Année politique Suisse 2011 : Partis, associations et groupes d'interêt / Partis
Freisinnig-Demokratische Partei – FDP. Die Liberalen (FDP)
Ambitioniertes
Ziel der FDP bei den Nationalratswahlen war ein Wähleranteil von 20%. Dieses sollte mit der Diskussion über sichere Arbeitsplätze, sichere Renten und mehr Freiraum für die Bürgerschaft erreicht werden. Die Freisinnigen wollten dabei insbesondere auf Kosten der Polparteien zulegen, bei denen sie Verluste erwarteten und denen sie vorwarfen, das Erfolgsmodell Schweiz zu gefährden. Die Abgrenzung insbesondere gegenüber der SVP manifestierte sich auch in der fehlenden Bereitschaft der Partei, Listenverbindungen einzugehen: Lediglich im Kanton Waadt kam es zu einer Listenverbindung des Freisinns mit der SVP. Bei den Wahlen 2007 hatte es solche noch in neun Kantonen gegeben. Das offizielle Wahlkampfbudget wurde auf 2,6 Mio. CHF beziffert, wobei die Kandidierenden zusätzlich grosse eigene Beiträge für ihren Wahlkampf einsetzten. Die Wahlkampfleitung wurde Vincenzo Pedrazzini (SZ) übertragen. Ziel war ein schweizweit einheitlicher Wahlkampf. Parteipräsident Fulvio Pelli (TI) versuchte mit zahlreichen Aktionen schon früh den Wahlkampf anzukurbeln
[22].
Ähnlich wie die meisten Parteien betonte auch die FDP im Wahljahr die Schweiz als eigenständigen Wert. Der entsprechende Wahlslogan „Aus Liebe zur Schweiz“ war bereits 2010 lanciert worden. Auf ihrer
Wahlplattform, die Mitte Februar präsentiert wurde, setzte die FDP auf drei Themenschwerpunkte: Wirtschaft, Sozialversicherungen und Bürokratie. Die Stärkung der KMU, neue Arbeitsplätze, Reformen in der AHV und der IV sowie ein schlankerer Staat und weniger Steuern waren die Hauptforderungen, auf welche die FDP ihren Wahlkampf aufbaute
[23].
Bereits im September des Vorjahres hatte die FDP die
Bürokratie-Initiative lanciert, mit der sie sich im Wahlkampf zusätzliche Aufmerksamkeit erhoffte. Das Begehren fordert einfache und verständliche Gesetze und unbürokratische Verfahren. Die Unterschriftensammlung verlief allerdings recht harzig und das Ziel, die Initiative noch vor den Wahlen einzureichen, wurde deutlich verpasst. Ende des Berichtjahrs lief die Unterschriftensammlung noch
[24].
Die ausser in den Kantonen Basel-Stadt und Waadt abgeschlossene Fusion der FDP mit den Liberalen brachte bei den
Nationalratswahlen nicht die erhoffte Entspannung und das Wahlziel wurde deutlich verpasst. Erneut mussten die Freisinnigen Wählerverluste in Kauf nehmen. Unter Berücksichtigung der summierten Anteile von FDP und LP bei den Wahlen 2007 ging der Wähleranteil des liberalen Lagers um 2,5 Prozentpunkte zurück und liegt neu bei 15,1% (2007 LP: 1,9%; FDP: 15,8%). Damit konnte der seit 30 Jahren anhaltende Rückgang der Wählergunst erneut nicht aufgehalten werden und die FDP schloss abermals mit dem schlechtesten Resultat ihrer Geschichte ab. In praktisch allen Kantonen musste der Freisinn dabei Verluste verkraften. In den Kantonen Wallis, Neuenburg und Genf allerdings profitierte die FDP von der Fusion mit den Liberalen und sie konnte ihren Wähleranteil hier im Vergleich zu 2007 steigern. Auch in den Kantonen Waadt und Basel-Stadt, wo die Fusion für 2012 geplant bzw. kein Thema ist, konnte die FDP leicht zulegen. Allerdings erreichte die einst stärkste Partei der Schweiz nur noch in zwei Nicht-Majorzkantonen mehr als 20% Wähleranteil: In den Kantonen Tessin und Neuenburg blieb die FDP zudem auch stärkste Partei. Die grössten Verluste musste der Freisinn in den