Année politique Suisse 2009 : Eléments du système politique / Droits, ordre public et juridique
 
Staatsschutz
Der Ständerat übte heftige Kritik an den so genannten Terroristenlisten der UNO. Mit der einstimmigen Überweisung einer Motion Marty (fdp, TI) forderte er die Landesregierung auf, dem UNO-Sicherheitsrat mitzuteilen, dass er Sanktionen gegen darin aufgeführte natürliche Personen nur noch verhängen werde, wenn bestimmte rechtsstaatliche Vorgaben erfüllt sind. Konkret gehöre insbesondere dazu, dass die aufgeführten Personen ein Rekursrecht erhalten und dass eine Anklage einer Justizbehörde gegen sie vorliegt [13].
Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstandes, welche oft auch Gesetzesänderungen nach sich ziehen, werden hier nur behandelt, wenn sie für das Rechtssystem bedeutsam sind oder zu Kontroversen Anlass gaben. Ein solcher Fall trat bei der Vereinfachung des Informationsaustausches zwischen Strafverfolgungsbehörden ein. Sie wurde von der SVP mit einem Nichteintretensantrag bekämpft. Ihr Argument, dass damit einem schrankenlosen Austausch von Daten zwischen staatlichen Behörden Tür und Tor geöffnet werde, wiesen Bundesrätin Widmer-Schlumpf und die anderen Fraktionen als unbegründet zurück. Materiell neu sei für die Schweiz einzig, dass die Behörden in definierten Einzelfällen auch spontan, das heisst ohne vorheriges Ersuchen des anderen Staates, Informationen zur Verhinderung von Verbrechen austauschen können. In der Detailberatung gelang es der SVP zwar nicht, diesen Artikel aus dem neuen Gesetz zu streichen. Aber immerhin wurde auf Antrag der SP beschlossen, dass über diesen spontanen Informationsaustausch ein jährlicher Bericht erstellt wird. In der Gesamtabstimmung votierte nur die geschlossene SVP-Fraktion gegen den Beschluss; die Mehrheit der GP-Fraktion enthielt sich der Stimme. Der Ständerat hiess die Vorlage oppositionslos gut [14].
Der Ständerat befasste sich als Zweitrat mit der Revision des Staatsschutzgesetzes (Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit). Er beschloss, im Gegensatz zur grossen Kammer auf die Vorlage einzutreten, sie aber an den Bundesrat zur Überarbeitung zurückzuweisen. Dabei forderte er von der Regierung unter anderem die Konkretisierung von Begriffen wie „innere“ und „äussere Sicherheit“, eine Präzisierung der vorgesehenen Zusammenarbeit von eidgenössischen, kantonalen und ausländischen Polizeistellen sowie einen Ausbau der parlamentarischen Aufsicht. Der Nationalrat schloss sich diesem Entscheid gegen den Widerstand der SP und der GP, welche die Revision weiterhin grundsätzlich ablehnten, an. Die SVP hingegen wechselte ihre Position und wollte dem nun nicht mehr von Bundesrat Schmid (bdp), sondern von ihrem eigenen Bundesrat Maurer vertretenen Geschäft in einer überarbeiteten Version nochmals eine Chance geben [15].
Im Einvernehmen mit dem Bundesrat überwiesen der National- und der Ständerat eine Motion Büchler (cvp, SG) für einen Ausbau der Amtsstelle beim Bundesamt für Polizei, welche sich mit der Überwachung von terroristischen und kriminellen Bestrebungen und Propaganda im Internet befasst. Insbesondere gelte es, die personellen Ressourcen bereit zu stellen, um entsprechende Internetseiten auf schweizerischen Servern zu eruieren und sofort zu sperren [16].
Die Geschäftsprüfungsdelegation der eidgenössischen Räte publizierte im Januar einen umfangreichen Bericht über die Rechtmässigkeit der 2007 durch den Bundesrat angeordneten Vernichtung von Akten im Zusammenhang mit Ermittlungen der Bundesanwaltschaft gegen Ostschweizer Geschäftsleute (Familie Tinner), die des illegalen Exports von Kriegsmaterial verdächtigt wurden. Sie hielt fest, dass sie grundsätzlich seit dem Sommer 2004 durch die zuständigen Bundesstellen regelmässig und korrekt über das Strafverfahren, aber auch über die nachrichtendienstlichen Aspekte des Falles Tinner informiert worden sei. Der Regierungsbeschluss über die Aktenvernichtung sei ihr hingegen nicht zur Kenntnis gebracht worden, was sie für einen Fehler halte. Die Delegation verlangte deshalb vom Bundesrat ein Konzept für ihre zukünftige rechtzeitige Information über geheime Bundesratsbeschlüsse. Der Bundesrat war damit einverstanden. Nicht zu teilen vermochte er hingegen die Kritik der Delegation, dass die Regierung über kein Konzept verfüge, wie mit interdepartementalen Geschäften von grosser sicherheits- und aussenpolitischer Bedeutung umzugehen sei, bei denen die Geheimhaltung sehr wichtig sei. Die bestehenden Strukturen insbesondere im Rahmen des Sicherheitsausschusses des Bundesrates haben sich nach Ansicht der Regierung bewährt und seien, im Gegensatz zur Meinung der Geschäftsprüfungsdelegation, in der Regel ausreichend für die Erkennung von Risiken und Gefahren [17].
 
[13] AB SR, 2009, S. 819 ff.; Siehe dazu auch Marty in LT, 9.6.09.
[14] BBl, 2008, S. 9061 ff.; AB NR, 2009, S. 676 ff. und 1311; AB SR, 2009, S. 315 f. und 734; BBl, 2009, S. 4493 ff. Siehe SPJ 2008, S. 20.
[15] AB SR, 2009, S. 19 ff.; AB NR, 2009, S. 672 ff.; NZZ, 29.4.09. Siehe SPJ 2008, S. 20 f.
[16] AB NR, 2009, S. 1007; AB SR, 2009, S. 961.
[17] BBl, 2009, S. 5007 ff. und 5063 ff. (BR); Presse vom 23.1.09. Vgl. auch die Debatte im SR (AB SR, 2009, S. 966 ff.) Siehe SPJ 2008, S. 21 f.