Année politique Suisse 2009 : Economie / Politique économique générale
Strukturpolitik
Zur parlamentarischen Beratung der Vorlage des Bundesrates über die Innovationsförderung durch den Bund siehe unten, Teil I, 8a, Forschung.
Der Nationalrat überwies gegen den Antrag des Bundesrates eine Motion der Grünen zugunsten von
industriepolitischen Massnahmen. Der Vorstoss verlangt, dass neue Unternehmungen im Bereich der Produktion von erneuerbaren Energien oder energiesparenden Anlagen günstigere Finanzierungsinstrumente erhalten
[9].
Im November publizierte der Bundesrat seine Botschaft zur Änderung des Markenschutzgesetzes und zu einem neuen Bundesgesetz über den Schutz des Schweizerwappens und anderer öffentlicher Zeichen (so genannte Swissness-Vorlage). Die Herkunftsbezeichnung Schweiz (und die damit oft in Zusammenhang gebrachten Charakteristiken wie Qualität, Zuverlässigkeit etc.) erwirkt nach Ansicht des Bundesrates für eine Vielzahl von Produkten einen Mehrwert im internationalen Wettbewerb. Da die Marke Schweiz aber bisher kaum oder gar nicht definiert ist, wird sie auch von Anbietern verwendet, deren Produkte wenig bis gar keinen Zusammenhang mit der Schweiz haben. Dasselbe gilt auch für die Verwendung des schweizerischen Wappens. Die angestrebte genaue Definition der Herkunft einer Ware oder Dienstleistung ist allerdings in der heutigen globalisierten und hoch arbeitsteiligen Wirtschaft alles andere als einfach. Der Bundesrat schlug vor, bei unverarbeiteten Naturprodukten (Metalle, Lebensmittel) den Ort der Gewinnung (Erzmine, Ernteort) als einziges Kriterium zuzulassen. Bei verarbeiteten Produkten wird hingegen von einem Mindestanteil des Wertzuwachses ausgegangen. Für die verarbeiteten Naturprodukte müssen mindestens 80% des Gewichts der Rohstoffe oder der Zutaten, aus denen sich das Produkt zusammensetzt, aus dem Inland stammen. Bei industriellen Erzeugnissen müssen mindestens 60% der Herstellungskosten des Produkts in der Schweiz anfallen. Dabei dürfen die Forschungs- und Entwicklungskosten berücksichtigt werden, nicht hingegen die Vermarktungs- und Servicekosten. Ausnahmen von dieser Regelung sind aber in bestimmten Fällen zugelassen. So etwa bei verarbeiteten Produkten, deren hauptsächliche Rohstoffe in der Schweiz nicht oder nur in ungenügenden Mengen vorkommen (z.B. Kakao für die Schokoladeherstellung oder Seide für Textilien). Erforderlich ist in diesen Fällen aber, dass das Produkt erst durch die Verarbeitung seine besondere Eigenschaft erhält (z.B. Verarbeitung von Milch zu Käse oder Metallteilen zu einer Uhr). Die geschützte Herkunftsangabe kann auch für Dienstleistungen beansprucht werden. Ein Unternehmen muss dafür aber nicht nur eine Postadresse, sondern ein Zentrum der tatsächlichen Verwaltung in der Schweiz haben. Einige schweizerische Produzenten reagierten auf die Vorschläge negativ und bezeichneten die postulierten Grenzwerte als zu anspruchsvoll. Für die Konsumentenorganisationen gingen demgegenüber die Ausnahmeregelungen bei Produkten, deren Hauptkomponenten in der Schweiz knapp sind, zu weit (als mögliches negatives Beispiel wurde die Verwendung von brasilianischem Rindfleisch zur Produktion von schweizerischem Bündner Trockenfleisch erwähnt).
Das neue Bundesgesetz über den
Schutz des Schweizerwappens und anderer öffentlicher Zeichen führt eine klar definierte Unterscheidung ein: Das Wappen (Schweizerkreuz in einem Wappenschild) der Eidgenossenschaft darf grundsätzlich nur noch von dieser selbst oder von ihren Einheiten verwendet werden. Den wenigen Firmen, die das Schweizerwappen seit Jahrzehnten für Waren und Dienstleistungen aus der Schweiz verwenden, kann das EJPD ein Weiterbenutzungsrecht erteilen. Die Schweizerfahne und das Schweizerkreuz hingegen dürfen künftig von allen Herstellern von Produkten und Anbietern von Dienstleistungen verwendet werden, welche die Voraussetzungen zur Verwendung der Markenbezeichnung «Schweiz» erfüllen
[10].
Der Nationalrat gab einer parlamentarischen Initiative Hochreutener (cvp, BE) Folge, welche verlangt, dass in allen Departementen versucht wird, den
administrativen Aufwand, der den kleinen Unternehmen durch Auflagen der Bundesverwaltung entsteht, zu reduzieren. Vorbild dafür wären die vom EVD seit 2006 durchgeführten Vereinfachungen in Bewilligungs- und Meldeverfahren
[11].
Gegen den Widerstand der SVP und einer starken Minderheit der FDP überwies der Nationalrat eine Motion Hochreutener (cvp, BE) für eine
Ausweitung des gewerbeorientierten Bürgschaftswesens. Der Motionär verlangte insbesondere eine Erhöhung des maximalen Betrags einer Bürgschaft von 500 000 auf 1 000 000 Fr. und eine grössere Verlustbeteiligung des Bundes
[12].
