Année politique Suisse 2010 : Economie / Crédit et monnaie
Geld- und Währungspolitik
Trotz der Stabilisierung der Schweizerischen Wirtschaftsleistung auf den Vorkrisenwerten hielt die Schweizerische Nationalbank (SNB) 2010 aufgrund der weltweit unsicheren und uneinheitlichen Konjunkturentwicklung an ihrer
expansiven Geldpolitik fest. Da die SNB-Verantwortlichen nicht von einer nachhaltigen Erholung der Wirtschaft ausgingen, hielt die Nationalbank die Zielgrösse mit 0,25% im unteren Band des Richtwerts für den Dreimonats-Libor, den sie im März 2009 bei 0,0–0,75% festgesetzt hatte. Obschon sich die Deflationsgefahr aufgrund der wirtschaftlichen Erholung abschwächte, flüchteten zahlreiche Finanzmarktakteure vor den Auswirkungen der europäischen Staatsschuldenkrise und der anhaltend unsicheren Entwicklung der US-Wirtschaft in den Schweizer Franken, was die Nationalbank im April und Mai zu massiven
Deviseninterventionen zwang. Sie suchte insbesondere die Exportwirtschaft zu stützen, deren Margen unter der fortdauernden Verteuerung des Frankens im Vergleich zum US-Dollar und insbesondere zum Euro litten. Die instabile Finanzlage im Euroraum und den USA sowie die tiefen Zinsen führten zu einer anhaltenden Nachfrage nach liquiden Vermögensanlagen und damit zum weiteren, wenn auch verlangsamten Zuwachs der Geldaggregate M1 und M2, die durchschnittlich 10,6% bzw. 10,2% über dem Vorjahresstand zu liegen kamen
[1].
Hatte sich der Franken gegenüber dem Euro 2009 noch relativ stabil verhalten, gewann er im Verlauf des Berichtsjahrs um 17% an Wert. Der mittlere Frankenkurs fiel von 1.52 Ende 2009 auf 1.28 im Dezember 2010, der Jahresendkurs notierte gar bei 1.25 pro Euro. Die Wertsteigerung zum US-Dollar fiel mit 6% weniger massiv, aber dennoch merklich aus (mittlerer Frankenkurs im Dezember 2010: 0.97; 2009: 1.03). Dies nachdem sich der Franken in der ersten Jahreshälfte gegenüber dem Dollar vorerst abgeschwächt hatte. Ende 2010 kostete 1 Dollar 0.93 Franken. Im Vergleich zum Vorjahr (2,3%) stieg der exportgewichtete Aussenwert des Frankens real um 10,9% an Frankenstärke: SNB, 103.
Geschäftsbericht 2010, S. 30.; 24H, 1.3.10; NZZ, 18.5.10; TdG, 8.6.10 und LT, 19.6.10. Wechselkursziel-Forderung des Gewerkschaftsbunds: Presse vom 16.9.10..
Nach den letzten Interventionen im Mai zur Schwächung des Frankens stellte die Nationalbank ihre liquiditätsstützenden Massnahmen ein und verlagerte sich Anfang Juli zwecks
Inflationsverhinderung auf liquiditätsabschöpfende Repo-Geschäfte (Rückkaufsvereinbarungen mit Geschäftsbanken bezüglich Wertschriften) und die Emission eigener Schuldverschreibungen, sogenannte SNB-Bills. Der kurzfristige Geldmarktsatz, gemessen am Dreimonatslibor (Referenzzinssatz am Londoner Interbankengeschäft: London Interbank Offered Rate) lag Anfang Juni aufgrund der Liquiditätsausweitung bei 0,08% und betrug nach den SNB-Interventionen zu Jahresende 0,17%. Die Kapitalmarktrendite, gemessen an der 10-jährigen Bundesobligation, lag Anfang Jahr bei 2%, um im August auf historisch tiefe 1,1% abzusinken. Ende 2010 lag der langfristige Zinssatz bei 1,7%. Im Jahresdurchschnitt betrug er 1,6%
[3].
