Année politique Suisse 2010 : Enseignement, culture et médias / Culture, langues, églises / Kirchen und religionspolitische Fragen
Die Aufdeckung diverser Fälle von sexuellen Übergriffen in der katholischen Kirche entfachte im Berichtsjahr eine hitzige Debatte. Auf Protest stiess insbesondere die Aussage der römisch-katholischen Kirche, dass sie es den Missbrauchsopfern selbst überlasse, Anzeige zu erstatten. Von verschiedensten Seiten wurde von der Kirche daraufhin eine aktivere Rolle in dieser Frage gefordert. An der ordentlichen Schweizer Bischofskonferenz Anfangs Juni wurde schliesslich eine
Anzeigepflicht bei bestehendem Verdacht auf sexuellen Missbrauch beschlossen. Zudem betonten die Bischöfe die Wichtigkeit eines verbesserten Informationsflusses zwischen den Bistümern. Ein Priester könne nur noch eingestellt werden, wenn ein lückenloser, schriftlicher Leumund vorläge. Die Diskussion um Pädophilie im Priestertum liess darüber hinaus Stimmen laut werden, welche eine Modernisierung der katholischen Kirche forderten. So wurden im Berichtsjahr Diskussionen zur Abschwächung der Zölibatsregel und zur Ordination von Priesterinnen lanciert
[13].
Die Delegiertenversammlung des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes (SEK) wählte im Juni den Berner Theologen
Gottfried Locher als Nachfolger des noch bis Jahresende amtierenden Präsidenten Thomas Wipf. Gewählt wurde Locher im zweiten Wahlgang mit Unterstützung von Abgeordneten aus der Romandie. Der einzige westschweizer Kandidat zog seine Kandidatur als Drittplatzierter nach dem ersten Wahlgang zurück
[14].
Im Herbst wurde aufgrund zweier durch Freidenker provozierten Vorfällen eine nationale Debatte über die
Präsenz von Kruzifixen und Kreuzen im öffentlichen Raum lanciert. Ida Glanzmann-Hunkeler (cvp, LU) reichte daraufhin eine parlamentarische Initiative ein, mit welcher sie Klarheit über solche Fragen schaffen will. Das Geschäft will in der Bundesverfassung verankern, dass christlich-abendländische Symbole in der Öffentlichkeit generell zulässig sein sollen
[15].
Im November wurde der Luzerner Felix Gmür, Generalsekretär der Bischofskonferenz, als
neuer Bischof des Bistums Basel vorgestellt. Er tritt in die Fussstapfen von Bischof Kurt Koch, welcher kurz zuvor in Rom zum Kardinal geweiht wurde
[16].
[13] Insb. Presse vom 31.3.10 (Modernisierung); Presse vom 3.6.10 (Delegiertenversammlung).
[15]
Pa.Iv. 10.512;
Lib., 5.11.10.
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