Année politique Suisse 2010 : Enseignement, culture et médias / Enseignement et recherche / Hochschulen
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Universitäten und ETH
Im Februar wurde an der ETH Lausanne ein Rolex Learning Center eröffnet. Mittelpunkt des neuen Gebäudes bildet eine Bibliothek, die mehr als 50 000 Bücher umfasst. Daneben gibt es Hör- und Lesesäle sowie Cafés und Restaurants. Das 110 Mio Fr. teure Werk der japanischen Architekten Kazuyo Sejima und Ryue Nishizwawa vom Büro Sanaa wurde zur Hälfte von privaten Sponsoren finanziert. Das Learning Center markiert eine erste Etappe des rasanten Wachstums der ETH Lausanne. Bereits im Bau waren auf dem Campus auch 2700 Quadratmeter Büro- und Laborräume, die Forschungszentren von nationalen und internationalen Unternehmen beherbergen sollen. Die Grossbank Credit Suisse will dort bis Ende 2011 ein IT-Entwicklungszentrum mit bis zu 250 Arbeitsplätzen schaffen [40].
In der Schweiz stieg der Anteil ausländischer Studierender zwischen 2000 und 2009 von 14,5 auf 21,5%. Beim Masterstudium kam 2009 sogar jeder vierte Studierende aus dem Ausland. Diese Zunahme löste im Berichtsjahr eine breite Debatte über Gegenmassnahmen aus. Sowohl der ETH-Rat als auch die Rektorenkonferenz der Schweizer Universitäten diskutierten über höhere Studiengebühren sowie Zulassungsbeschränkungen und Quoten für ausländische Studierende. Denn der starke Zustrom verschärfe die bereits bestehenden Kapazitätsprobleme und führe zu steigenden Kosten. Weil die Bachelor-Abschlüsse im Ausland noch nicht überall den gewünschten Standard aufweisen, fürchteten Bildungsexperten zudem einen Qualitäts- und Reputationsverlust für die Schweizer Hochschulen [41].
In der Wintersession beschäftigte der zunehmende Anteil ausländischer Studierender auch das Parlament. Der Ständerat überwies ein Postulat Bischofberger (cvp, AI), welches den Bundesrat beauftragt, den zum Teil massiven Zustrom von Studierenden aus dem Ausland zu analysieren und aufzuzeigen, wie diese Entwicklung gesteuert werden könnte. Dabei soll er insbesondere eine Erhöhung der Studiengebühren für ausländische Studierende und die Einführung von obligatorischen Aufnahmeprüfungen für Studienanwärterinnen und -anwärter aus dem Ausland prüfen. Ein gleichlautendes Postulat Pfister (cvp, ZG) wurde auch vom Nationalrat gutgeheissen [42].
Im Dezember beschloss die ETH dem Bundesrat 2011 eine Gesetzesänderung zu unterbreiten, die einen Numerus clausus auf Masterstufe erlauben würde. Nach geltendem Recht sind Zulassungsbeschränkungen an der ETH – anders als bei den Universitäten – nicht möglich. Allerdings sind mit der Ausarbeitung eines Numerus clausus heikle Fragen verbunden. Eine Lösung, bei der auch schweizerische Mittelschulabsolventen oder Studierende mit einem Bachelordiplom abgewiesen werden könnten, wenn sie in der Auswahl ausländischen Bewerbern unterlägen, wäre kaum vertretbar. Gleichzeitig darf die Selektion ausländische Studierende aber auch nicht beliebig diskriminieren, weil die Schweiz bi- und multilaterale Abkommen beachten muss [43].
Aufgrund der stark gestiegenen Studierendenzahlen verlangten die Universitäten vom Bund für die Jahre 2013 bis 2016 eine Erhöhung der Grundbeiträge um total 870 Mio Fr. Davon sollen 187 Mio Fr. in die Verbesserung der Betreuungsverhältnisse gesteckt werden. Mit dem restlichen Geld will die Rektorenkonferenz 2500 neue Doktorandenstellen schaffen, um den akademischen Mittelbau zu entlasten. Auch die Eidgenössischen Technischen Hochschulen und ihre Forschungsanstalten wollten mehr Geld. Der ETH-Rat forderte für die Jahre 2012 bis 2016 eine jährliche Budgeterhöhung von mindestens 6% [44].
Im Dezember brachte Staatssekretär Mauro Dell’Ambrogio eine einheitliche Erhöhung der Studiengebühren auf 4000 Fr. pro Semester in die Diskussion ein. Er schlug vor, sich an der Tessiner Lösung zu orientieren, wo der Betrag für all jene, die eine finanzielle Unterstützung der öffentlichen Hand mitbringen, auf 2000 Fr. halbiert wird. Mit dem zusätzlichen Geld von rund einer halben Mia Fr. möchte er die Kapazitätsprobleme der Universitäten lösen. Auf Widerstand stiess die Idee bei der SP und beim Verband der Schweizer Studierendenschaften. Auch die Präsidentin der EDK, Isabelle Chassot (FR, cvp) sprach sich gegen die Verdoppelung der Studiengebühren aus. Universitäten sind aus ihrer Sicht öffentliche Institutionen, welche auch primär durch die öffentliche Hand finanziert werden müssen [45].
 
[40] BaZ, TA und TG, 18.2.10; LT, 9.7.10.
[41] SoS, 6.9.10; TA, 8.10., 3.11. und 3.12.10; NZZ, 10.11. und 3.12.10.
[42] AB SR, 2010, S. 1097 ff.; AB NR, 2010, S. 2162.
[43] TA, 1.11.10; NZZ, 9.12.10.
[44] Lib., NZZ und TA, 19.5.10.
[45] LT und 24h, 21.12.10; NF, 23.12.10.