Année politique Suisse 2010 : Chronique générale / Finances publiques
 
Direkte Steuern
Zu den kantonalen Steuervorlagen siehe unten, Teil II, 2b (Steuern).
Nach einem Jahr Pause setzte der Nationalrat im Berichtsjahr die Differenzbereinigung über das Bundesgesetz, das die Besteuerung von Mitarbeiterbeteiligungen regeln soll, fort. Da Mitarbeiteraktien und –optionen als Salärbestandteile in den letzten Jahren stark zugenommen haben, sollen sie künftig nach einheitlichem Recht besteuert werden. Die bundesrätliche Vorlage sah ursprünglich vor, auf Mitarbeiteroptionen und -aktien einen Steuerrabatt zu geben. Jetzt brachte der Bundesrat eine neue Variante ins Spiel, die auf diese Steuerrabatte bei den Mitarbeiteroptionen verzichtet und sie nur noch für Mitarbeiteraktien vorschlägt. Hier soll ein Steuerrabatt von 6% pro Sperrjahr über maximal zehn Jahre gelten. Diesen Punkt bekämpfte die Ratslinke, die die Steuerrabatte auf Mitarbeiteraktien aus dem Gesetz kippen wollte und zwar mit dem Argument, dass sie die Exzesse bei den Managerlöhnen noch fördern würden. Die Ratsmehrheit folgte jedoch dem neuen Vorschlag des Bundesrates und seiner Kommission. Das Geschäft war im Ständerat unbestritten und wurde von beiden Räten in der Schlussabstimmung genehmigt  AB NR, 2010, S. 1320 ff. und 2180; AB SR, 2010, S. 1116 und 1352. Siehe auch SPJ 2008, S. 125..
Wer in der Milizfeuerwehr dient, soll seinen Sold nicht mehr versteuern müssen. Dies sah ein Gesetzesentwurf des Bundesrates vor, der damit den Feuerwehrsold mit Einnahmen aus Militär und Schutz- und Zivildienst gleichsetzt. Die Mindereinnahmen beim Bund werden auf 18 bis 26 Mio Fr. geschätzt. Im Nationalrat war die Vorlage unbestritten. Einzig bei der Höhe der Abzüge entschied der Rat leicht anders als es die Vorlage des Bundesrates vorsah: Er sprach sich dafür aus, den Sold und andere Entschädigungen bis zu einem Maximalbetrag von 5000 Fr. von der direkten Steuer zu befreien während der bundesrätliche Entwurf eine Obergrenze von 3000 Fr. vorgesehen hatte  BBl, 2010, S. 2855 ff.; AB NR, 2010, S. 2073 ff.; NZZ, 22.4.10..
Seit der Kanton Zürich im Jahr 2009 in einer Volksabstimmung die Abschaffung der Pauschalbesteuerung beschlossen hatte, wurde dieses Thema sowohl auf kantonaler wie auch auf nationaler Ebene wieder vermehrt diskutiert. In mehreren Kantonen sind im Berichtsjahr parlamentarische Vorstösse zum Thema eingereicht worden oder Volksinitiativen zur Abschaffung der Aufwandsbesteuerung, wie die Pauschalbesteuerung offiziell heisst, in der Vorbereitung oder bereits zustande gekommen. Auch die Konferenz der kantonalen Finanzdirektorinnen und Finanzdirektoren (FDK) hatte sich in der Vergangenheit wiederholt mit der Thematik auseinandergesetzt. Im Jahr 2007 hatte sie Empfehlungen zur Harmonisierung der Regelungen von Bund und Kantonen abgegeben. Im Jahr 2009 wurde die FDK erneut aktiv und beauftragte die zuständige Kommission für die Harmonisierung der direkten Steuern des Bundes, der Kantone und der Gemeinden, Vorschläge zur verbesserten Anwendung der Aufwandbesteuerung auszuarbeiten. Auch der Bundesrat erkannte Handlungsbedarf und schickte eine Revision zur Verschärfung der Regelungen zur Besteuerung nach Aufwand in die Vernehmlassung. Darin hielt er fest, dass er die Besteuerung nach dem Aufwand als wichtiges steuerpolitisches Instrument mit erheblicher volkwirtschaftlicher Bedeutung und langer Tradition sieht. Gezielte Anpassungen sollen nun dazu führen, dass die Akzeptanz dieses Instruments in der Bevölkerung erhalten bleibt und es soll sowohl Standorts- als auch Gerechtigkeitsüberlegungen Rechnung getragen werden. Konkret schlägt der Bundesrat vor, als Mindestlimite für die Festsetzung des Aufwandes neu das Siebenfache statt wie früher das Fünffache des Mietpreises resp. des Mietwertes festzulegen. Weiter soll auf Bundesebene neu eine Mindeststeuer von 400 000 Fr. pro Jahr gelten. Die Kantone werden ebenfalls verpflichtet einen Mindestwert einzuführen, sie dürfen ihn jedoch frei wählen  BBl, 2010, S. 5906 ff.; NZZ, 28.4.10. Siehe SPJ 2009, S. 292. In den Kantonen SG, LU, TG, BS, BE, SH, und BL sind kantonale Volkinitiativen zur Abschaffung der Pauschalbesteurung zustandegekommen..
