Année politique Suisse 2008 : Enseignement, culture et médias / Enseignement et recherche / Grundschulen
Im Berichtsjahr hiessen die Parlamente weiterer neun Kantone (BE, GL, GR, JU, NE, NW, SG, VD, VS) den Beitritt zum
Konkordat für die Harmonisierung der obligatorischen Schule (HarmoS) gut. Allerdings entdeckte die SVP mit dem Widerstand gegen HarmoS ein Betätigungsfeld um ihre Opposition in der Bildungspolitik auszuleben und bekämpfte die Harmonisierung der Volksschule mit Hilfe ihrer Kantonalparteien
[22].
Das erste
Referendum konnte im Frühjahr in Luzern eingereicht werden, weitere kamen in den Kantonen Graubünden, Nidwalden, Sankt Gallen, Thurgau und Zürich zustande. Im Kanton Bern war die Unterschriftensammlung Ende 2008 noch am Laufen. Im Gegensatz zur Deutschschweiz gab es in den französischsprachigen Kantonen kaum Widerstand gegen HarmoS. Einzig im Kanton Jura hatte die SVP das Referendum ergriffen, brachte aber von den 2000 notwendigen Unterschriften nur 1500 zusammen
[23].
Die SVP kritisierte an HarmoS vor allem die
Früheinschulung der Kinder infolge der Kindergartenzeit von zwei Jahren und den
Ausbau der Tagesstrukturen. Sie machte geltend, dass vierjährige Kinder nicht reif für die Schule seien und die Eltern durch die frühe Einschulung entmündigt würden. Mit Schlagwörtern wie „Schulzwang für vierjährige“ und „Einheitsschule“ sowie mit Plakaten die weinende Kinder zeigten, mobilisierte sie gegen die Vereinheitlichung der Volksschule. Ferner verwies sie auf die enormen Kosten, die mit dem in HarmoS vorgesehenen Ausbau der Betreuungsinfrastruktur verbunden seien
[24].
Der Erfolg der SVP löste auch
Reaktionen seitens der übrigen Parteien aus, CVP, FDP und SP warben in den Medien vehement für das HarmoS-Projekt. Die FDP trat im Rahmen eines nationalen Komitees mit über 230 Mitgliedern für das Konkordat ein und die SP startete eine nationale Kampagne zugunsten der Harmonisierung der Volksschule. Auch der Dachverband Schweizer Lehrerinnen und Lehrer, Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften setzten sich für ein Ja zu HarmoS ein
[25].
Als erster Kanton führte
Luzern im September eine Volksabstimmung über die Harmonisierung der Volksschule durch. Der Beitritt zum Konkordat wurde an der Urne deutlich mit 61,4% der Stimmen abgelehnt. Am 30. November fand in vier weiteren Kantonen eine Abstimmung über das Harmos-Konkordat statt. In
Zürich wurde ein Beitritt mit 62,4% und in
Sankt Gallen mit 52,8% der Stimmen gutgeheissen. Dagegen wurde HarmoS im
Thurgau mit 51,6% und in
Graubünden mit 56,7% der Stimmen abgelehnt. Trotz den Niederlagen an der Urne, blieben die Befürworter von Harmos zuversichtlich. Die Präsidentin der Erziehungsdirektorenkonferenz, Isabelle Chassot (FR, cvp), zeigte sich überzeugt, dass das Quorum von 10 Ständen, welches für das Inkrafttreten von HarmoS erforderlich ist, 2009 erreicht werde
[26].
Aufgrund des ernüchternden Abstimmungsresultats im Nachbarkanton versuchten Nidwalden, Schwyz und Uri
HarmoS zu entschärfen. Zwar werden die Kinder weiterhin grundsätzlich ab vier Jahren schulpflichtig, die Eltern können ihre Kinder aber in Absprache mit den Schulverantwortlichen um ein Jahr zurückstellen. Die gleiche Änderung hatte der Luzerner Kantonsrat drei Wochen vor der Abstimmung erfolglos eingeführt
[27].
