Année politique Suisse 2011 : Partis, associations et groupes d'interêt / Partis
Christlichdemokratische Volkspartei (CVP)
Bei den nationalen Wahlen nahm sich die CVP vor, in jenen Kantonen zu punkten, in denen sie noch nicht stark vertreten war. Zum obersten
Ziel
der eidgenössischen Wahlen erklärte sie einen Wähleranteil von 17% und damit auch die Rückeroberung des zweiten, 2003 verlorenen Bundesratssitzes. Zudem wolle man die stärkste Kraft im Ständerat bleiben. Nicht emotionale, auf Missstände fokussierte Boulevard-Debatten, sondern sachpolitische Diskussionen wollte die CVP im Wahljahr führen. Mit einem
Budget von CHF 3 Mio. und den Familien-Initiativen wollte die CVP vor allem auch Wählerinnen und Wähler von Mitte-Links überzeugen. Zur Führung der Wahlkampagne bestimmte die CVP eine leitende Kommission, bestehend aus den Nationalräten Gerhard Pfister (ZG) und Luc Barthassat (GE) sowie dem Parteipräsidenten Christophe Darbellay (VS)
[39].
Die
Wahlplattform der CVP wurde an der Delegiertenversammlung am 22. Januar in Pratteln vorgestellt. Als Kernthemen wurden Familie, Wirtschaft, Sicherheit und Umwelt festgehalten. Betreuungsgutschriften und -plätze für Kinder, ein stabiles Rechts- und Währungssystem, die Pflege des dualen Bildungssystems und Versorgungssicherheit bei der Energie und in der Landwirtschaft waren die hauptsächlichen Forderungen. Darüber hinaus wollte sich die CVP für ein Rentenalter von 65 Jahren für Mann und Frau und für eine Entlastung der Familien bei den Krankenversicherungskosten einsetzen. Bei der Energiepolitik sprach sich die Partei im Januar noch gegen einen Ausstieg aus der Atomenergie aus. Die Kampagne lief unter den Slogans „Erfolg. Schweiz. CVP“ und „Keine Schweiz ohne uns“
[40].
Im März sprang die CVP auf den Zug der Parteien auf, die eigentliche
Wahlkampfinitiativen lancierten. Hatten sich die Christdemokraten 2010 noch gegen die Instrumentalisierung direktdemokratischer Mittel im Wahlkampf ausgesprochen, kündigten sie im März 2011 gleich zwei eigene Initiativen zum Kernthema Familie an: Die eine verlangt die Beseitigung der Diskriminierung von Ehegatten im Vergleich zu Konkubinatspaaren bei der Besteuerung und der AHV. Die andere zielt auf die Steuerbefreiung der Kinderzulagen ab. Lanciert wurden beide Anfang Mai an der Delegiertenversammlung in Chur. Die Parteileitung betonte, dass es sich bei den Vorstössen nicht um „Wahlgags“ handle, sondern dass man damit Kernanliegen durchsetzen wolle. Seit Jahrzehnten hätte die CVP keine Initiative mehr lanciert, da sie 90% ihrer Forderungen im Parlament durchbringe
[41].
