Année politique Suisse 2010 : Chronique générale / Finances publiques
 
Indirekte Steuern
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Mehrwertsteuer
Der Bundesrat hatte dem Parament im Jahr 2008 eine Botschaft zur Reform des Mehrwertsteuergesetzes vorgelegt. Die Botschaft enthält zwei Teile, wobei Teil A der Vorlage 2009 vom Parlament verabschiedet worden war. Darin ging es um rund 50 materielle Änderungen, die zu einer wesentlichen Vereinfachung des Besteuerungssystems führen sollen. Teil B geht über diesen Massnahmenplan hinaus, indem er die Vereinfachung der Mehrwertsteuer weiterführt und einen einheitlichen Steuersatz von 6,5% vorschlägt. Weiter sollen die meisten Ausnahmen aufgehoben werden und Ausnahmen nur dort bestehen bleiben, wo der administrative Aufwand in keinem Verhältnis zum Ertrag steht oder wo eine korrekte Bestimmung der Steuerbemessungsgrundlage technisch nicht machbar ist. Konkret schlug der Bundesrat Ausnahmen in folgenden Bereichen vor: Finanz- und Versicherungsbranche, Verkauf und Vermietung von Immobilien, Urprodukte (u.a. Landwirtschaft- und Forstwirtschaft), Glücksspiele sowie Leistungen innerhalb des gleichen Gemeinwesens. Die vorberatende Kommission des Nationalrates anerkannte, dass das vorliegende Geschäft mit seinen zahlreichen Vereinfachungen die Rechtsicherheit verbessere Die Kommissionsmitglieder waren sich aber uneins, ob die Einführung eines Einheitssatzes die beste Lösung sei. Insbesondere wurde das Vorhaben als unrealistisch und politisch nicht durchführbar beurteilt. Auch äusserte eine Minderheit der Kommission Sorge darüber, dass eine Änderung der heutigen Situation unvermeidlich zu einer Benachteiligung der Bevölkerungsschichten mit niedrigem Einkommen führen würde. Die Kommission beantragte deshalb bei ihrem Rat die Rückweisung der Vorlage mit dem Auftrag, dem Parlament eine Vorlage für eine MWST-Revision nach einem 2-Satz-Modell mit Ausnahmen zu unterbreiten. Insbesondere sollen die folgenden Bereiche als Ausnahmen vorgesehen werden: das Gesundheitswesen, das Bildungswesen, die Kultur, Leistungen/Veranstaltungen im Sportbereich sowie wohltätigen Institutionen. Weiterhin soll für Nahrungsmittel, das Gastgewerbe sowie die Beherbergung ein reduzierter Satz gelten. Im Nationalrat war das Eintreten auf die Vorlage umstritten, die Sozialdemokraten und die Grünen verlangten Nicht-Eintreten. Der Rat folgte jedoch seiner Kommission und beschloss das Eintreten auf die Vorlage mit 113 zu 58 Stimmen. In der nachfolgenden Debatte über den Rückweisungsantrag wurde die Vorlage wiederholt als „Totgeburt“ und illusorisch gebrandmarkt und ausser der FDP sprach sich niemand für die Vorlage aus. Während die CVP, SVP und die BDP für den Rückweisungsantrag votierten, stimmten die SP und die Grünen gegen den Rückweisungsantrag, da sie auch das vorgeschlagene 2-Satz System ablehnten. Dem Rückweisungsantrag der Kommission wurde schliesslich mit 106:62 Stimmen stattgegeben. Damit geht die Vorlage zurück an den Bundesrat [14].
Der Verband Gastrosuisse lancierte eine Volksinitiative mit dem Titel „Schluss mit der MwSt-Diskriminierung des Gastgewerbes!“. Nach dem Willen der Initianten soll in der Bundesverfassung verankert werden, dass gastgewerbliche Leistungen dem gleichen Steuersatz unterliegen wie die Lieferung von Nahrungsmitteln. Der Hintergrund davon ist, dass Mahlzeiten in Restaurants dem normalen Mehrwertsteuersatz (derzeit 7,6%) unterliegen, während Take-aways vom reduzierten Satz von 2,4% profitieren. Dem Initiativkomitee gehören verschiedene bürgerliche Politiker an [15].
Beide Räte überwiesen eine Motion Briner (fdp, SH), die verlangt, die Regelung zur Rückerstattung der Mehrwertsteuer bei der Ausfuhr zu vereinfachen. Der Personalabbau an den Grenzen erschwere das bisherige Abstempeln stark und eine Neuregelung sei auch zur Stärkung des Tourismuslandes Schweiz nötig. Auch der Bundesrat plädierte für die Annahme der Motion und erklärte, dass der Handlungsbedarf erkannt sei .
