Année politique Suisse 2011 : Partis, associations et groupes d'interêt / Partis
Parteiensystem
Zu den Sitzanteilen der Parteien auf Exekutiv- und Legislativebene sowie zu den Frauenanteilen vgl. oben, Teil I, 1e (Wahlen) sowie Anhang (
anhang_2011.pdf). Für die Parolen der Parteien zu den eidgenössischen Volksabstimmungen siehe die Tabelle
parolen_2011.pdf und die verschiedenen Sachkapitel.
Das Thema
Parteienfinanzierung wurde auch im Wahljahr virulent diskutiert. Im Berichtsjahr veröffentlichte das Bundesamt für Justiz ein von Justizministerin Sommaruga in Auftrag gegebenes rechtsvergleichendes Gutachten, in dem deutlich wurde, dass die Schweiz neben Schweden das einzige Land Europas ist, das keine Regelung zur Finanzierung von Parteien kennt. In Schweden veröffentlichen die Parlamentsparteien ihre Einkünfte aufgrund einer freiwilligen Vereinbarung. In der Schweiz gibt es keinerlei Regelungen. Einzig im Kanton Tessin und im Kanton Genf gibt es Ansätze für mehr Transparenz. Während im Tessin Parteispenden von mehr als CHF 10 000.- bzw. Spenden an Wahlkandidaten und Abstimmungskomitees ab CHF 5 000.- an die Staatskanzlei gemeldet werden müssen, sind die Parteien im Kanton Genf seit 1999 verpflichtet, der Finanzinspektion jährlich eine Spenderliste sowie den Spenden-Gesamtbetrag abzugeben. Anfang Dezember legte die GRECO (Groupe d’Etats contre la Corruption), bei der die Schweiz seit 2006 Mitglied ist, einen Bericht vor, in welchem sie der Schweiz die gesetzliche Regelung der Parteienfinanzierung sowie Transparenzvorschriften für die Finanzierung von Abstimmungskampagnen empfiehlt. Die GRECO kritisierte, dass die freie Willensbildung durch die bestehende Intransparenz gefährdet sei und der unverfälschte Wählerwille nicht zum Tragen komme. Der Bundesrat hat bis 2013 Zeit, einen Bericht zur Umsetzung der Empfehlungen zu verfassen. Ende September gab Bundesrätin Sommaruga eine weitere Studie in Auftrag, welche die Investitionen verschiedener politischer Akteure in Wahl- und Abstimmungskampagnen untersuchen soll. Die Resultate lagen bis zum Ende des Berichtsjahrs noch nicht vor. In zahlreichen Kantonen scheiterten Anläufe für kantonale Regelungen
[1].
Für Unmut unter den Parteien sorgte das Verbot der SBB für aktive
Wahlwerbung in Bahnhöfen. Plakate dürften in Bahnhofarealen an den dafür vorgesehenen Stellen zwar aufgehängt werden, aber die Bahnkunden wollten laut einer Umfrage nicht von Politpromotion belästigt werden, so die Bundesbahnen. Die vier grossen Parteien CVP, FDP, SP und SVP intervenierten gemeinsam gegen dieses Verbot. Die SBB bewilligten in der Folge in kleineren Bahnhöfen politische Aktionen für die kantonalen Wahlen in Zürich und Luzern, nicht aber in den Hauptbahnhöfen, weil dort die Platzverhältnisse zu eng seien. Zudem wurde diese Erlaubnis an Bedingungen geknüpft: Pro Tag sollte lediglich eine Partei gegen Bezahlung die Möglichkeit für Standaktionen erhalten. Die SBB zeigten sich für die Nationalratswahlen dann aber kulant und erlaubten den Parteien am 22. September Standwerbung im Hauptbahnhof Zürich. FDP, CVP, SVP, SP, GP, EVP, GLP und BDP wurden je 50 m2 zur Verfügung gestellt. Mit dieser neutralen Plattform gedachten die SBB einen Beitrag zum demokratischen Dialog und zu einer möglichst hohen Wahlbeteiligung zu leisten. Die Wahlpromotion einzelner Parteien war aber nach wie vor nicht erlaubt. Für negative Reaktionen bei den Passagieren sorgte im Sommer zudem die hohe Konzentration an SVP-Plakaten im Hauptbahnhof Zürich. Die SBB zogen in der Folge die Notbremse und passten ihre Richtlinien an. Parteien dürfen künftig maximal noch die Hälfte der gesamten vorhandenen Werbefläche für sich beanspruchen. Die SVP kritisierte die Änderung der Richtlinien als unangebrachten Eingriff in den Wahlkampf
[2].