Das Ziel eines Wähleranteils von 17% wurde bei den
Wahlen für den Nationalrat deutlich verfehlt. Die CVP schrieb 2,2 Prozentpunkte Verlust und wusste neu nur noch 12,3% der Wählerinnen und Wähler hinter sich, was den geringsten Anteil in ihrer Geschichte bedeutete. Zwar konnte die CVP tatsächlich wie geplant in denjenigen Kantonen etwas zulegen, die nicht als Hochburgen gelten: etwa in Schaffhausen (+5,2 Prozentpunkte), Neuenburg (+0,1 Prozentpunkte) oder in Genf (+0,1 Prozentpunkte). Im Kanton Jura, wo der vor vier Jahren an die SVP verlorene Sitz zurückerobert werden konnte, legte die CVP gar um 8,3 Prozentpunkte zu. Die Verluste in den Stammlanden waren aber auch 2011 hoch. So verringerte sich in den Kantonen Freiburg und Wallis sowie im Tessin der Wähleranteil jeweils um mehr als 4 Prozentpunkte. Im Wallis (39,9%) im Jura (33,2%) und in Luzern (27,1%) blieb die CVP allerdings wählerstärkste Partei. Im sprachregionalen Vergleich fand die CVP in der italienischsprachigen Schweiz (20,3%) etwas mehr Rückhalt als in der Romandie (13,4%) und in der Deutschschweiz (11.5%). Die Wählerverluste resultierten in total drei Sitzverlusten, wobei ein Sitz bereits vor den Wahlen aufgrund des Parteiwechsels von Thomas Müller (SG) zur SVP verloren gegangen war (siehe unten). Neben dem Kanton Jura konnte die CVP auch im Kanton Basel-Stadt dazugewinnen. Der dortige Sitzgewinn resultierte aufgrund einer geschickten Listenverbindung mit BDP, EVP und GLP, aus der die CVP knapp als stärkste Partnerin hervorging. Diesem Erfolg standen jedoch Verluste in Zürich, Bern und Wallis (je -1 Sitz) sowie im Kanton Aargau (-2 Sitze) gegenüber. Mit insgesamt 28 Mandaten blieb die CVP im Nationalrat die viertstärkste Kraft
[42].
Immerhin wurde das Ziel, stärkste Partei der kleinen Kammer zu bleiben, erreicht. Allerdings mussten auch bei den
Ständeratswahlen Verluste verkraftet werden. Mit insgesamt dreizehn Mandaten präsentierte sich die CVP zwar um zwei Sitze stärker als die FDP und SP (je elf Sitze), musste aber im Vergleich zu 2007 per Saldo zwei Mandate abgeben. Den Urner Sitz hatte die Partei bereits bei den Ersatzwahlen 2010 an die GLP verloren. Bei den ordentlichen Wahlen büsste sie zudem beide Sitze in den Kantonen Schwyz und St. Gallen ein. In Schwyz konnte der langjährige Ständerat Bruno Frick seinen Sitz nicht gegen die Angriffe der SVP halten. Im Kanton St. Gallen fiel der Sitz der CVP der SP zu. Auch hier verteidigte mit Edgar David ein langjähriger Ständerat seinen Sitz erfolglos. David trat nicht mehr zum zweiten Wahlgang an und mit ihrem Ersatzkandidaten war die CVP gegen die Angriffe von links und rechts chancenlos. Dass sie im Vergleich zu 2007 nicht drei Mandatsverluste beklagen musste, verdankte sie Pirmin Bischof, der den Sitz der FDP im Kanton Solothurn erobern konnte. Ihre Sitze verteidigen konnte die CVP zudem in den Kantonen Luzern (Graber), Nidwalden (Niederberger), Zug (Bieri), Freiburg (Schwaller), Appenzell Innerrhoden (Bischofberger), Tessin (Lombardi), Wallis (Fournier und Imoberdorf) und Jura (Seydoux). Neue CVP-Kantonsvertreter verteidigten den Sitz ihrer Partei in den Kantonen Uri (Isidor Baumann), Graubünden (Stefan Engler) und Thurgau (Brigitte Häberli). Chancenlos waren die Christlichdemokraten in den Kantonen Zürich, Bern, Basel-Landschaft, Aargau, Waadt, Neuenburg und Genf
[43].
Aufgrund des schlechten Abschneidens bei den Nationalratswahlen war rasch klar, dass die CVP nicht wie geplant einen Anspruch auf einen zweiten Bundesratssitz erheben konnte. Gleichzeitig war der Sitz von Doris Leuthard unbestritten. Die Christdemokraten spielten bei den
Bundesratswahlen dann vielmehr das Zünglein an der Waage. Rasch wurde klar, dass die intensivierten Gespräche mit der BDP auch die Unterstützung von deren Bundesrätin Widmer-Schlumpf beinhaltete. Diese verdankte ihre Wiederwahl denn auch zu einem nicht unbedeutenden Teil der CVP-Fraktion. Die CVP-Bundesrätin ihrerseits wurde als erste in der Wahlabfolge mit glanzvollen 216 von 227 gültigen Stimmen bestätigt
[44].
