Année politique Suisse 2010 : Politique sociale / Assurances sociales / Krankenversicherung
Vor dem Hintergrund der Prämienerhöhungen hatte der Bundesrat im Vorjahr eine Botschaft für eine Revision des Krankenversicherungsgesetzes mit Massnahmen zur
Eindämmung der Kostenentwicklung vorgelegt. Das Geschäft war in der Differenzbereinigung steckengeblieben. Im Berichtsjahr wurde die Vorlage nun zu Ende verhandelt. Bei der weiteren Beratung der Differenzen hielt der
Ständerat, abgesehen vom Verbot der Finanzierung von Telefonwerbung, an seinen Beschlüssen fest. Demnach plädierte er nach wie vor dafür, dass in den Rechnungen die Diagnosen in verschlüsselter Form aufgeführt werden müssen. Ausserdem bestätigte er seinen Beschluss, wonach bei gleicher Eignung nur noch Präparate zu zahlen sind, die maximal 10% teurer sind als das jeweils günstigste Medikament. Auch bei der zweiten Vorlage, beim differenzierten Selbstbehalt, hielt er an seiner Linie fest und forderte, diese Frage in der Managed-Care-Vorlage zu lösen
[49].
In der weiteren
Differenzbereinigung schwenkte der
Nationalrat in der Frage der Aufführung der Diagnosen in den Rechnungen auf die Linie der kleinen Kammer um, ergänzte die neue Vorschrift jedoch mit einem Auftrag an den Bundesrat, der dazu nähere Vorschriften erlassen sollte und dabei den Datenschutz und das Verhältnismässigkeitsprinzip zu beachten habe. In der Frage der Kostenvergütung der Medikamente hielt der Nationalrat an seiner Fassung fest. Bei den übrigen Differenzen schloss er sich dem Ständerat an
[50].
Der
Ständerat schloss sich in der Folge bei der Frage der verschlüsselten Diagnosen der Formulierung der grossen Kammer an. Als letzte Differenz blieb damit die Abgabe von preisgünstigen Medikamenten. Eine Kommissionsmehrheit hatte beantragt, an der Fassung des Ständerates festzuhalten. Der Entscheid fiel knapp, mit 20 zu 20 Stimmen und dem Stichentscheid der Präsidentin, zugunsten des Festhaltens an der eigenen Position aus
[51].
Die damit notwendig gewordene
Einigungskonferenz entschied sich betreffend die Modalitäten bei der Abgabe von preisgünstigen Medikamenten für die Fassung des Nationalrates. Diesem Antrag schlossen sich die beiden Räte diskussionslos an
[52].
In der
Schlussabstimmung nahm der Ständerat die Vorlage über die Massnahmen zur Eindämmung der Kostenentwicklung mit 33 zu 0 Stimmen bei 9 Enthaltungen an. Im Nationalrat hingegen sprach sich die SP-Fraktion gegen die Vorlage aus, da diese einseitig und unsozial sei. Neben der SP stimmte auch die SVP-Fraktion zu einem grossen Teil gegen die Vorlage, während sich die Grünen mehrheitlich der Stimmen enthielten. So wurde das Geschäft in der grossen Kammer mit 97 zu 76 Stimmen bei 19 Enthaltungen
abgelehnt [53].
Nachdem die erste Vorlage über die Massnahmen zur Eindämmung der Kostenentwicklung somit gescheitert war, folgte der Ständerat in der Wintersession dem Nationalrat auch bezüglich des zweiten Teils der Vorlage, welcher sich mit dem
differenzierten Selbstbehalt beschäftigte. Der Ständerat stimmte damit dem Nichteintretensentscheid des Nationalrates zu, da die Frage des differenzierten Selbstbehaltes im Rahmen der Managed-Care Vorlage, die im Folgenden beschrieben wird, behandelt werden sollte
[54].
