Année politique Suisse 2010 : Politique sociale / Groupes sociaux / Flüchtlingspolitik
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Vollzug
Nachdem im März ein 29-jähriger nigerianischer Asylsuchender während einer Zwangsausschaffung verstorben war, stoppte das Bundesamt für Migration (BFM) bis auf Weiteres alle Sonderflüge bei Rückschaffungen. Eine Obduktion am Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich ergab, dass der Verstorbene an einer schweren Herzkrankheit gelitten hatte, die kaum diagnostizierbar war – und entlastete damit die Behörden [33].
Der vorübergehende Stopp der Sonderflüge für Zwangsausschaffungen führte allerdings dazu, dass die Kantone gezwungen waren, Ausschaffungshäftlinge auf freien Fuss zu setzen. Denn Ausschaffungshäftlinge dürfen laut Ausländergesetz nicht mehr als 24 Monate inhaftiert werden – und dies auch nur dann, wenn die Ausschaffung absehbar ist. Die Kantone machten daher beim BFM Druck, wieder Zwangsausschaffungen zuzulassen und hatten Erfolg: Noch bevor der Schlussbericht des gerichtsmedizinischen Gutachtens zum Tod des Nigerianers vorlag, willigte das BFM ein, die Sonderflüge wieder aufzunehmen. Um die Sicherheit von Ausschaffungsflügen zu verbessern, sollten diese von Ärzten begleitet werden [34].
Die Wiederaufnahme von Sonderflügen galt nicht für Nigeria; das Land weigerte sich zunächst Leute aufzunehmen, die nicht freiwillig zurückkehrten. Im November fanden die Schweiz und Nigeria eine gemeinsame Lösung, so dass ab Anfang 2011 auch wieder Personen mit Sonderflügen nach Nigeria ausgeschafft werden können. Der gesamte Rückführungsprozess soll künftig von nigerianischen Beamten begleitet werden. Gleichzeitig schlossen die beiden Länder eine Migrationspartnerschaft ab. Die Schweiz hilft Nigeria bspw. die Kapazitäten der Migrationsbehörden auszubauen und verbessert die Unterstützungsprogramme für Nigerianer, die in ihre Heimat zurückkehren [35].
Im Berichtsjahr unterzeichnete die Schweiz Rückübernahmeabkommen mit Benin, Kasachstan, dem Kosovo und der Republik Moldau. Ausserdem schloss sie eine Dublin-Vereinbarung mit Österreich ab. Die beiden Staaten verpflichteten sich zur Einhaltung von verkürzten Bearbeitungsfristen, wenn Asylsuchende in das andere Land zurückgeschickt werden. Zudem wollen sie Überstellungen auf dem Landweg erlauben, was zu Kosteneinsparungen führen soll [36].
 
[33] TA, 19.3.10; NZZ und SGT, 29.6.10.
[34] TA, 19.3., 16.4. und 18.5.10; NZZ, 10.5., 22.5. und 29.6.10.
[35] SoS und NZZ, 6.11.10.
[36] NZZ, 4.2. (Kosovo) und 24.6.10 (Österreich); Medienmitteilungen des EJPD vom 4.3. (Kasachstan) und vom 19.5.10 (Republik Moldau); Lib., 27.10.10 (Benin).