Auch bei den in sieben Kantonen anstehenden
Gesamterneuerungswahlen musste die CVP teilweise empfindliche Verluste einstecken. Einem eigentlichen Debakel kamen die Wahlen in
Zürich gleich. Nicht nur der Verlust von vier Sitzen (neu: 9 Sitze) und 2,3 Prozentpunkten der Wählerschaft (neu: 4,9%), sondern vor allem auch die völlig unerwartete Abwahl des amtierenden Regierungsrates Hans Hollenstein waren schwierig zu verkraften und führten zu parteiinternen Schuldzuweisungen. In der Folge trat CVP-Kantonspräsident Markus Arnold zurück und wurde im Mai durch Nicole Brandun ersetzt. Auch in zwei ihrer Hochburgen verzeichnete die CVP dramatische Sitzverluste. In
Luzern verlor sie sieben Mandate, blieb allerdings mit 39 Sitzen stärkste Fraktion. Auffallend viele Wählerinnen und Wähler ländlicher Gebiete kehrten der Partei den Rücken (neu 31,3%; -6 Prozentpunkte). Ein kleiner Trost war die Bestätigung der bisherigen Regierungsräte Guido Graf im ersten und die Wahl des neu antretenden Reto Wyss im zweiten Wahlgang. Nach den Verlusten in Zürich und Luzern wurde Kritik aus den eigenen Reihen laut. Die Niederlagen wurden auf einen Japan-Effekt oder die zu kompromissbereiten Positionen der Partei zurückgeführt. Statt schwammige Familienpolitik zu betreiben, solle sich die Partei besser als Mittelstandspartei auf wichtige Kernthemen konzentrieren und ihr Profil schärfen. Die Verluste wurden aber auch mit der grösseren Konkurrenz in der Mitte erklärt. Im Kanton
Freiburg blieb die CVP zwar stärkste Parlamentsfraktion, gab jedoch rund ein Sechstel der Sitze und ganze vier Prozentpunkte an Wählerstimmen ab (-6 Sitze neu: 31 Sitze und 26,6%). Trösten konnte sich die CVP mit der erfolgreichen Verteidigung der drei Freiburger Regierungsmandate. Im Kanton
Basel-Landschaft, wo die CVP traditionell eher schwach ist, kam es zu einem weiteren Bedeutungsverlust. Nach dem Verlust von drei Mandaten und 2,9 Prozentpunkten an Wählerstimmen hatten die Christdemokraten im Landrat lediglich noch acht Sitze (9,3% Wähleranteil). Allerdings konnte die CVP ihren Baselbieter Regierungssitz verteidigen. Auch aus dem
Tessin kamen keine Erfolgsmeldungen. Hier gab die CVP mit einem Verlust von 2,7 Prozentpunkten an Wählerstimmen zwei Sitze ab (neu 19 Mandate und 20,5%), vermochte aber den Staatsratssitz zu verteidigen. Im Kanton
Appenzell Ausserrhoden hielt die CVP ihre drei Parlamentssitze und im Kanton
Appenzell Innerrhoden blieb man alleinige Regierungspartei und dominierende Kraft im Grossen Rat. Insgesamt verlor die CVP im Berichtsjahr damit in sechs Kantonen (ohne AI) 22 Parlamentsmandate und mit der Abwahl von Hans Hollenstein (ZH) einen Regierungsratssitz
[45].
Parteiintern umstritten war die Position der CVP zur
Waffenschutzinitiative. Hatte sich der Vorstand der CVP-Frauen noch im Dezember 2010 für eine Annahme ausgesprochen, beschloss der Parteivorstand, dem auch die frühere Präsidentin der CVP-Frauen Ida Glanzmann angehörte, dann jedoch die Nein-Parole. An ihrer Versammlung vom 22. Januar folgten die Delegierten knapp mit 149 zu 110 Stimmen dem Vorstand. In der Folge sprachen sich neben den CVP-Frauen auch einige Kantonalsektionen für das Begehren aus: Die CVP der Kantone Zürich , Bern, basel-Stadt, Appenzell Ausserrhoden und Waadt empfahlen alle die Initiative zur Annahme. In anderen Kantonen kam es teilweise zu sehr knappen Nein-Empfehlungen
[46].
