Année politique Suisse 2010 : Economie / Politique économique générale / Konjunkturlage und -politik
Die Rezession hatte in der Schweiz 2008/2009 einen erheblich milderen Verlauf genommen als in anderen Industrieländern. Dank der hohen Spezialisierung des Exportsektors waren die Ausfuhren nur durchschnittlich zurückgegangen. Gleichzeitig hatte eine überdurchschnittlich robuste Inlandnachfrage einen unterdurchschnittlichen Importrückgang bewirkt. Das
Wachstum des BIP, das in der zweiten Jahreshälfte 2009 begonnen hatte, setzte sich 2010 fort, wenn auch etwas weniger dynamisch als in den beiden Vorquartalen. Es wurde v.a. getragen durch die
Inlandnachfrage, aber auch einer trotz starken Frankens relativ robusten
Exportentwicklung. Insgesamt wuchs die schweizerische Wirtschaft 2010 deutlich stärker als erwartet. Über das gesamte Jahr ergab sich ein reales Wachstum von 2,6%. Die Wirtschaftsleistung pendelte sich – mit Ausnahme der Warenexporte – auf den Vorkrisenwerten ein. Die Güterausfuhren standen im Vergleich zum Vorjahr mit 10,6% im Plus. Die gesamte Exportbranche (Waren und Dienstleistungen, inkl. Tourismus) wies ein Wachstum von 9,3% gegenüber 2009 aus (2009: -8,7% gegenüber dem Vorjahr). Das Auslaufen der Stabilisierungsprogramme schlug mit einem Minus von 1,6% beim Staatskonsum, der 2009 1,6% im Plus gelegen hatte, zu Buche. Impulsgebend wirkten neben der Exportwirtschaft der private Konsum (2010: +1,7%) und die Bruttoanlageinvestitionen, die sich in der Baubranche mit einer Steigerung von 3,3% im Wachstumsbereich des Vorjahres befanden und sich bei den Ausrüstungen merklich erholten (2009: -10,8%; 2010: 5,7%)
[3].
In der
zweiten Jahreshälfte verlangsamte sich das Wachstum. Die Aufwertung des Schweizer Frankens im Zug der europäischen Staatsschuldenkrise sowie der Überschuldung und des massiven Staatsdefizits der USA wirkte konjunkturdämpfend. Ab Jahresmitte häuften sich Medienberichte über KMU, die laut darüber nachdachten, der durch den schwachen Euro mitverursachten schwindenden Konkurrenzfähigkeit mit einer Verlagerung der Produktionsstandorte in den Euroraum zu begegnen. Allerdings gingen die sinkenden Exportmargen mit sinkenden Importpreisen für Rohstoffe und industrielle Halbfertigprodukte einher, die sich für die Firmen kostendämpfend auswirkten. Zudem stieg die Anzahl Aufträge der deutschen Automobil- und Chemieindustrie an ihre Schweizer Zulieferer. Während sich der Warenexport bei einem Wachstum von rund 8% zu halten vermochte, büssten die Dienstleistungsexporte nach einem hervorragenden zweiten Quartal (+25,1%) massiv ein, um im vierten Quartal gar in ein Minus von 5% zu fallen
[4].