Kantonen Appenzell Ausserrhoden (-20,5 Prozentpunkte), Uri (-13 Prozentpunkte), Bern (- 6,5 Prozentpunkte), Basel-Landschaft (-5,6 Prozentpunkte), Schaffhausen (-14,4 Prozentpunkte) und Graubünden (-7,2 Prozentpunkte) hinnehmen. In der Romandie (20,3%; 2007: 13,8%) weisen die Freisinnig-Liberalen neu eine etwas stärkere Verankerung auf als in der Deutschschweiz (13,1%; 2007: 15,6%) und sie blieben stark in ihrer traditionellen Hochburg Tessin (24,3%; 2007: 27,6%). Die Wählerverluste resultierten letztlich im Verlust eines Nationalratssitzes. Werden allerdings die Sitzverluste der LP mitgezählt, so verlor das liberale Lager insgesamt fünf Sitze. Den vier Sitzgewinnen in Genf und Neuenburg (jeweils dank der Fusion mit der LP) sowie in Zug und Schwyz, wo die FDP ihre vor acht Jahren an die Grünen bzw. an die SVP verlorenen Sitze dank Listenverbindungen mit der CVP bzw. der BDP zurückerobern konnte, standen die Sitzverluste in Bern, Nidwalden, Graubünden, Thurgau und im Tessin gegenüber. Die FDP verfügte damit in der grossen Kammer neu über 30 Mandate
[25].
Auch bei den Wahlen in den
Ständerat musste die FDP Verluste hinnehmen. Mit neu elf Mandaten in der kleinen Kammer musste der Freisinn zwar im Vergleich zu 2007 per Saldo lediglich einen Sitzverlust verkraften. Dies bedeutete aber erstens ein Rekordtief und zweitens gleich viele Sitze wie die SP, die zusammen mit der FDP neu die zweitstärkste Kraft in der kleinen Kammer stellt. Verteidigen konnte der Freisinn seine Ständeratssitze in den Kantonen Zürich (Gutzwiller), Luzern (Theiler), Obwalden (Hess), Glarus (Freitag), Appenzell Ausserrhoden (Altherr), Aargau (Egerszegi) und Neuenburg (Comte). Neu in den Ständerat zogen – den freisinnigen Sitz in ihrem jeweiligen Kanton verteidigend – Karin Keller-Sutter (SG), die trotz einer gegen sie gerichteten Kampagne der Weltwoche einen grossen Erfolg feierte, Joachim Eder (ZG) und – wenn auch nur äusserst knapp mit 763 Stimmen Vorsprung – Fabio Abate (TI). Im Kanton Graubünden konnte zudem der Sitz der nicht mehr angetretenen SVP erobert werden (Martin Schmid). Historische Niederlagen musste die FDP hingegen in den Kantonen Solothurn und Schaffhausen hinnehmen. In beiden Kantonen konnte der Ständeratssitz, den man in Solothurn seit 163 Jahren inne gehabt hatte, nicht gehalten werden. Mit dem Verlust in Schaffhausen war der dortige Freisinn erstmals seit 1848 nicht mehr in Bern vertreten. Keine Chance auf einen Sitzgewinn hatten die Freisinnigen Kandidierenden schliesslich in den Kantonen Bern (weder im Frühjahr für die Ersatzwahl von Bundesrätin Sommaruga noch im Herbst), Schwyz, Freiburg, Basel-Stadt, Thurgau, Waadt, Wallis, Genf und Jura
[26].
Die Atomkatastrophe in Fukushima wurde in den Medien auch als Menetekel für die
Bundesratswahlen herangezogen. Da die FDP sich weniger dezidiert gegen die Atomenergie geäussert habe, sei nicht so sehr der Sitz von BDP-Bundesrätin Widmer-Schlumpf gefährdet, die auf die Unterstützung der Anti-Atomkraft-Parteien zählen könne, sondern einer der beiden FDP-Sitze. Als besonders wacklig wurde der Sitz von Johann Schneider-Ammann betrachtet, da dieser aufgrund seiner Kommunikation in der Frankenkrise stark kritisiert wurde. Bei den Wahlen Mitte Dezember erfolgte denn auch ein Angriff der SVP auf den Sitz von Schneider-Ammann, der jedoch wie zuvor sein Parteikollege in der Exekutive, Didier Burkhalter, im ersten Wahlgang bestätigt wurde. Damit verfügten die Freisinnigen nach wie vor über zwei Bundesratssitze
[27].
