Année politique Suisse 2009 : Eléments du système politique / Droits, ordre public et juridique / Strafrecht
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Sexuelle Straftaten an Kindern
Ein Komitee um Christine Bussat, welche an der im Vorjahr vom Volk gutgeheissenen Unverjährbarkeitsinitiative massgeblich beteiligt gewesen war, lancierte im Herbst eine Volksinitiative mit dem Titel „Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen“. Diese verlangt, dass wegen Sexualdelikten mit Kindern verurteilten Personen verboten wird, je wieder eine „berufliche oder ehrenamtliche Tätigkeit mit Minderjährigen oder Abhängigen auszuüben“ [46].
Mit knapper Mehrheit (89 zu 84 Stimmen) sprach sich der Nationalrat gegen eine Motion der SVP aus, welche eine obligatorische Nachbetreuung aller wegen Missbrauchs von Kindern Verurteilten verlangte. Die ablehnende Rechtskommission begründete ihren Antrag damit, dass diese Massnahme für schwere Taten bereits bestehe, für alle Delikte aber unverhältnismässig wäre. Mit einer noch knapperen Mehrheit (88 zu 87) stimmte er dagegen einer Motion Rickli (svp, ZH) zu, welche ein nationales Register für verurteilte Pädophile fordert [47].
Entgegen dem Antrag seiner Rechtskommission gab das Plenum des Nationalrats einer parlamentarischen Initiative der SVP Folge, welche eine Strafverschärfung (mindestens fünf Jahre Freiheitsentzug) für Vergewaltigungen fordert, welche durch eine Gruppe begangen wurden. Eine entsprechende Strafverschärfung sei auch im Jugend- und Kinderstrafrecht einzuführen. Hintergrund dieser Forderung waren mehrere Vorfälle von Gruppenvergewaltigungen von Schulmädchen durch Jugendliche gewesen. Die Argumente der Kommissionsmehrheit, dass nicht erwiesen sei, dass die Kriminalität von Jugendlichen mit hohen Strafen reduziert werden könne, und dass den Richtern genügend Spielraum für die Strafzuteilung gewährt werden müsse, vermochten nicht zu überzeugen [48].
Der Nationalrat stimmte einer Motion Aubert (sp, VD) zu, welche eine allgemeine Meldepflicht für Misshandlungen und sexuelle Vergehen an Kindern bei den kantonalen Kinderschutzbehörden fordert. Der Bundesrat war damit einverstanden, erklärte aber, dass er den Ständerat auffordern werde, die Zulassung von bestimmten Ausnahmen (insbesondere die Berücksichtigung des Berufsgeheimnisses von Ärzten) in den Motionstext aufzunehmen [49].
Der Ständerat hiess die im Vorjahr vom Nationalrat überwiesene Motion Sommaruga (sp, GE) zum Kinderschutz ebenfalls gut. Diese verlangt einen verbesserten Schutz der Kinder vor rückfallgefährdeten Sexualtätern, überlässt die Ausarbeitung der konkreten Massnahmen und strafrechtlichen Bestimmungen aber dem Bundesrat [50].
Die Einführung eines Alarmsystems bei Entführungen von Kindern machte Fortschritte. Das EJPD und die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren einigten sich am 2. April, ein solches Warnsystem nach französischem Vorbild bis Ende Jahr aufzubauen. Daran beteiligt sein sollen auch die Radiostationen und Mobilfunkanbieter. Das Parlament überwies zur Unterstützung dieser Bestrebungen eine entsprechende Motion Burkhalter (fdp, NE) [51].
Der Ständerat hiess die Motion Amherd (cvp, VS) aus dem Jahr 2007 für die Schaffung eines neuen Straftatbestandes des virtuellen Kindsmissbrauchs im Internet (z.B. in so genannten chat-rooms) ebenfalls gut [52].
 
[46] BBl, 2009, S. 7021 ff.; TA, 13.2. und 30.9.09; NLZ, 7.7.09. Im Initiativkomitee sitzen unter anderem die NR Galladé (sp, ZH), Freysinger (svp, VS), Darbellay (cvp, VS) und Brönnimann (edu, BE).
[47] AB NR, 2009, S. 141 f. (SVP) und 1007 (Rickli). Siehe dazu auch die Antwort des BR auf eine Interpellation Rickli in AB NR, 2009, Beilagen III, S. 257 ff.
[48] AB NR, 2009, S. 143 f.
[49] AB NR, 2009, S. 1010.
[50] AB SR, 2009, S. 177. Siehe SPJ 2008, S. 28.
[51] AB SR, 2009, S. 177 ff.; AB NR, 2009, S. 935 ff.; BaZ, 13.3. und 3.4.09; NLZ, 2.4.09; AZ, 27.4.09; TA, 16.10.09.
[52] AB SR, 2009, S. 961 f. Siehe SPJ 2007, S. 27.