Année politique Suisse 2009 : Economie / Crédit et monnaie / Banken, Börsen und Versicherungen
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Finanzmarktkrise
Der Nationalrat überwies zwei Motionen seiner Wirtschafts- und Abgabenkommission (WAK) , welche diese nach einer Analyse des Entstehens der Finanzmarktkrise eingereicht hatte. Die erste verlangte eine Überprüfung der Finanzmarktaufsichtsbehörde (Finma) im Hinblick auf eine Verbesserung ihrer Funktionsfähigkeit. Der Ständerat unterstützte zwar den Inhalt dieser Motion, wandelte sie aber auf Antrag seiner WAK in einen Prüfungsauftrag an den Bundesrat um. Damit erklärte sich der Nationalrat nach einigem Zähneknirschen einverstanden. Die Finma selbst beurteilte in einem ausführlichen Rechenschaftsbericht ihr eigenes Verhalten grundsätzlich positiv. Die Erschütterung der internationalen Finanzmärkte habe ihrer Ansicht nach in diesem Ausmass nicht erwartet werden können, und auch die Aufsichtsbehörden der Staaten, die davon zuerst betroffen waren (USA und Grossbritannien), seien davon überrascht worden [9].
Eine zweite Motion, welche die aus Vertretern der SVP und der SP gebildete Mehrheit der WAK-NR eingereicht hatte, verlangte eine Überprüfung des schweizerischen Bankensystems mit der Absicht, systemgefährdende Krisen in Zukunft zu vermeiden. Konkret solle der Bundesrat die Möglichkeit der Vermeidung von Systemrisiken durch die Aufteilung von Grossbanken (sei es anhand von geschäftlichen oder geografischen Kriterien) überprüfen. Zudem solle er dafür sorgen, dass der Staat nach massiven Rettungsaktionen bei den begünstigten Banken während der Dauer seines Engagements massgeblichen Einfluss auf die Geschäfts- und dabei insbesondere auf die Salärpolitik erhält. Dieser Vorstoss wurde im Nationalrat von der SP, der GP und einer Mehrheit der SVP unterstützt und mit 104 zu 81 Stimmen überwiesen. Die Forderungen sowohl nach einer Aufspaltung der Grossbanken als auch nach Eingriffen in das Salärsystem der Banken stiessen jedoch im Ständerat auf Widerstand. Auf Antrag Brändli (svp, GR) beschloss er, die Motion zur nochmaligen Überprüfung dieser Passagen an die Kommission zurückzuweisen. Gleiches beschloss der Ständerat mit einer Motion Fetz (sp, BS), die Maximallöhne für Privatfirmen forderte, welche der Staat vor dem Konkurs gerettet hat. Die WAK des Ständerats präsentierte in der Sondersession im August ihren neuen Vorschlag. Demnach sollen aus den Motionen die Forderung nach einer Bankentrennung gestrichen und die Lohnvorschriften für die Manager der vom Staat geretteten Banken nur sehr unverbindlich und vage formuliert werden. Diese Fassung setzte sich im Plenum gegen den Widerstand der Abgeordneten der SVP und der Linken durch.
Der Nationalrat und nach ihm auch der Ständerat überwiesen ferner eine Motion der Finanzkommission des Nationalrats, welche von der Finma verlangt, möglichst rasch ein Entlohnungs- und Bonussystem für die Banken vorzulegen, welches keine Anreize für das Eingehen grosser Geschäftsrisiken gibt. Die Finma hatte den Entwurf für ein solches Musterreglement im Sommer präsentiert und in eine Vernehmlassung gegeben. Die im internationalen Vergleich strengen Regeln fanden bei den politischen Parteien, den Gewerkschaften und den Unternehmerverbänden grundsätzlich Zustimmung. Die Bankiervereinigung verlangte allerdings einige Abschwächungen, da sonst die inländischen Banken Wettbewerbsnachteile bei der Personalrekrutierung erleiden würden. Die Finma berücksichtigte einen Teil dieser Kritiken, differenzierte einige Bestimmungen entsprechend der Unternehmensgrösse und setzte sie für Banken und Versicherungen für 2010 in Kraft [10].
