wie vom Bundesrat vorgesehen innerhalb von drei, sondern von fünf Jahren umzusetzen. Einen Minderheitsantrag Bortoluzzi (svp, ZH), welcher den Mindestumwandlungssatz aus dem Gesetz streichen wollte, lehnte der Nationalrat ab, ebenso wie einen Antrag der Minderheit Rechsteiner (sp, BS). Dieser wollte mit einer Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes eine Regelung der „Legal Quote“ einführen, welche die Interessen der Versicherten durch eine klare, einheitliche Praxis schützte. Die Bürgerlichen betonten zwar ebenfalls die Wichtigkeit einer Diskussion dieser Frage, wiesen aber darauf hin, dass aufgrund der Komplexität der Thematik der Subkommission BVG mehr Zeit für Abklärungen eingeräumt werden sollte. In der Gesamtabstimmung nahm der Nationalrat die Vorlage mit 115 zu 57 Stimmen an. Die SP und die Grünen sprachen sich dagegen aus [21].
In der Differenzbereinigung folgte der Ständerat dem Nationalrat. Da die kleine Kammer die Vorlage in der Gesamtabstimmung als Erstrat abgelehnt hatte, musste sie die Beratung neu aufnehmen. Das Eintreten war nun aber vor dem Hintergrund der Finanzkrise unbestritten. Eine sozialdemokratische Minderheit, welche den Umwandlungssatz nur auf 6,5% senken und die Frage der "Legal Quote" regeln wollte, wurde zurückgezogen, weil sich die SGK des Nationalrates dem Problem annehmen wird. Der Ständerat nahm die Vorlage in der Gesamtabstimmung bei 3 Enthaltungen einstimmig an. In der Schlussabstimmung verabschiedete der Nationalrat die Vorlage mit 126 zu 62 Stimmen und der Ständerat mit 35 zu 1 Stimme bei 6 Enthaltungen [22].
Eine Motion der GPK des Nationalrates forderte, dass zur Verbesserung der Transparenz den Versicherten der zweiten Säule auf dem jährlichen, persönlichen Versicherungsausweis angegeben wird, ob und wie viel Überschussbeteiligung aus Versicherungsverträgen ihren Guthaben zugewiesen wurde. Bereits 2004 hatte die GPK den Bundesrat aufgefordert, die Transparenz über die Verwendung der Mittel der beruflichen Vorsorge bis auf die Stufe der Versicherten zu gewährleisten, um Missbräuchen vorzubeugen. Die Kommission stellte nun fest, dass nicht alle Vorsorgeeinrichtungen ihren Versicherten freiwillig die ihnen persönlich zugewiesenen Überschüsse ausweisen und möchte dies deshalb obligatorisch machen. Der Bundesrat wendete sich gegen die Motion, da er der Meinung war, dass die Vorsorgeeinrichtungen zu verschieden seien, um zugewiesene Beiträge von verschiedenen Einrichtungen miteinander vergleichen zu können. Eine solche Verpflichtung würde für mehr Verwirrung sorgen, als dass dadurch die Transparenz tatsächlich gefördert würde. Der Nationalrat leistete dem Bundesrat Folge und lehnte die Motion mit 57 zu 106 Stimmen ab [23].
Ebenfalls abgelehnt wurde ein Motion Thorens Goumaz (gp, VD), welche verlangte, dass die Pensionskassen bestimmen müssen, inwieweit sie sich in ihrer Anlagepolitik einer Strategie der Nachhaltigkeit verschreiben und dass diese Strategie öffentlich gemacht werden muss. Auch der Bundesrat begrüsste ein nachhaltig orientiertes Investitionsverhalten. Er erachtete es aber insbesondere aufgrund des Diversifikationserfordernisses nicht als zweckmässig, nachhaltige Anlageprodukte im Bereich der beruflichen Vorsorge speziell zu empfehlen. In Anlehnung an den Bundesrat lehnte der Nationalrat die Motion mit 70 zu 111 Stimmen ab [24].
Ebenfalls keinen Erfolg hatte eine Motion Rossini (sp, VS), welche den Bundesrat beauftragte, eine Statistik zu veröffentlichen, die für die 2. Säule und die Säule 3a die Zahl der Anspruchsberechtigten und die Aufgliederung der Rentenbeträge ausweist. Der Bundesrat wies in diesem Zusammenhang auf drei Aktivitäten hin, welche geplant sind. Priorität hat die Neurentenerhebung. Zudem sind ein Projekt zur Steuerdatenerhebung und eine Statistik zur Alterssicherung geplant. Da bereits mit dem Projekt der Neurentenerhebung ein grosser Teil der vom Motionär gewünschten Informationen vorliegen wird, beantragte der Bundesrat erfolgreich die Ablehnung der Motion [25].
 
[20] AB SR, 2008, S. 558 ff. und 564 ff. Siehe SPJ 2007, S. 232.
[21] AB NR, 2008, S. 1281 ff. Siehe SPJ 2007, S. 232 f.
[22] AB SR, 2008, S. 960 ff. und 1058; AB NR, 2008, S. 1975.
[23] AB NR, 2008, S. 83 f.
[24] AB NR, 2008, S. 1755.
[25] AB NR, 2008, S. 1553.