Zu den steuerlichen Förderungsmittel im Bereich des Wohnungswesens sowie den Bausparinitiativen siehe unten, Teil I, 6c (Wohnungsbau und -eigentum).
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Familienbesteuerung
Die SVP lancierte eine Volksinitiative zum Thema Familienbesteuerung, die die vom Parlament verabschiedete Familienbesteuerungsvorlage korrigieren soll. Konkret fordert die SVP Steuerabzüge für traditionelle Haushalte und damit eine finanzielle Entlastung von Einverdienerfamilien. Diese würden durch die Steuervorlage wie sie vom Parlament beschlossen wurde, doppelt bestraft, da sie zum einen wegen der Kinder auf ein zweites Einkommen verzichten und zum anderen mit ihren Steuergeldern die ausserfamiliären Betreuungsangebote für Doppelverdiener unterstützen würden. Aus diesem Grund verlangt die Initiative, dass Eltern, die sich selbst um ihre Kinder kümmern, ein gleich hoher Steuerabzug gewährt wird wie Eltern, die ihre Kinder durch Dritte betreuen lassen [5].
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Partei- und Vereinsspenden
Im Vorjahr hatte der Ständerat eine Motion Kuprecht (svp, SZ) befürwortet, die Vereine von der Steuerpflicht befreien will. Vereine, die ihre Erträge und Vermögensmittel für ideelle Zwecke, namentlich die Jugend- und Nachwuchsförderung einsetzen, sollen ganz oder zu einem bestimmten Betrag steuerbefreit werden. Die vorberatende Kommission des Nationalrates folgte der Argumentation des Bundesrates, der vor allem auf Schwierigkeiten der Abgrenzung hingewiesen hatte, und lehnte die Motion ab. Der Nationalrat folgte jedoch dem Ständerat und überwies die Motion .
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Steuerwettbewerb
Die Sozialdemokratische Partei der Schweiz hatte im Jahr 2008 eine Volksinitiative mit dem Titel „Für faire Steuern. Stopp dem Missbrauch beim Steuerwettbewerb (Steuergerechtigkeitsinitiative)“ eingereicht. Diese Initiative will den Steuerwettbewerb zwischen den Kantonen und Gemeinden einschränken. Die vorgeschlagene Regelung umfasst die folgenden Punkte: Der Grenzsteuersatz soll bei einem steuerbaren Einkommen ab 250 000 Fr. in allen Kantonen mindestens 22% betragen, der Satz für Vermögen ab 2 Mio Fr. mindestens 5 Promille. Zudem soll ein Verbot von degressiven Steuermodellen in der Verfassung festgeschrieben werden. Der Bundesrat beantragte, diese Initiative ohne Gegenvorschlag abzulehnen. Der Ständerat war im Vorjahr gleicher Meinung und stimmte gegen die Vorlage. Im Berichtsjahr befasste sich der Nationalrat mit der Volksinitiative. Die vorberatende Kommission hatte sich dafür ausgesprochen, dem Ständerat zu folgen und die Initiative ohne Gegenentwurf dem Volk zur Ablehnung zu empfehlen. Begründet wurde der Entscheid mit den negativen Folgen der Einschränkungen des Steuerwettbewerbs für die ganze Schweiz sowie des Eingriffes der Initiative in die Steuerautonomie der Kantone und Gemeinden. Eine Minderheit der Kommission, speziell Mitglieder der grünen Fraktion, wollte das Geschäft an den Bundesrat zurückweisen mit dem Auftrag, einen direkten Gegenvorschlag auszuarbeiten, der sich am Modell Zehnder orientieren sollte. Dieses Modell sah vor, das die unteren Einkommen von der Gemeinde, die mittleren vom Kanton und die hohen durch den Bund besteuert würden. In der Plenardebatte wurden von bürgerlicher Seite die Argumente der Kommissionsmehrheit aufgenommen während sich die Ratslinke gegen den kantonalen Steuerwettbewerb und die ihrer Meinung nach schädlichen Auswirkungen wehrte. Mit 128 zu 64 Stimmen folgte der Nationalrat in der Abstimmung seiner Kommission und empfahl die Initiative zur Ablehnung. Die Linke hatte geschlossen für das Volksbegehren, die Bürgerliche Seite geschlossen dagegen votiert .