Auch bei den
kantonalen Gesamterneuerungswahlen, die im Berichtsjahr in sieben Kantonen (AI, AR, BL, FR, LU, TI und ZH) stattfanden, musste die FDP Verluste verkraften. Insgesamt gab der Freisinn in diesen sieben Kantonen 26 Parlamentsmandate und einen Regierungssitz ab. In den drei Kantonen Basel-Landschaft, Luzern und Zürich verlor die FDP je sechs Legislativsitze: In
Basel-Landschaft gar ein Viertel ihrer Wählerschaft (neu: 15,2% und 14 Sitze). Die beiden Landratssitze konnten jedoch knapp verteidigt werden. Im Kanton
Zürich hielt die FDP nach den kantonalen Wahlen noch 23 Sitze, was einer Halbierung der Sitzzahl innert 16 Jahren gleichkam (12,9% Wähleranteil). Der Verlust der sechs Mandate und der drei Prozentpunkte im Vergleich zu 2007 waren eine grosse Enttäuschung. Man habe ein Glaubwürdigkeitsproblem, da man sich zwar auch für die derzeit wichtigen ökologischen Themen einsetze, dies bei der Wählerschaft aber offenbar nicht ankomme, gab Kantonalpräsident Beat Walti zu Protokoll. Trösten konnte man sich in Zürich mit dem guten Abschneiden der beiden amtierenden Regierungsräte. Auch im Kanton
Luzern musste die FDP einen Verlust von sechs Sitzen verkraften. Mit neu 18,9% Wähleranteil (-4 Prozentpunkte) und 23 Mandaten wurde sie von der SVP als zweitstärkste Kraft im Luzerner Kantonsrat abgelöst. Ihren Regierungssitz konnte sie allerdings verteidigen. Im Kanton
Tessin wurde einer der letzten FDP-Hochburgen geschleift. Mit 25,2% (-4,2 Prozentpunkte) und 23 Sitzen (-4 Mandate) blieb die FDP zwar knapp vor der Lega stärkste Fraktion, musste aber einen ihrer beiden Regierungssitze an die rechtskonservative Regionalpartei abgeben. Seit der Verkleinerung der Tessiner Regierung auf fünf Sitze im Jahr 1923, hatte der Freisinn immer über zwei Regierungssitze verfügt. Im Kanton
Appenzell Ausserrhoden blieb die FDP ebenfalls stärkste Fraktion, aber auch hier musste sie zwei Sitze abgeben (neu 24 Mandate). Die vier Appenzeller FDP-Regierungsräte wurden zwar bestätigt, allerdings stellte die Partei erstmals in ihrer Geschichte nicht den Landammann. Auch im Kanton
Freiburg verloren die Freisinnigen aufgrund eines Rückgangs des Wähleranteils um 3,3 Prozentpunkte zwei Sitze (neu: 15,3%, 17 Mandate). Im Staatsrat konnte der einzige Sitz zwar verteidigt werden, der Angriff auf ein frei werdendes Regierungsmandat blieb jedoch erfolglos. Viele FDP-Vertreterinnen und Vertreter erklärten sich die kantonalen Niederlagen mit einem Fukushima-Effekt. Die schwache Präsenz der FDP in der Umweltpolitik und der Einsatz gegen das Verbandsbeschwerderecht hätten sich hier gerächt. Insgeheim wurde die Schuld aber auch der nationalen Mutterpartei zugeschoben, die es verpasst habe, die energiepolitische Wende mitzugehen und ihr Image als Partei der Hochfinanz zu bekämpfen
[28].
Im Zuge der Diskussion um die
Parteienfinanzierung machte sich die FDP mit einem Spendenkodex für mehr Transparenz stark. Damit wollte sie auch gegen den Ruf ankämpfen, am Tropf der Wirtschaft zu hängen. Durch die Befolgung des Kodex‘ werde der Einfluss von Spendern dadurch gemindert, dass eine Einzelspende nicht mehr als 1/15 des Jahresbudgets überschreiten dürfe. Dies entspreche einer Summe von CHF 200 000. Die Regelung soll auch für Abstimmungskampagnen gelten. Allerdings werden die Namen der Spender weiterhin nicht publik gemacht
[29].