Das
Beschäftigungswachstum war zufriedenstellend. In der Tendenz wiesen der Dienstleistungs- und Industriesektor positive Werte aus. Während die vollzeitäquivalente Beschäftigung im dritten Sektor im 4. Quartal 2,0% über dem Vorkrisenniveau zu stehen kam, lag diese im zweiten Sektor noch 4,4% darunter. Die
Arbeitslosenquote, die sich in der Zeit kurz vor Ausbruch der Finanzkrise 2008 bis zum Höhepunkt im Januar 2010 beinahe verdoppelt hatte, sank von einem Höhepunkt bei 4,5% im Januar 2010 auf 3,8% im Dezember 2010. Im Jahresmittel lag sie mit
3,9% um 0,2 Prozentpunkte höher als 2009. Da die Expertengruppe Konjunkturprognosen die weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen und die Stabilität des Finanzsektors für 2010 weiterhin als ungünstig einschätzte und im ersten Quartal mit einem weiteren Ansteigen der Arbeitslosigkeit rechnete, beschloss der Bundesrat im März als arbeitsmarktliche Massnahme die Stützung der gesamtwirtschaftlich tragenden, exportorientierten Industrie, indem er die Maximaldauer zum Bezug von Kurzarbeitsentschädigung von 18 auf 24 Monate erhöhte. Nachdem die Preise 2009 erstmals seit 1959 gesunken waren, bewegte sich die
Teuerung 2010 gemäss Landesindex der Konsumentenpreise mit 0,7% im Jahresdurchschnitt (berechnet auf Basis des harmonisierten Verbraucherpreisindex: 0,6%) auf bescheidenem Niveau. Den Preisanstieg beim Erdöl nicht eingerechnet, tendierte sie gegen Null (0,1%)
[5].
[3] Zur Konsumentenstimmung:
NZZ, 3.2.10;
TA, 3.2.10); Zur Prognose des Seco für 2010: Presse vom 17.3.10;
NLZ, 27.3.10. Zur Entwicklung des BIP: Presse vom 3.9. und 21.9.10. Internationaler Vergleich: Presse vom 27.5.10; Zur wachstumstreibenden Rolle der Baubranche 2010:
LT, 27.10.10. Zu den Prognosen für den Bausektor für 2011 vgl.
BaZ, 28.10.10.
[4] BBl 2011, S. 1401–1409 (Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2010); Seco, Konjunkturtendenzen Winter 2009/2010, Frühjahr 2011; Seco, BIP und Verwendungskomponenten (Jahres- und Quartalsdaten): Jahresaggregate des Bruttoinlandproduktes, Verwendungsansatz (BFS), 30.5.2011. Zur Entwicklung des BIP allgemein siehe SN, 19.2.10; LT, 25.2.10; NZZ, 3.2., 24.2.10, 2.3.10, 25.3.10 und 12.5.10; SGT 6.2.10; TG, 3.3.10; LT, 3.3.10 und Presse vom 17.8.10. Zum Personenverkehr vgl. Lit. Weber; LT, 28.5.10. Zur Konjunkturverlangsamung: Presse vom 2.6.10; NZZ, 17.9., 28.10., 30.10., 2.11. und 27.11.10. Zur konjunkturdämpfenden Wirkung des Frankens: Presse vom 9.6. und 19.6.10; TA, 15.6.10; NZZ, 26.6., 7.9., 27.12. und 29.12.10; MZ, 1.7.10; BaZ, 7.12.10; SECO, Medienmitteilung, 16.9.2010; Zur Verschärfung der Lage für die KMU siehe TA, 28.6.10 und 3.7.10; TG, 29.6.10; BaZ, 13.8., 26.8. und 10.11.10; WW, 2.9.10; SN, 11.9.10; NLZ, 17.9.10; NZZ, 13.10.10.
[5] Zum Beschäftigungswachstum: Seco, Konjunkturtendenzen Frühjahr 2011, S. 25 und LT, 21.12.10 (Uhrenbranche). Zur Entwicklung der Arbeitslosenquote: Seco, Die Lage auf dem Arbeitsmarkt im Januar 2011; Seco, Die Lage auf dem Arbeitsmarkt im Dezember 2010 / Jahresdurchschnitte 2010; LT, 9.3., 17.3. und 9.4.10; NZZ, 9.3.10; 24H, 9.4.10. Zur Kurzarbeitsentschädigung: Seco, Medienmitteilung, 5.3.2010. Zur Entwicklung der Teuerung vgl. SPJ 2009, S. 96; Seco, Konjunkturtendenzen Frühjahr 2011, S. 28; NZZ, 12.2. und 7.4.10; QJ, 7.4.10; Lit. Beuret.
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