Am 28. November stimmte das Volk über die Steuergerechtigkeitsinitiative ab. Sie wurde mit 58,5% Nein Stimmenanteil verworfen. Einzig in den Kantonen Genf, Neuenburg, Jura und Basel-Stadt fand das Volksbegehren eine Mehrheit. Damit verfehlte die Volkinitiative auch das Ständemehr. Für das Begehren eingesetzt hatten sich im Vorfeld neben den Sozialdemokraten auch die Grünen und die Gewerkschaften. Sie sahen in der Initiative ein wirkungsvolles Instrument zur Eindämmung des als schädlich empfundenen Steuerwettbewerbs und ein moderates und zielgerichtetes Mittel um die immer weiter fortschreitende steuerliche Entlastung der hohen Einkommen zu bekämpfen. Da die Initiative nur Mindestsätze vorschreibe, würde auch die Kantonsautonomie in Steuerfragen nicht zu sehr eingeschränkt. Gerade der letzte Punkt, nämlich die Einschnitte in die Steuerautonomie der Kantone und Gemeinden war jedoch ein wichtiger Grund, warum die Bürgerlichen und auch die Kantone das Begehren bekämpften. Mit ihnen hatten auch Economiesuisse und der Schweizerische Gewerbeverband die Nein-Parole beschlossen. Zu reden gaben auch die Auswirkungen der Initiative auf die Steuerlast des Mittelstandes. Die Gegner behaupteten, dass bei einer Annahme der Initiative der gesamte Mittelstand mehr Steuern bezahlen müsste, da die gesamte Steuerstruktur angepasst werden müsste  [8].
VI „Für faire Steuern. Stopp dem Missbrauch beim Steuerwettbewerb“
Abstimmung vom 28. November 2010

Beteiligung: 50,9%
Ja: 1 072 668 (41,5%) / Stände: 3 1/2
Nein: 1 510 945 (58,5%) / Stände: 17 5/2

Parolen:
Ja: SP, EVP, CSP, GP, SGV, SGB, TravS.
Nein: FDP, CVP,SVP, EDU, Lega, BDP, GLP (1)* ; economiesuisse, SGV.

* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen
Die Vox-Analyse der Abstimmung zeigte, dass das Abstimmungsverhalten stark vom Links-Rechts Gegensatz geprägt war. Während SP-Sympathisanten zu fast 80% ein Ja in die Urne legten, lehnten bürgerliche Wählerschaften die Initiative zu sehr hohen Prozentsätzen ab. Gründe für ein Ja waren unter anderem, dass man degressive Steuermodelle verbieten wollte, soziale Aspekte und eine generelle Skepsis gegenüber dem Steuerwettbewerb. Das Kontra-Argument, das am meisten Zuspruch fand, war, dass mit der Annahme der Initiative der Mittelstand mehr Steuern bezahlen müsste  [9].