Im Januar des Berichtsjahres trat die FDP mit Vorschlägen zur
Migrationspolitik vor die Medien. Im Hinblick auf die aufgrund der Unruhen in Nordafrika zu erwartende Zunahme von Einwanderungen sei eine Verschärfung der Regulierung anzustreben. Die Immigration aus Drittstaaten müsse eingeschränkt werden, was insbesondere mit einer Erschwerung des Familiennachzugs erreicht werden solle. Nur wer keine Sozialhilfe beziehe, soll in Zukunft seine Familie in die Schweiz holen dürfen. Zudem sollen Asylverfahren beschleunigt und Rückführungen konsequenter durchgesetzt werden. Allerdings müsse die Zuwanderung von qualifizierten Einwanderern verstärkt gefördert werden. Das Positionspapier, das unter der Federführung von Philipp Müller (AG) entstanden war, stiess parteiintern auf Widerstand. FDP-Vertreter aus der lateinischen Schweiz, wie etwa Dick Marty (TI) oder Claude Ruey (VD), erinnerten an die humanitäre Tradition der FDP und des Landes. Am Parteitag Mitte Februar in Zürich sprach sich die Mehrheit der Delegierten jedoch für eine härtere Gangart aus. In der Folge reichte die FDP Ende September sieben Motionen zur Asylpolitik ein. Sie distanzierte sich allerdings deutlich von der SVP-Masseneinwanderungsinitiative, durch die sie die Personenfreizügigkeit und somit die Schweizer Wirtschaft gefährdet sah
[30].
Eine härtere Gangart forderte die FDP auch in der
Kriminalitätsbekämpfung. Jugendgewalt und Internetkriminalität müssten entschieden bekämpft werden. Als griffige Massnahmen verlangte die Partei Ende Juni an einem Treffen in Bern die Haftung der Eltern für randalierende Kinder, den raschen Strafvollzug für jugendliche Straftäter und die Ausschöpfung des Jugendstraffrechts. Darüber hinaus sollten Jugendstraftäter mit Migrationshintergrund zu Integrations- und Deutschkursen gezwungen werden können. Die Internetkriminalität müsse mit mehr Aufklärung in der Schule und einer besseren Koordination zwischen den Kantonen angegangen werden. Datenschutz müsse bei der Bekämpfung von Internetverbrechen zweitrangig sein
[31].
Bereits im Januar machte die FDP Vorschläge, wie mit dem
starken Franken umgegangen werden könnte. Erfolgversprechender als eine interventionistische Politik sei die Bekämpfung der Produktionskosten im Inland. So sollten etwa Gewinnsteuern gesenkt und die Mehrwertsteuer einheitlich auf 5,5% verringert werden. Die Haltung des Freisinns zum 2-Milliarden-Paket des Bundesrats für die Wirtschaft war gespalten. Einerseits sprach man sich für kurzfristige Hilfsmassnahmen aus, andererseits herrschte Uneinigkeit darüber, wie diese auszusehen hätten. Langfristig wichtig sei eine „wirtschaftliche Fitnesskur“, wie sie etwa mit der Bürokratie-Initiative angeregt werde
[32].
Die Atomkatastrophe im Japanischen Fukushima führte auch bei den Freisinnigen, welche die Kernenergie vor dem GAU als unverzichtbar eingeschätzt hatten, zu einer eigentlichen Kehrtwende in der
Energiepolitik. Allerdings benötigte die Partei – im Gegensatz etwa zur CVP – für das Umdenken relativ lange, das denn auch nicht ganz so radikal ausfiel. Mitte März kündigte die Parteispitze die Erarbeitung verschiedener Szenarien an, wobei ein Ersatz von Kernkraftwerken als nicht mehrheitsfähig betrachtet wurde. Mitte April trafen sich rund 60 freisinnige Energiepolitiker in Bern, um eine Lagebeurteilung vorzunehmen und die Grundlagen für ein Positionspapier zu erarbeiten. Aus der internen Debatte resultierte eine Vier-Säulen-Strategie, die Anfang Juni unter dem Slogan „liberaler Umbau der Energieversorgung“ präsentiert wurde: Bestehende AKWs sollten während der vorgesehenen Laufzeit in Betrieb gehalten werden, ein Neubau von AKWs der momentanen Reaktorgeneration sei auszuschliessen, Energieeffizienz und erneuerbare Energien seien zu fördern – etwa mit erleichterten Vorschriften für private Solaranlagen – und in zehn Jahren (2022) solle eine Volksabstimmung über den erwünschten Energiemix stattfinden. Die Versorgungssicherheit – so die Quintessenz des Papiers – müsse auf jeden Fall gewährleistet bleiben. Ein blinder sofortiger Ausstieg sei keine Option. Es seien alle Alternativen, insbesondere auch ein Weg ohne „Technologieverbot“ zu prüfen. Bei der Abstimmung über die Motion zum AKW-Ausstieg in der Sommersession enthielten sich die FDP-Nationalräte der Stimme
[33].