Die
Zersplitterung der politischen Mitte, die sich bei einigen Kantonswahlen zeigte und auch aus den nationalen Wahlen resultierte, fachte die Diskussion um eine Mittekoalition weiter an. Gespräche zwischen der CVP, der BDP und der GLP über eine mögliche Zusammenarbeit, kolportierte Fusionspläne aber auch das Szenario einer breiten Mitte-Allianz unter Einbezug der FDP waren häufige Pressethemen. Dabei stand neben wahltaktischen Listenverbindungen auch eine längerfristige inhaltliche Zusammenarbeit im Fokus der Gespräche. CVP-Fraktionschef Urs Schwaller (FR) versprach sich von einer „Neuen grossen Mitte“ mehr politischen Einfluss und die mögliche Sicherung der gefährdeten Bundesratssitze der sich aufsplitternden Mitte-Parteien. Relativ rasch kündigte die FDP an, die Bestrebungen für eine Allianz der Mitte nicht mitzutragen, da eine solche nicht kompatibel mit der Konkordanz sei. Nach den nationalen Wahlen wurde zumindest die Allianz zwischen BDP und CVP wieder ein Thema, insbesondere im Hinblick auf die Bundesratswahlen. Die CVP sollte mithelfen, Bundesrätin Widmer-Schlumpf zu bestätigen. Nach ihrer Wahlniederlage im Herbst verstärkte vor allem die CVP die Bemühungen für eine engere Zusammenarbeit mit BDP und GLP. Sogar eine Fusion mit der BDP wurde von den Christdemokraten ins Auge gefasst, etwa in Form einer Union nach Vorbild der CDU/CSU in Deutschland. Allerdings wurden die Pläne schnell begraben. Schliesslich kam es nicht einmal zu einer gemeinsamen Fraktion: sowohl die CVP als auch die BDP entschieden sich für getrennte Parlamentsfraktionen. Anfang Dezember gaben sich die beiden Parteien in einer offiziellen Verlautbarung bis Juni 2012 Zeit, geeignete Formen der Zusammenarbeit zu prüfen
[3].
Zu den Wahlkampfbudgets der Parteien vgl. nachfolgend
[4].
[1]
WoZ, 6.1.11;
TA, 2.2.11; Presse vom 3.2.11;
TA und
WW, 10.2.11;
NLZ, 29.3.11;
TA, 2.4.11;
BaZ, 21.4.11; Presse vom 15.7.11;
TA, 24.9. und 14.10.11;
Lib., 19.10.11; Presse vom 3.12.11; Medienmitteilungen BJ vom 14.7. und 2.12.11; zur Finanzierung von Abstimmungskampagnen vgl. oben, Teil I, 1c (Volksrechte); zur Transparenz von Parlamentariereinkünften vgl. oben Teil I, 1c (Parlament); vgl. auch
SPJ 2010, S. 354 f.;
Lit. Gernet.
[2] Presse vom 17.2.11;
AZ, 25.3.11 (sda);
TA, 6.10.11;
AZ und
TA, 21.9.11.
[3]
TG und
TA, 5.4.11;
24h, 6.4.11;
AZ, 12.4.11;
NZZ, 18.4.11;
SoZ, 24.4.11 (Schwaller);
NLZ, 9.5.11;
NZZ, 27.6. und 2.11.11;
SN, 9.11.11;
WW, 17.11.11;
BaZ, 22.11.11;
NZZ, 26.11.11;
TA, 26.11 und 29.11.11; Presse vom 6.12.11; vgl.
SPJ 2010, S. 355.
[4] Vgl. auch
SPJ 2010, S. 355 und oben Teil I, 1e (Eidgenössische Wahlen).
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