Nach dreieinhalb Jahren befasste sich der
Nationalrat als Zweitrat mit der
KVG-Revision zu Managed-Care. Zentrale Elemente der Vorlage sind die Verpflichtung der Krankenversicherer, Managed-Care-Modelle anzubieten, die Budgetverantwortung für die integrierten Versorgungsnetzwerke sowie der differenzierte Selbstbehalt für die Versicherten. Das Eintreten auf die Vorlage war in der grossen Kammer unbestritten, da alle Fraktionen die Bedeutung und den Wert von Managed Care betonten. Uneinig war sich der Rat über die Frage der Kostenbeteiligung der Versicherten. Eine links-grüne Minderheit bekämpfte erfolglos die Erhöhung des Selbstbehaltes. Ebenfalls gegen die Stimmen aus dem links-grünen Lager beschloss der Nationalrat, dass Versicherte in der Regel drei Jahre lang in einem Managed-Care Modell verbleiben, ausser sie bezahlen die Austrittsprämie. Eine Mehrheit von 99 zu 67 Stimmen unterstützte einen Angebotszwang von Managed-Care-Modellen für Krankenversicherer. Der Nationalrat nahm ausserdem einen Einzelantrag Füglistaller (svp, AG) an, welcher den Bundesrat verpflichtet, Anforderungen an die Qualität und den Umfang der Budgetverantwortung der Versorgungsnetzwerke festzulegen. Auf Antrag seiner Kommission beschloss der Rat ausserdem eine Verfeinerung des Risikoausgleichs zwischen den Kassen. In der Gesamtabstimmung nahm die grosse Kammer die Vorlage mit 101 zu 43 Stimmen an
[55].
Der
Ständerat wich in zwei wesentlichen Bereichen von den Vorschlägen des Nationalrates ab: einerseits bei der Angebotspflicht und andererseits beim differenzierten Selbstbehalt. Mit 21 zu 14 Stimmen folgte er der Mehrheit seiner Kommission und strich die Angebotspflicht für die Versicherer. Beim differenzierten Selbstbehalt beantragte die Kommission einen Satz von 5% für Managed-Care-Versicherte und für diejenigen, die weiterhin den Arzt frei wählen wollen, einen Kostenanteil von 15%. Der Ständerat sprach sich auch dafür aus, dass der maximale Selbstbehalt im Gesetz verankert werden soll. Bei der vorzeitigen Auflösung von Versicherungsverträgen strich die kleine Kammer als möglichen Grund die vom Nationalrat vorgesehene überdurchschnittliche Prämienerhöhung
[56].
Die 2004 im Ständerat behandelte Teilrevision des Krankenversicherungsgesetzes über die
Kostenbeteiligung wurde im Berichtsjahr nun auch vom Nationalrat behandelt. Da das Thema der Kostenbeteiligung und des differenzierten Selbstbehaltes bereits im Rahmen der Vorlage Managed-Care behandelt und entsprechende Beschlüsse gefasst worden waren, beschloss der Nationalrat diskussionslos auf die Vorlage nicht einzutreten. Der Ständerat schloss sich aus dem gleichen Grund ohne Diskussion dem Nichteintretensentscheid des Nationalrates an
[57].
Die gleiche Argumentation wie bei der Teilrevision zur Kostenbeteiligung traf auch für diejenige zur
Vertragsfreiheit zu. Diese Thematik war ebenfalls in der Managed-Care-Vorlage behandelt worden. Der Nationalrat folgte daher dem Entscheid des Ständerates aus dem Jahre 2008 und trat nicht auf diese Vorlage ein
[58].
[49]
AB SR, 2010, S. 66 ff. Siehe
SPJ 2009, S. 220 f.
[50]
AB NR, 2010, S. 1052 ff.
[51]
AB SR, 2010, S. 830 ff.
[52]
AB NR, 2010, S. 1498;
AB SR, 2010, 967 f.
[53]
AB SR, 2010, S. 1008;
AB NR, 2010, S. 1673.
[54]
AB SR, 2010, S. 1291.
[55]
AB NR, 2010, S. 1003 ff., 1028 ff. und 1038 ff.
[56]
AB SR, 2010, S. 1271 ff.
[57]
AB NR, 2010, S. 1057;
AB SR, 2010, S. 1291. Siehe
SPJ 2004, S. 195 f.
[58]
AB NR, 2010, S. 1056. Siehe
SPJ 2008, S. 224.
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