Der Nationalrat behandelte die aus dem Jahr 2007 stammende Motion Studer (evp, AG), die eine ökologische Steuerreform fordert. Konkret verlangt die Motion, dass der Bund auf nicht erneuerbare Energien eine Abgabe erhebt und dieses Geld zur Senkung der Steuerbelastung auf Arbeit verwendet. Der Ständerat hatte die Motion im Vorjahr mit der Änderung überwiesen, dass vom Bundesrat ein Bericht über die Wirksamkeit bestehender Rahmenbedingungen für den nachhaltigen Umgang mit natürlichen Ressourcen gefordert wird. Weiter wird der Bundesrat aufgefordert, dem Parlament eine Vorlage zu unterbreiten, welche diese Rahmenbedingungen verbessert und auch Elemente einer aufkommensneutralen Ökologisierung des Steuersystems enthält. Der Nationalrat stimmte der Neufassung der Motion ebenfalls zu [17].
Der Bundesrat legte dem Parlament einen Mantelerlass über den Einkauf von Waren in Zollfreiläden auf Flughäfen vor. Dieses neue Bundesgesetz geht auf eine Motion Kaufmann (svp, ZH) aus dem Jahr 2006 zurück. Mit einer Anpassung der Zoll-, Mehrwertsteuer-, Alkohol- und Tabaksteuergesetzgebung soll es ermöglicht werden, in Zukunft auch bei der Ankunft aus dem Zollausland abgabefrei einzukaufen. Der Nationalrat befasste sich als Erstrat mit dem Geschäft. Nachdem ein Nichteintretens- und ein Rückweisungsantrag der Ratslinken gescheitert war, wurde das Gesetz ohne weitere Diskussion nach dem Entwurf des Bundesrates verabschiedet. Im Ständerat wurde der Zweck eines solchen Gesetzes von den Sozialdemokraten erneut hinterfragt. Die Präventionsbemühungen des Bundes würden unterlaufen, wenn nun staatlich gefördert Alkohol und Tabak verkauft würde. Allerdings passierte das Gesetz auch den Ständerat und wurde in der Schlussabstimmung von beiden Raten angenommen [18].
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Alkoholsteuer
Im Rahmen der Totalrevision des Alkoholgesetzes schickte der Bundesrat zwei Gesetzesentwürfe in die Vernehmlassung. Das Alkoholgesetz aus dem Jahr 1932 gehöre zu den ältesten Bundesgesetzen und werde trotz mehrerer Teilrevisionen den heutigen wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Realitäten nicht mehr gerecht. Neu soll ein Spirituosensteuergesetz (SStG) und ein Alkoholgesetz (AlkG) geschaffen werden. Mit der Aufteilung liessen sich im Bereich der Spirituosensteuer Konflikte zwischen fiskal- und gesundheitspolitischen Zielen reduzieren und im Bereich des Marktes mit alkoholischen Getränken eine kohärente Regulierungspolitik sicherstellen, so der Bundesrat in seiner Botschaft. Das SStG soll neu nur noch die Erhebung und Kontrolle der Verbrauchssteuer auf Spiritousen bzw. Ethanol zu Konsumzwecken regeln und wird konsequent auf fiskalische Interessen ausgerichtet. Der Spirituosen- und Ethanolmarkt soll laut dem Willen des Bundesrates liberalisiert werden: Dazu verzichtet der Bund auf drei Bundesmonopole (Importmonopol auf Ethanol, Herstellungsmonopol auf Ethanol, Herstellungsmonopol auf Spirituosen) und die Steuer- und Kontrollsysteme sollen vereinfacht und entschlackt werden. Der Entwurf des Alkoholgesetzes regelt den Handel für alle alkoholischen Getränke mit einheitlichen Bestimmungen, welche den Jugendschutz verfolgen. Damit soll die Grundlage für eine kohärente Alkoholpolitik geschaffen werden [19].
Zur CO2-Steuer siehe unten, Teil I, 6d (Politique de protection de l‘environment).
 
[14] AB NR, 2010, S. 2063 ff.
[15] BBI, 2010, S. 2351 ff; TA, 7.4.10.
[17] AB NR, 2010, S. 390 f. Siehe auch SPJ 2009, S. 135.
[18] BBI, 2010, S. 2169 ff. und 8993 ff.; AB NR, 2010, S. 1308ff. und 2184; AB SR, 2010, S. 1159 ff. und 1355. Siehe auch SPJ 2009, S. 135.
[19] BBI, 2010, S. 4651 ff. Siehe auch unten, Teil I, 7b (Suchtmittel).