2007 hatte es der Nationalrat abgelehnt, auf ein nationales
Gesetz über gefährliche Freizeitbetätigungen wie Bergsteigen, Skitouren, Riverrafting etc. zu verzichten und die Regelung der Zulassung und der Sicherheitsvorschriften für gewerbsmässige Anbieter den Kantonen zu überlassen. Diesen Verzicht hatten damals der Bundesrat und die Rechtskommission des Nationalrats, welche mit der Umsetzung einer 2001 angenommenen parlamentarischen Initiative Cina (cvp, VS) befasst war, beantragt. Die Rechtskommission präsentierte nun nochmals eine Vorlage, die weitgehend mit der ersten Version übereinstimmte. Angesichts der existierenden kantonalen Vorschriften und der Selbstregulierung der Anbieter empfahl sie aber wieder, auf ein nationales Gesetz zu verzichten und die Initiative abzuschreiben. Eine aus Abgeordneten sowohl bürgerlicher als auch linker Parteien gebildete Kommissionsminderheit beantragte aber, der Initiative Folge zu geben und dem neuen Gesetz zuzustimmen. Diese national einheitlichen Vorschriften über die Bewilligung kommerzieller Angebote entsprächen einem Bedürfnis und würden auch vom Schweizerischen Bergführerverband befürwortet. Verzichte man darauf, könnten Anbieter aus Kantonen ohne Regelungen oder aus dem Ausland Schlupflöcher ausnützen. Das Plenum liess sich davon überzeugen und gab der Initiative mit 95 zu 74 Stimmen Folge. Es stimmte anschliessend auch dem neuen „Bundesgesetz über das Bergführerwesen und Anbietern weiterer Risikoaktivitäten“ zu. Mit 83 zu 82 Stimmen fiel das Ergebnis allerdings äusserst knapp aus. Während die CVP klar dafür und die GP klar dagegen votierten, waren FDP, SP und SVP gespalten. Bei den beiden ersten Fraktionen überwog die Zustimmung, bei der SVP die Ablehnung
[13].
Im Rahmen des zweiten Konjunkturstabilisierungsprogramms (siehe oben) erhöhte der Bundesrat die Mittel für die
Tourismuswerbung im Ausland. Damit entsprach er auch der Forderung einer vom Nationalrat überwiesenen Motion Darbellay (cvp, VS). Der Nationalrat hiess auch ein vom Bundesrat unterstütztes Postulat Darbellay für die Ausarbeitung einer Strategie für die Entwicklung des schweizerischen Tourismus gut
[14].
Zu den Rauchverboten im öffentlichen Raum und den Sonderlösungen für Restaurants siehe unten, Teil I, 7b (Suchtmittel) sowie Teil II, 5f.
Die von der Loterie romande im Vorjahr lancierte
Volksinitiative mit dem Titel „
Für Geldspiele im Dienste des Gemeinwohls“ wurde im September mit rund 170 000 gültigen Unterschriften eingereicht
[15].
Der Nationalrat lehnte zwei parlamentarische Initiativen von Studer (evp, AG) und Menétrey-Savary (gp, VD) ab, welche
zusätzliche Massnahmen gegen die Spielsucht forderten
[16].
Gemäss Spielbankengesetz ist in der Schweiz das Anbieten von
Poker- oder Black Jack-Spielen mit Geldeinsätzen im Internet verboten. Trotzdem beteiligen sich laut Schätzungen mehr als 100 000 Personen an diesen auf ausländischen Websites durchgeführten Kartenspielen. Da sich der Zugang zu diesen Seiten praktisch nicht verhindern lässt, fällte der Bundesrat den Grundsatzentscheid, in Zukunft eine kleine Anzahl von Konzessionen für Online-Spielbanken mit Sitz in der Schweiz zu verteilen. Gleichzeitig soll versucht werden, die Internetadressen ausländischer Anbieter mit technischen Mitteln konsequent zu sperren. Die neuen einheimischen Anbieter hätten dieselben Auflagen bezüglich Gewinnablieferung an den Bund, Geldwäschereibekämpfung und Schutz für Spielsüchtige zu erfüllen wie die bestehenden Casinos. Angesichts der technischen Probleme namentlich bei der Abwehr ausländischer Internetseiten, dürfte die Ausarbeitung des Entwurfs für eine Gesetzesrevision einige Jahre in Anspruch nehmen. Die Durchführung von
Pokerturnieren ausserhalb des Internet ist weiterhin nicht auf Casinobetreiber beschränkt. Das Bundesverwaltungsgericht hat eine Klage des Schweizerischen Casino-Verbandes gegen die Bewilligung solcher Turniere durch die Spielbankenkommission abgewiesen. Wie die Kommission urteilte auch das Gericht, dass Poker ein Geschicklichkeits- und kein reines Glücksspiel sei. Die Casinobetreiber zogen ihre Klage weiter vor das Bundesgericht
[17].
[9]
AB NR, 2009, S. 1347.
[10]
BBl, 2009, S. 8533 ff. Reaktionen:
BaZ und
BüZ, 19.11.09. Zu den Firmen, welche das Wappen bisher benutzt haben, siehe
NLZ, 8.8.09. Siehe
SPJ 2008, S. 99.
[11]
AB NR, 2009, S. 1633.
[12]
AB NR, 2009, S. 1553.
[13]
BBl, 2009, S. 6013 ff. und 6051 f. (BR);
AB NR, 2009, S. 1772 ff. Siehe
SPJ 2007, S. 112.
[14]
AB NR, 2009, S. 230 (Motion) und 578 (Postulat).
[15]
BBl, 2009, S. 7019 f. Siehe
SPJ 2008, S. 99.
[16]
AB NR, 2009, S. 848 ff.
[17] Internet:
Bund und
BüZ, 23.4.09. Pokerturniere:
BüZ und
TG, 1.7.09;
NZZ, 23.10.09.
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