An der Delegiertenversammlung Anfang Mai in Luzern forderte die FDP in einer Resolution rasche Massnahmen bei den
Sozialversicherungen. Ergänzend zur laufenden Reform der AHV seien das Rentenalter 65 für Mann und Frau und eine Schuldenbremse einzurichten. Darüber hinaus solle die IV-Revision möglichst rasch umgesetzt werden. Bei der beruflichen Vorsorge wollte sich die FDP für die Erhaltung des Kapitaldeckungsverfahrens einsetzten
[34].
Weil die Tessiner FDP eine Amtszeitbeschränkung von 16 Jahren für Volksvertreter kennt, hätte Fulvio Pelli (TI) eigentlich nicht mehr zu den Nationalratswahlen antreten dürfen. Die Statuten sehen allerdings Sonderbewilligungen vor, die dem
Parteipräsidenten und Aushängeschild der Tessiner FDP vom Parteivorstand auch gewährt wurden. Pelli selber kündigte an, so lange im Nationalrat zu bleiben, wie er Präsident sei. Er war aufgrund der gehäuften Niederlagen seiner Partei bei kantonalen Wahlen und der intransparenten Kommunikation in seiner Funktion als Verwaltungsratspräsident bei der Tessiner Kantonalbank auch in der Südschweiz nicht unumstritten. Seine äusserst knappe Wiederwahl in den Nationalrat – 54 Stimmen verhalfen ihm dazu – liess die Kritiker ebenfalls nicht verstummen. Pelli selber gab nach der Niederlage bei den eidgenössischen Wahlen bekannt, im April 2012 sein Amt abzugeben. Dies habe er bereits vor zwei Jahren beschlossen. Als potentielle Nachfolgerinnen und Nachfolger wurden Karin Keller-Sutter (SG), Philipp Müller (AG), Christian Wasserfallen (BE), Ruedi Noser (ZH) und Andrea Caroni (AR) ins Spiel gebracht. Keller-Sutter kündigte früh an, dass für sie das Amt als Parteipräsidentin mit jenem als Ständerätin unvereinbar sei. Eine Findungskommission wurde im Dezember eingesetzt und als Wahltermin der 21. April 2012 festgelegt
[35].
Zum 100-jährigen Jubiläum des
Internationalen Tags der Frau am 8. März verteilten die FDP-Frauen an 400 Unternehmen und an Bundesrat Schneider-Ammann rote Teppichreste, an welche die Forderung geheftet war, den Zugang für Frauen in die Teppichetagen zu fördern. Eigentlich sei man als Liberale gegen Quoten, bei lediglich 3% Frauenanteil in den Geschäftsführungen der wichtigsten Schweizer Unternehmen müsse man sich aber Massnahmen zur raschen und effizienten Frauenförderung überlegen
[36].
Im Vorfeld der kantonalen Wahlen in Zürich wurde in der Sonntagszeitung ein brisanter parteiinterner Streit kolportiert. 2006 hätte sich die Zürcher Kantonalsektion gegen die Aufnahme des damals aus der Grünen Partei ausgetretenen
Martin Bäumle (glp) in die FDP-Fraktion gestellt, obwohl die nationale Partei dies befürwortet hätte. Nationalrat Ruedi Noser (ZH) warf Nationalrätin Doris Fiala (ZH), damals Kantonsrätin vor, die Aufnahme von Bäumle verhindert zu haben, weil sie den Verlust des eigenen guten Listenplatzes bei den nationalen Wahlen 2007 befürchtet habe. Die FDP hätte – so Noser gemäss „Sonntagszeitung“ – heute weniger Konkurrenz zu fürchten, hätte man Bäumle damals aufgenommen
[37].