Im September legte der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht bei der Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) das überarbeitet
Kapital- und Liquiditätsregime
für Banken vor, welches Basel II (2004 beschlossene Eigenkapitalanforderungen für Banken) ablösen und 2013 bis 2019 schrittweise umgesetzt werden soll. Das Gremium besteht aus den Zentralbankchefs und den Leitern der nationalen Finanzmarktaufsichtsbehörden der G-20 und weiteren sieben Staaten, darunter die Schweiz. Zentrale Beschlüsse von Basel III sind neben einer Verschärfung der Anforderungen an wichtige Stabilitäts-Kennzahlen die deutlich erhöhten Eigenkapitalanforderungen an die Banken. Dabei wurde das Minimum für das harte Kernkapital (Kernkapitalquote entspricht dem Verhältnis des Eigenkapitals einer Bank zu den risikobehafteten Geschäften) bei 7% angesetzt. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Banken im Krisenfall ihre Verluste selbst auffangen können. Zusammen mit der Fixierung des verlangten weichen Kernkapitals bei mindestens 1,5 % und Ergänzungskapitals bei 2% wurden die Eigenkapitalanforderungen somit auf 10,5% erhöht und fast verdoppelt. Im November stimmten die Regierungschefs der G-20 dem Vorschlag zu
[4].
Im Dezember genehmigte der Ständerat zwei Geschäfte zum internationalen Währungsfonds. Zum einen ging es um eine Garantieverpflichtung zuhanden der SNB im Zusammenhang mit einem Darlehen an den Treuhandfonds für Armutsbekämpfung und Wachstum, zum anderen um den Beitritt der Schweiz zu den geänderten
„Neuen Kreditvereinbarungen des internationalen Währungsfonds“ (IWF). Der Bundesrat war im September mit den entsprechenden Botschaften an das Parlament gelangt. In der ersten Vorlage erbat die Landesregierung die Zustimmung der Räte zur Fortführung der schweizerischen Beteiligung an den Neuen Kreditvereinbarungen, die seit 1998 im Rahmen des IWF bestehen, und überarbeitet werden sollen. Konkret ging es um eine Aufstockung des Sonderfinanzierungsfonds für ausserordentliche Stützungsmassnahmen sowie die Flexibilisierung der Mittelbereitstellung im Krisenfall. Die SNB, welche die Schweiz im Rahmen dieses Abkommens vertritt, sollte dabei ermächtigt werden, sich mit maximal 10,9 Mia. SZR (ca. 18 Mia. Schweizer Franken) an internationalen, vom IWF koordinierten Liquiditätsmassnahmen zu beteiligen. Das Mandat der SNB soll wie beim bisherigen Maximaldarlehen im Umfang von 1,5 Mia. SRZ auch künftig nicht durch eine Bundesgarantie gedeckt sein. Die kleine Kammer beschloss einstimmig Eintreten und lehnte mit 30 zu fünf Stimmen einen Rückweisungsantrag von Maximilian Reimann (svp, AG) ab, der unterstützt durch Parteikollegen, das Geschäft an die Aussenpolitische Kommission zurückweisen wollte. Gefordert wurde insbesondere eine Prüfung des Verteilschlüssels und die Limitierung der Schweizer Beiträge. Zudem hinterfragten die sich äussernden SVP-Ständeräte das Potenzial des IWF, seine Stabilisierungsaufgabe angesichts weiterer mit Zahlungsschwierigkeiten kämpfender Länder überhaupt noch wahrnehmen zu können. Die Zustimmung der kleinen Kammer zum Bundesbeschluss erfolgte mit 27 zu drei Stimmen, bei drei Enthaltungen. Die Aussenpolitische Kommission des Nationalrats verschob die Behandlung des Geschäfts auf 2011
[5].
Im Gegensatz zu den geänderten Neuen Kreditvereinbarungen galt es, das vom Bundesrat beabsichtigte
Treuhandfondsdarlehen der SNB an den IWF mit einer
Bundesgarantie zu versehen. Mit einem Verpflichtungskredit in der Höhe von 950 Mio. Fr. soll die Schweiz zur Aufstockung der Mittel für den IWF-Treuhandfonds für Armutsbekämpfung und Wachstum, die der Währungsfonds 2009 beschlossen hatte, beitragen. Aus den Reihen der CVP wurde der Bundesrat dazu aufgefordert, die Vergabe neuer Mittel mit expliziten Bemühungen um den Erhalt des gefährdeten schweizerischen Sitzes im IWF-Exekutivrat zu verknüpfen. Die Kreditvorlage wurde einstimmig mit 30 Stimmen bei drei Enthaltungen angenommen. Der Nationalrat hat die geplante Beratung auch dieser Vorlage ins nächste Jahr verschoben
[6].
