Année politique Suisse 2010 : Enseignement, culture et médias / Médias / Presse
Während die Anzahl Gratistitel im letzten Jahr stabil blieb, setzte sich die
Strukturbereinigung im Bereich der Printpresse sowohl in der französisch- als auch in der deutschsprachigen Schweiz fort. Im Januar wurden die NZZ-Gruppe, Tamedia und der Tessiner Financier Tito Tettamanti als mögliche Käufer der kriselnden BaZ gehandelt. Anfang Februar gab die bisherige BaZ-Besitzerin Familie Hagemann den Verkauf der Basler Zeitung Medien (BZM) an Tettamanti und den Basler Medienanwalt Martin Wagner bekannt. Während die neuen Besitzer die BaZ-Übernahme als Zeichen gegen eine zunehmend zürichlastige Medienkonzentration und als Fortbestandsgarantie einer unabhängigen Zeitung in der Region Basel sahen, wurden auch Vorbehalte laut. Tettamantis Engagement sei kurzfristiger und gewinnoptimierender Natur, wurde moniert. Ende August sahen sich die linken Kritiker der BaZ-Übernahme mit der Ernennung des stellvertretenden Chefredaktors der Weltwoche und Verfassers einer Biografie über Christoph Blocher Markus Somm zum neuen BaZ-Chefredaktor in ihrer Befürchtung bestätigt, dass dem als weltoffen eingeschätzten Blatt ein Rechtsrutsch drohte. Im November machte die „NZZ am Sonntag“ ein Mandat der neuen BaZ-Besitzer an Christoph Blochers Beratungsfirma Robinvest publik. Laut Medienberichten beinhaltete dieses Vorgaben zur organisatorischen und strategischen Neuausrichtung. Danach sollte die BaZ innerhalb eines Jahrs mittels Kostensenkungen in der Druckerei und einem Ausbau der Reichweite von einem zweistelligen Millionenverlust in die Gewinnzone (+10%) geführt werden. Während die lokalen Liberaldemokraten und einige Freisinnige den Umbau der Zeitung zum gesamtschweizerischen Sprachrohr des Zürcher SVP-Flügels befürchteten, schätzten SP und andere Freisinnige eine solche Gefahr mit Hinweis auf die starke Verankerung des Blatts Basler Bürgertums als weniger immanent ein. Erstmals seit Februar äusserte sich die BaZ-Redaktion und erinnerte Martin Wagner an sein Versprechen, ihr Blatt als unabhängige, auf die regionalen Bedürfnisse ausgerichtete Zeitung zu positionieren. Gleichzeitig forderte sie eine Diskussion über die Besetzung der Chefredaktorenstelle und den Rückzug von Robinvest. Ende November wurde der Verkauf der BaZ an Moritz Sutter (als Alleinaktionär) und die Beendigung des Engagements von Robinvest bekannt gegeben
[9].
Die Editions Suisses Holding SA, die Schweizer Tochter des französischen Medienkonzerns Hersant übernahm im Sommer von der Rhône Média die Aktienmehrheit am Unterwalliser „Le Nouvelliste“ und schloss diesen der gemeinsamen Redaktionsplattform der Hersant-Titel „La Côte“, „L’Impartial“, „L’Express“ und auch des affiliierten „Journal du Jura“ an. Im Kanton Zürich vermochte die Tamedia ihre Vormachtstellung gegenüber der NZZ-Gruppe zu stärken. Im April einigten sich die beiden Konkurrentinnen auf ein Tauschgeschäft. Dabei ging die „Thurgauer Zeitung“ von der Tamedia an die NZZ-Gruppe. Gleichzeitig verkaufte letztere ihre 40%-Beteiligung an der „Zürichsee-Zeitung“ an die Tamedia, die mit dem Erwerb des verbleibenden Aktienpakets von der Verlegerfamilie Gut die „Zürichsee-Zeitung“ in der Folge ganz übernahm. Damit kontrolliert sie nun die Zürcher Landzeitungen und über deren Zusammenarbeit in redaktionellen und werblichen Belangen indirekt auch die „Schaffhauser Nachrichten“. Diese bleiben aber in verlegerischer und redaktioneller Hinsicht unabhängig. Die „Thurgauer Zeitung“ ihrerseits wurde unter ihrer neuen Besitzerin auf Anfang 2011 zum Kopfblatt des „Sankt Galler Tagblatts“ umgebaut. Im November gaben der „Rheintaler“ und die „Rheintalische Volkszeitung“ bekannt, auf Anfang 2011 mit der Rheintal Verlag AG ein gemeinsames Verlagsdach zu gründen
[10].