2008 hatten die Delegierten der
Liberalen Partei und der FDP die
Fusion beschlossen, die 2009 vertraglich geregelt wurde. Es wurde eine Übergangsfrist bis 2015 vorgesehen, während derer die Fusion in allen Kantonen umgesetzt werden sollte. Während der Zusammenschluss in den Kantonen Wallis und Neuenburg noch 2008 vollzogen worden war, stand die liberal-radikale Fusion im Berichtsjahr in den Kantonen Basel-Stadt, Genf und Waadt weiterhin aus. Im Kanton Basel-Stadt ist eine Fusion vorderhand kein Thema (siehe unten, LPS), im Kanton Waadt ist sie für 2012 geplant. Im Kanton Genf wurde der offizielle Akt nach rund zweijährigen Vorverhandlungen im Mai des Berichtsjahres – also noch vor den Nationalratswahlen – vollzogen. Der Parti Libéral Genevois (PLG) und der Parti Radical Genevois (PRG), beide mehr als hundert Jahre alt, gaben ihre Eigenständigkeit und ihre Namen am 24. Mai zugunsten des neuen Parti libéral-radical (PLR) auf. Die Fusion in Genf ging allerdings nicht ohne Nebengeräusche über die Bühne. Viele Delegierte sprachen von einer Vernunftheirat ohne Enthusiasmus. Dennoch stimmten die Abgeordneten beider Parteien (PLG: 213 zu elf Stimmen und zwei Enthaltungen; PRG: 149 zu 19 Stimmen bei drei Enthaltungen) letztlich deutlich für den Zusammenschluss. Der neue Präsident der Partei – Alain-Dominique Mauris – wurde Ende Mai per Akklamation gewählt
[38].
[22]
BaZ, 5.1.11;
24h, 13.1.11;
NZZ, 5.2.11.
[23]
24h, 13.1.11; Presse vom 18.2.11; vgl.
SPJ 2010, S. 360.
[24]
TA, 27.6.11; vgl.
SPJ 2010, S. 360.
[25] Presse vom 24.–26.10.11;
Lit. BFS, vgl. oben Teil I, 1e (Eidgenössische Wahlen) und die detaillierten Resultate im Anhang.
[26]
Bund, 23.2.11; Presse vom 24.10., 28.10., 13.11., 21.11., 28.11. und 5.12.11;
NZZ, 7.12.11; vgl. oben Teil I, 1e (Eidgenössische Wahlen). In den Kantonen UR, NW, BL und AI war die FDP nicht zu Ständeratswahlen angetreten.
[27]
SZ, 29.3.11; Presse vom 15.12.11; vgl. oben, Teil I, 1c (Regierung).
[28] BL:
AZ, 29.3.11; ZH:
AZ, 29.3.11;
NZZ, 4.4.11 (Walti);
TA,
NZZ und
SGT, 5.4.11; LU:
TA, 11.4.11; TI:
TA, 11.4.11; mehrere Kantone zusammen:
SGT, 19.4.11; vgl. oben Teil I, 1e (Wahlen in kantonale Parlamente / Wahlen in kantonale Regierungen) und den detaillierten Anhang; im Kanton Appenzell Innerrhoden, in dem ebenfalls kantonale Wahlen stattfanden, war die FDP nicht aktiv; vgl. oben Teil I, 1e (Wahlen in kantonale Parlamente).
[29]
Blick, 1.2.11; Presse vom 25.5.11.
[30] Presse vom 7.1.11;
QJ und
Lib., 31.1.11;
TG, 11.2.11;
CdT, 12.2.11; Presse vom 14.2.11;
WoZ, 31.3.11;
AZ, 27.9.11; Presse vom 11.10.11;
WW, 13.10.11.
[32]
NF, 22.1.11;
NZZ, 23.8.11.
[33] Presse vom 17.3.11;
Exp. 12.4.11;
NZZ, 13.4., 14.4. und 25.5.11; Presse vom 8.6.11; zur Sommersession vgl. oben Teil I, 6a (Kernenergie).
[35]
Lib. und
Blick, 23.4.11 (Sonderbewilligung);
SoS, 28.9.11 (Kantonalbank);
TA, 18.10.11;
AZ, 24.10.11;
SGT und
SoS, 25.10.11;
SoS und
AZ, 26.10.11;
BaZ und
SoS, 27.10.11;
TA und
NZZ, 29.10.11;
SoS, 7.11.11; Presse vom 9.12. und 16.12.11;
NZZ, 28.12.11.
[38] Genf:
TG, 19.5.11;
LT, 20.5.11;
Lib., 21.5.11; Presse vom 24.5., 25.5., 26.5. und 31.5.11; Waadt:
24h, 27.10.11.
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