In den Kantonen der Romandie und im Tessin soll in Sprache, Mathematik, Naturwissenschaften, Geschichte, Gestalten und Sport künftig der gleiche Unterrichtsstoff vermittelt werden. Im August wurde der Entwurf für einen
gemeinsamen Lehrplan (plan d’études romandes – PER) in die Vernehmlassung geschickt. Dieser bildet Bestandteil der Convention scolaire romande, mit welcher die französischsprachigen Kantone und das Tessin eine noch über das HarmoS-Konkordat hinausgehende Zusammenarbeit vereinbart haben
[28].
In den Kantonen Aargau, Basel-Landschaft, Basel-Stadt und Solothurn wurde im Berichtjahr ein Staatsvertrag für einen
Bildungsraum Nordwestschweiz erarbeitet. Durch die Schaffung eines einheitlichen Bildungssystems wollen die vier Kantone Mobilitätshindernisse abbauen und die Leistungsanforderungen auf allen Stufen transparent und verbindlich machen. Unter anderem sollen die Kinder künftig eine vierjährige Basisstufe besuchen, in welcher die bisherigen Kindergartenjahre und die ersten zwei Schuljahre zusammengeführt werden. In den Kantonen Basel-Landschaft, Basel-Stadt und Solothurn wurde dieser Entwurf im Dezember zusammen mit dem HarmoS-Konkordat in die Vernehmlassung geschickt. Im Kanton Aargau erfolgt die Vernehmlassung erst nach der Abstimmung zum Bildungskleeblatt im Frühling 2009, weil damit bereits wesentliche Elemente des Bildungsraum-Programms umgesetzt werden
[29].
Die Erziehungsdirektorenkonferenz Ostschweiz präsentierte 2008 erste Zwischenergebnisse zum
Schulversuch der Verschmelzung des Kindergartens und der frühen Primarstufen in altersdurchmischten Klassen, der so genannten Basisstufe. Die Universität Zürich und die Pädagogische Hochschule Sankt Gallen haben während fünf Jahren 1000 Kinder aus Schulversuchs- und traditionellen Klassen sowie deren Eltern und Lehrkräfte befragt. Die Resultate zeigen, dass Kinder, welche die Basisstufe besuchen gleichgute oder sogar bessere Leistungen erbringen als jene die nach herkömmlichem System unterrichtet werden. Als zentraler Vorteil werten die Experten die Entschärfung des Schuleintritts, welche durch das neue Modell erreicht werden konnte. Die Schulversuche und die Evaluation laufen bis 2010 weiter. Danach ist jeder Kanton frei, das Modell einzuführen
[30].
[22]
Bund, 7.2. und 9.9.08 (BE);
NZZ, 5.5.08 (GL);
BüZ, 13.2.08 (GR);
QJ, 24.4.08 (JU);
SGT, 16.4.08 (SG);
LT, 15.4. (VD) und 8.5.08 (VS). Vgl.
SPJ 2007, S. 265 f. Im Jahr 2007 hiess nicht das Kantonsparlament von GR, sondern jenes von SH den Beitritt zum HarmoS-Konkordat gut.
[23]
SN, 8.7.08 (GR und LU);
NLZ, 29.9.08 (NW);
Bund und
BZ, 3.10.08 (BE);
LT, 2.7.08 (Westschweiz).
[24]
Bund, 7.2.08;
TA, 8.3.08;
BüZ, 9.9.08.
[25]
AZ und
BaZ, 27.5.08 (CVP);
SN, 8.7.08 (SP);
AZ und
BüZ, 29.8.08 (FDP);
AZ und
NZZ, 11.9.08 (LCH, Arbeitgeber und Gewerkschaften).
[26]
NLZ, 29.9.08;
AZ,
SGT und
TA, 1.12.08.
[27]
NZZ, 16.12.08;
NLZ, 17.12.08 (SZ und UR);
Bund, 23.12.08;
SGT, 30.12.08 (NW).
[28]
Lib. und
LT, 27.8.08. Vgl.
SPJ 2007, S. 266.
[29]
AZ, 23.2., 15.5. und 17.12.08;
BaZ, 21.8.08;
SZ, 17.12.08. Vgl.
SPJ 2007, S. 266.
[30]
TA, 20.6.08. Vgl.
SPJ 2005, S. 221.
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