Année politique Suisse 2008 : Enseignement, culture et médias / Enseignement et recherche
 
Berufsbildung
Im Berichtsjahr wurde der Entwurf zur Totalrevision der eidgenössischen Berufsmaturität in die Vernehmlassung geschickt. Im Zentrum der Revision stehen eine erhöhte Flexibilität der Angebote und eine Angleichung der Ausbildungsinhalte der beiden Hauptbereiche Technik und Kaufmännisches. Die Berufsmaturität wäre damit weniger eng an den erlernten Beruf gebunden und hätte mehr Allgemeinbildung und interdisziplinäres Lernen zum Inhalt. Neu soll es vier Grundlagenfächer geben, nämlich zwei Landessprachen, eine weitere Fremdsprache sowie Mathematik. Das bisher eigenständige Fach Geschichte wird dagegen gestrichen und in das neue Fach Gesellschaft und Wirtschaft integriert [33].
Die Vorlage stiess sowohl bei Lehrern wie auch bei Bildungspolitikern auf Ablehnung. Viele der befragten Institutionen sehen mit dieser Reform das Erfolgsmodell der Berufsmaturität gefährdet. Die Schweizerische Direktorinnen- und Direktorenkonferenz der Berufsfachschulen wollte aus diesem Grund ganz auf die Revision verzichten. Ähnlich skeptisch äusserte sich die Rektorenkonferenz der Fachhochschulen. Sie befürchtet, dass durch die Flexibilisierung der Ausbildung bei Studienbeginn kein kongruenter Wissensstand mehr bestünde und daher in vielen Fachbereichen Vorkurse oder Aufnahmeprüfungen eingeführt werden müssten. Wirtschaftskreise kritisierten vor allem die Untervertretung von Naturwissenschaft und Technik in den Grundlagefächern. Gemäss dem Kaufmännischen Verband trägt die Verordnung den Besonderheiten der kaufmännischen Berufsmaturität kaum Rechnung. Auch bei den Parteien stiess der Verordnungsentwurf auf viel Widerstand. Für SP, FDP und SVP fehlt es insbesondere am Berufsbezug der Ausbildung [34].
Die Erziehungsdirektoren von Aargau, Basel-Landschaft, Basel-Stadt und Solothurn starteten im Berichtsjahr eine gemeinsame Berufsbildungsoffensive. Sie beabsichtigen neben dem Volksschulbereich auch die Förderung der Berufsbildung zu koordinieren. Handlungsbedarf sehen sie insbesondere beim Ausbau des Angebots von Attestlehren für Jugendliche mit tiefen schulischen Leistungen sowie bei der Berufsmaturität. Die Quote der Berufsmaturanden liegt in allen vier Kantonen unter dem gesamtschweizerischen Durchschnitt [35].
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Lehrstellen
FDP-Nationalrat Ineichen (LU) errichtete 2008 die Stiftung „Speranza“, die Jugendlichen ohne Lehrstelle mit Brückenangeboten weiterhelfen soll. „Speranza“ arbeitet eng mit Bund und Kantonen zusammen, welche mindestens 60% der Kosten der Projekte übernehmen. Das Startkapital der Stiftung belief sich auf 500 000 Fr., Ineichen will aber in den nächsten drei bis fünf Jahren ein Vermögen von 25 Mio Fr. erreichen [36].
Als erster Deutschschweizer Kanton führt Zürich einen Berufsbildungsfonds ein. Das Volk hiess im September ein Berufsbildungsgesetz inklusive Berufsbildungsfonds mit 58% der Stimmen gut. Betriebe, die keine Lehrstellen anbieten, müssen künftig eine Abgabe in einen kantonalen Fonds errichten; dieses Geld fliesst zurück an Firmen die Lehrlinge ausbilden, sowie in Projekte zur Schaffung von Ausbildungsangeboten. Der Fonds war von den bürgerlichen Parteien und dem Gewerbe vehement bekämpft worden, während die Linke, Teile der CVP, der Kantonsrat und die Regierung ein Ja empfohlen hatten [37].
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Berufsordnungen
Der Bundesrat beschloss im Berichtsjahr, die EU-Richtlinien über die Anerkennung von Berufsqualifikationen zu übernehmen. Dadurch können Schweizerinnen und Schweizer im Ausland von Vereinfachungen bei der Anerkennung von Diplomen profitieren. Eine entscheidende Verbesserung bedeutet die Richtlinie für Personen, die nur kurz im Ausland arbeiten wollen; für grenzüberschreitende Dienstleistungen von Kurzaufenthaltern (bis 90 Tage) braucht es grundsätzlich keine Diplomanerkennung mehr. Einschränkungen bestehen nur noch bei Tätigkeiten, welche die Gesundheit oder Sicherheit von Personen gefährden können. Die Erleichterungen treten voraussichtlich Anfangs 2010 in Kraft, zuvor werden im gemischten Ausschuss zum Freizügigkeitsabkommen die noch offenen Detailfragen ausgehandelt [38].
Eine parlamentarische Initiative Leumann (fdp, LU), welche unter anderem eine Berufsregelung für Patentanwälte schaffen wollte, wurde vom Ständerat in der Herbstsession als erfüllt abgeschrieben [39].
 
[33] BBl, 2008, S. 3182; NLZ, 18.6. und 16.8.08.
[34] LT, 16.8. und 4.11.08; NZZ, 16.8.08.
[35] BaZ und SZ, 19.8.08.
[36] AZ, BaZ und NLZ, 9.5.08.
[37] BaZ und NZZ, 30.9.08.
[38] Bund und LT, 19.6.08.
[39] AB SR, 2008, S. 742 f. Siehe dazu oben, Teil I, 1c (Gerichte).