Das im Vorjahr eingegangene Engagement des Bundes in der Höhe von 6 Mia Fr. zur Rettung der UBS wurde im Berichtsjahr beendet. Nachdem mit dem Abschluss eines Abkommens der Schweiz mit den USA über die Auslieferung von weiteren Kontoinformationen eine unter Umständen ruinöse Zivilklage der US-Steuerbehörden abgewehrt werden konnte (siehe dazu unten), gab der Bundesrat bekannt, dass er die Pflichtwandelanleihe vollständig in UBS-Aktien umwandeln und diese verkaufen werde. Die riskante Rettungsaktion zugunsten der UBS hatte sich letztlich für den Bund auch finanziell gelohnt, konnte er doch einen Nettogewinn doch rund 1,2 Mia Fr. einstecken [11].
Noch nicht beendet werden konnte das Engagement der Nationalbank zur Rettung der UBS. Zu Beginn des Berichtsjahres zeigte sich allerdings, dass die Nationalbank nicht ‚giftige‘ Wertpapiere im Umfang von 60 Mia $ sondern nur von knapp 40 Mia $ übernehmen musste. Diese Reduktion trat ein, weil ein Teil dieser Papiere sich als weniger riskant erwies als ursprünglich erwartet worden war, und weil einige Positionen gemäss neuen internationalen Buchhaltungsvorschriften nicht mehr als zu Marktpreisen zu bewertende Vermögenspositionen geführt werden mussten. Die wieder liquider gewordenen Märkte erlaubten der Nationalbank, dieses Depot der hoch riskanten Anlagen bis zum Ende des Berichtsjahres durch Verkäufe zu halbieren [12].
Als besonders stossend empfand ein Teil der Öffentlichkeit, dass die UBS, welche der Staat im Vorjahr mit Riesensummen vor dem Untergang bewahrt hatte, ihren Mitarbeitern für das Geschäftsjahr 2008, in welchem sie einen Verlust von knapp 20 Mia Fr. ausgewiesen hatte, Boni im Umfang von rund 2 Mia Fr. ausbezahlte. Die Finma hatte diese Zahlungen mit dem Argument bewilligt, dass diese zum Teil vertraglich geschuldet seien und bei einem Verzicht auf Boni gute Mitarbeiter die Bank verlassen würden. Von den politischen Parteien forderte zuerst die SP staatlich verordnete Höchstlöhne für die Spitzenmanager der Grossbanken (siehe dazu oben). Später zog auch die SVP nach, was allerdings parteiintern nicht unbestritten war [13].
 
[9] AB NR, 2009, S. 217 und 1519 f.; AB SR, 2009, S. 360 f.; NZZ, 15.9. und 7.9.09 (Finma-Bericht). Siehe dazu auch die Interpellationen Müller (fdp, AG) und Leutenegger Oberholzer (sp, BL) in AB NR, 2009, S. 2346 f. Der NR überwies eine Motion Engelberger (fdp, NW), welche verlangt, dass der Staat bei den dem Finanzmarktaufsichtsgesetz unterstellten KMU einen Teil der Gebühren für die Finma übernimmt (AB NR, 2009, S. 770).
[10] AB NR, 2009, S. 217 (Motion WAK) und 218 (Motion FK); AB SR, 2009, S. 361 ff. und 778 ff. (Motion WAK-NR), 365ff. (Motion FK) und 369 ff. und 778 ff. (Motion Fetz). Finma-Reglement: NZZ und TA, 4.6.09; NZZ und SN, 15.8.09; NZZ, 26.9. und 12.11.09.
[11] Presse vom 20.8. und 21.8.09. Siehe SPJ 2008, S. 107 ff.
[12] NZZ, 4.4.09; TA, 14.11.09. Siehe dazu auch die Antwort des BR auf eine Interpellation der BDP (AB NR, 2009, Beilagen III, S. 548).
[13] Presse vom 27.-29.1.09 und vom 11.2.09. SVP: Blick, 11.2.09; Bund und NZZ, 12.2.09; Presse vom 17.2.09. Zur Debatte über die Regulierung der Manager- und Verwaltungsratsentschädigungen generell in börsenkotierten Aktiengesellschaften siehe oben, Teil I, 4a (Gesellschaftsrecht).