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Unternehmensbesteuerung
Im Vorjahr hatte der Ständerat bereits eine parlamentarische Initiative der Kommission für Wirtschaft und Abgaben überwiesen, die ausländischen Mitglieder der elektronischen Börse SWX Europe (vormals virt-x) von der Stempelabgabe befreien will. Diese Änderung war nötig geworden, nachdem die SIX Group entschieden hatte, den Schweizer Blue-Chips-Handel von London zurück nach Zürich zu verlegen. Die Transaktionen von nicht schweizerischen Teilnehmern dieses Handels waren in London nicht abgabepflichtig, wären es aber nach der Repatriierung geworden, da diese als Effektenhändler gelten. Um diese „Remote Members“ nicht plötzlich durch Abgaben zu belasten und damit den Börsenplatz Schweiz zu gefährden, soll nun eine Rechtsgrundlage geschaffen werden, um diese Teilnehmer weiterhin von der Stempelabgabepflicht zu befreien. Laut Kommission sind dadurch Steuermehreinnahmen von 25 Mio Fr. zu erwarten, bei Mindereinnahmen von rund 6 Mio Fr. pro Jahr an Stempelabgabeverlusten. Im Nationalrat beantragte eine Minderheit der Kommission Nichteintreten, da von dieser Seite befürchtet wurde, dass dieser Vorstoss ein erster Schritt zur kompletten Abschaffung der Stempelabgabe sei. Ausserdem wurde die fehlende Einbettung in die gesamte Steuerpolitik des Bundes kritisiert. Im Nationalrat fanden diese Argumente kein Gehör und die Initiative wurde nach kurzer Diskussion angenommen. Die Änderung im Bundesgesetz wurde von beiden Kammern in der Schlussabstimmung angenommen .
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Andere Steuerfragen
Nachdem der Nationalrat im Vorjahr die Überweisung einer Motion Fässler-Oberwalder (sp, SG) noch unterstützt hatte, die verlangte, pensionierte Zoll- und Grenzwachtangehörige mit Wohnsitz im Fürstentum Liechtenstein von der Quellensteuerpflicht zu befreien und sie neu der Domizilbesteuerung zu unterstellen, folgte der Ständerat seiner vorberatenden Kommission und lehnte das Anliegen ab. In der Diskussion wurde jedoch unterstrichen, dass Regelungs- und Klärungsbedarf mit Liechtenstein bestehe [11].
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Steuerharmonisierung
Der Ständerat befasste sich mit der Vereinfachung des Steuersystems und behandelte dabei drei Standesinitiativen (ZH, AR, SO) sowie eine Motion der FDP-Fraktion. Die Kommissionssprecher wiesen darauf hin, dass der Bundesrat mit der Überweisung der Motion Pfisterer (fdp, AG) bereits zum Handeln gezwungen sei und dass nun die Federführung zu einer solch komplexen Reform beim Bundesrat und nicht bei einer parlamentarischen Kommission liegen solle. Einzig die Motion der FDP-Fraktion, die eine Revision des DBG und des StGH forderte, sei offen genug formuliert, um den Handlungsspielraum des Bundesrates und der Kommission nicht einzuschränken. Der Ständerat folgte der Argumentation seiner Kommission und lehnte die Standesinitiativen allesamt ab, hingegen überwies er die Motion der FDP-Fraktion [12].
Der Ständerat überwies eine Motion Schweiger (fdp, ZG), die eine umfassende Revision des Steuerstrafrechts verlangt. Dabei sollen die Strafbestimmungen über die einzelnen Steuer- und Abgabeerlasse vereinheitlicht und vereinfacht werden und damit die Rechtsgleichheit und Rechtssicherheit verbessert werden. Der Bundesrat hatte die Motion abgelehnt, da er sich nicht zu einer raschen Revision verpflichten wollte [13].
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Steuerhinterziehung
Zur internationalen Amtshilfe bei Steuerdelikten siehe oben, Teil I, 4b (Banken).
 
[5] BBl, 2010, S. 281 ff.; NZZ, 27.1.10. Siehe auch SPJ 2009, S. 129f.
[8] BBl, 2010, S. 4245 ff.; Presse 15.10.-28.11.10.
[9] Lit. Milic/Vatter.
[11] AB SR, 2010, S. 1165.
[12] AB SR, 2010, S. 287 ff. Siehe auch SPJ 2009, S. 133.
[13] AB SR, 2010, S. 810 f.