Eine
Mittelaufstockung stand 2010 auch im
System der multilateralen Entwicklungsbanken an. Die Schweiz hat über ihre Mitgliedschaft in sieben Institutionen daran teil. Die Sofortmassnahmen, die zur Bekämpfung der weltweiten Finanzkrise ergriffen worden waren, hatten zu einer Mittelumlagerung geführt, die bewirkte, dass die für die Armutsbekämpfung und Strukturentwicklung vorgesehenen Mittel in den betroffenen Entwicklungs- und Transitionsländern nicht mehr zur Verfügung standen. 2009 und 2010 beschlossen die Entwicklungsbanken deshalb Kapitalerhöhungen. Zur Wahrnehmung ihrer Rolle als Geberland und zur Sicherung Ihrer Stimmanteile, sah der Bundesrat die Schweiz zur Bereitstellung eines neuen Rahmenkredits für sechs Entwicklungsbanken verpflichtet. Dabei ging es je nach Institut um Kapitalerhöhungen in der Höhe von 8,3% (Internationale Finanzierungsgesellschaft) bis 200% (Afrikanische und Asiatische Entwicklungsbanken). Insgesamt beantragte der Bundesrat eine Verpflichtungssumme von rund 3,5 Mia. Franken, die im Zusammenhang mit der bis 2015 geplanten Erhöhung der Gelder für die Entwicklungszusammenarbeit auf 0,5% des Bruttonationaleinkommens an die schweizerische ADP-Quote angerechnet werden sollen (siehe oben, Teil I, 2; Pays en développement). Als Erstrat nahm der Ständerat die Bundesratsvorlage ohne Gegenstimmen an
[7].
Die Frankenstärke und die massiven Deviseninterventionen drückten auf die
Performanz der SNB. Im Juli gab sie Wechselkursverluste auf den Fremdwährungsbeständen von über 14 Mia Fr. und einen erwarteten Halbjahresverlust (des Stammhauses) von rund 4 Mia Fr. bekannt. Dank der Gewinne aus dem UBS-Sonderfonds belief sich der Konzernverlust im ersten Halbjahr dann auf 2,8 Mia Fr. Aufgrund der Wechselkursverluste auf den im ersten Halbjahr angehäuften Devisenanlagen drehte sich die Negativspirale weiter, so dass das Stammhaus der SNB Ende 2010 einen Verlust von 21 Mia Fr., der Konzern von 19,2 Mia Fr. auswies, die ohne die Gewinne aus den Goldgeschäften noch höher ausgefallen wären. Die Darlehen der SNB an den Auffangfonds für toxische UBS-Papiere betrug Ende 2010 noch etwas unter 12 Mia. Fr. (Ende 2009: knapp 21 Mia Fr.)
[8].
[1] SNB,
103. Geschäftsbericht 2010, S. 35 ff. Expansive Geldpolitik, Leitzins: Presse vom 20.1., 12.3., 17.9. und 17.12.10;
NZZ, 2.12.10. Deviseninterventionen: Presse vom 7.5., 15.5.1, 22.6., 22.7.10.
[3] SNB,
103. Geschäftsbericht 2010, S. 41, 45 ff. Warnung der Nationalbank vor Überhitzung des Immobilienmarkts: Presse vom 18.6.10;
NZZ, 14.7., 13.10. und 27.11.10; Haltung der SNB zur Inflationsfrage:
TA, 5.3.10.
[4]
TA, 7.9.10;
NZZ, 9.9.10; Presse vom 13.9., 14.9.10;
SHZ 15.–21.9.10.
[5] SZR (Sonderzeichnungsrecht) ist die künstliche Währungseinheit des IWF, berechnet auf Basis des Dollars, des Yen, des Euro und des Pfunds (Information EFD);
BBl, 2010, S. 6106 ff.;
AB SR, 2010, S. 1218 ff.;
NZZ, 1.7.10;
TA 8.12.10.
[6]
BBl, 2010, S. 6147 ff.;
AB SR, 2010, S. 1224 f.;
TA, 21.12.10; IWF:
NLZ, 9.10.10.
[7]
BBl, 2010, S. 6691 ff., 6749 f.;
AB SR, 2010, S. 1211 ff.;
TdG, 21.12.10.
[8]
SNB,
103. Geschäftsbericht 2010, S. 121 ff.; Presse 5.3.10. Halbjahresabschluss SNB: Presse 2. Hälfte August 2010. Abschluss 3. Quartal SNB: Presse, 13.11.10. Zum SNB-Auffangfonds vergleiche
SPJ 2009, S. 108.
Copyright 2014 by Année politique suisse