Die Bereinigung auf dem Zeitungsmarkt verstärkte die Tendenz zur
überregionalen Vereinheitlichung der internationalen und nationalen Berichterstattung in der Form von Mantellösungen. Parallel dazu führt das Kopfblattsystem zu einer zunehmenden Fokussierung auf die Regionalberichterstattung. Eine integrierte Antwort auf das zunehmend crossmediale Informationsverhalten der Bevölkerung versucht die Gossweiler Media AG mit ihrem Konzept der Mikrozeitung. Die Initianten verstehen ihr Produkt sowohl als lokalen Gegenentwurf zur Pressekonzentration als auch als flexible Antwort auf die Medienkonvergenz. Im Frühling 2010 wurde mit der „Obwalden- und Nidwalden-Zeitung“ die erste Lizenzausgabe der Mikrozeitung lanciert, die sich am Verlags- und Redaktionsmodell der 2000 gegründeten „Jungfrau Zeitung“ orientiert. Aus den fortlaufend aufbereiteten Inhalten der kostenlosen Online- bzw. Smartphone-Ausgaben werden zweimal in der Woche eine Printausgabe zusammengestellt und kostenpflichtig vertrieben. Gegen Jahresende legte auch die „Berner Zeitung“ mit der Umsetzung ihres neuen Redaktionskonzepts den Fokus auf das lokale Geschehen und stellte in ihrer Druckausgabe den regionalen vor den Schweizer Bund. Die Auslandberichterstattung wurde auf die Wiedergabe von SDA-Meldungen reduziert
[11].
Die Pressekonzentration fand ihren Ausdruck auch in der
Monopolisierung des Schweizer Agenturdienstes durch die SDA. Diese Entwicklung auf dem inländischen Agenturmarkt wurde mit Besorgnis zur Kenntnis genommen, zumal sie durch die Strukturbereinigung im Verlagswesen noch akzentuiert wurde. Mit der Übernahme von Edipresse durch Tamedia 2009 hatte sich der Anteil letzterer am Aktienkapital der SDA auf über 20% erhöht. Verschiedene parlamentarische Vorstösse verlangten vom Bundesrat eine Stellungnahme zur Beteiligungssituation bei der SDA. Mit Hinweis auf die Statuten der Nachrichtenagentur, die ein korrigierendes Einschreiten des Verwaltungsrats ermöglichen, sobald Beteiligungen ein Fünftel des gesamten Aktienkapitals übersteigen, verlangte Nationalrat Jean-Claude Rennwald (sp, JU) in einer Motion Regulierungsmassnahmen zum Schutz von Informationsvielfalt und Meinungsfreiheit. Mit Hinweis auf fehlende verfassungs- und aktienrechtliche sowie ungeeignete vertragsrechtliche Grundlagen beantragte der Bundesrat die Ablehnung der Motion. Der Vorstoss gelangte im Berichtsjahr noch nicht zur Behandlung im Plenum
[12].
[9]Tagespresse vom 21.1.10
; AZ, 9.2.10;
WoZ, 11.2.10; Tagespresse vom 31.8., 15.11., 16.11., 25.11. und 27.11.10;
BaZ, 17.11.2010;
SoZ, 21.11.10 ;
SoZ, 28.11.10.
[10] Tagespresse vom 16.4.10;
SN, 17.4.10.;
Le Nouvelliste, 1.7.2010; Tagespresse vom 13.7.10;
SoS, 17.11.10;
SN, Medienmitteilung, 18.11.10;
NZZ, 19.11.10.
[11]
NZZ, 19.2. und 1.4.10;
BZ, 27.3.10;
NZZ, 18.5.10;
Bund, 6.11.10;
NZZ, 6.11.10.
[12]
Lib., 14.4.10, 25.6.10; Mo 10.3368.
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