Die 2010 durchgeführte Mitgliederbefragung zur Bedeutung des
C im Namen der Partei brachte hervor, dass die Parteibasis christlichen Werten eine zentrale Bedeutung zumisst. Die Auswertung des Berichts zählt die Menschenwürde, die individuelle Eigenverantwortung, Subsidiarität und Solidarität zum zentralen immanenten Sinngehalt des C. Es seien diese Werte, die die Partei mit dem C vertrete und nicht die Bindung zu einer Kirche oder bestimmten Konfession. Nach den Niederlagen bei den kantonalen Wahlen in Zürich und Luzern wurde eine Eliminierung des C allerdings erneut diskutiert. Für Reformierte sei die CVP nicht wählbar, da das C zu stark mit Katholizismus und Papsttum assoziiert werde
[47].
Hatte die CVP im Januar bei der Veröffentlichung der Wahlpositionen in der
Energiepolitik noch auf den Bau neuer Atomkraftwerke gesetzt, schwenkten einige CVP-Nationalräte im April auf eine atomfreie Zukunft um. Eine Motion ihres Parteikollegen Roberto Schmidt (VS), die den schrittweisen Ausstieg aus der Atomenergie verlangt, wurde von mehreren CVP-Nationalräten mitunterzeichnet. Mit einer deutlicheren Position in der Energiefrage wollte man auch auf die Verluste bei den kantonalen Wahlen in Zürich und Luzern, wo viele Wählerinnen und Wähler an die GLP verloren gegangen waren, reagieren. Nachdem CVP-Bundesrätin Doris Leuthard im Mai den als historisch gefeierten Atomausstieg der Schweiz propagiert hatte, gelang es der Parteispitze innerhalb kurzer Zeit, eine klare parteiinterne Mehrheit für die Ausstiegspläne zu schaffen. Bei der Abstimmung zur Motion im Nationalrat am 8. Juni stimmte die Fraktion fast geschlossen für einen Atomausstieg. Allein Arthur Loepfe (AI) stimmte dagegen und drei Aargauer Abgeordnete enthielten sich der Stimme (Egger-Wyss, Zemp, Humbel). Der rasche Umschwung wurde der Partei allerdings auch zum Vorwurf gemacht. Die CVP beweise in der Energiefrage eine gewisse Wendigkeit. So stiess auch ihr Vorschlag, als Alternative zum Atomstrom über den Autobahnen Photovoltaikdächer zu montieren, in der Presse eher auf Skepsis
[48].
In der
Gesundheitspolitik setzte sich die CVP für die Abschaffung des Numerus clausus beim Medizinstudium ein. Es gehe nicht an, dass immer mehr ausländische Ärzte in der Schweiz tätig seien, der Ausbildung inländischen Ärztenachwuchses aber gleichzeitig ein Riegel geschoben werde. CVP-Nationalrätin Brigitte Häberli (TG) reichte im Juni eine entsprechende Motion ein
[49].
Uneinig war man sich in der CVP bei der
Militär- und Sicherheitspolitik. CVP-Stände- und Nationalräte beurteilten Fragen wie die Höhe der Verteidigungsausgaben, die Grösse der Armee und den Zeitpunkt für die Beschaffung der neuen Kampfflugzeuge äusserst unterschiedlich. Parteipräsident Darbellay ärgerte sich öffentlich über die „Armeefreunde“ in der kleinen Kammer, die für eine Aufstockung des Budgets und eine rasche Beschaffung der Flugzeuge votierten, nachdem sich die Partei in ihrer Wahlplattform für eine schlanke Armee ausgesprochen hatte. Schliesslich sorgten im Herbst dann aber auch rund drei Viertel der CVP-Nationalräte dafür, dass dem höheren Armeebudget zugestimmt wurde (vgl. auch Teil I, 3, Rüstung)
[50].
In Anbetracht der zunehmenden Christenverfolgung in Ländern des arabischen Raums schlug die CVP vor, Entwicklungshilfe zukünftig von der Beachtung von
Menschenrechten und
Religionsfreiheit abhängig zu machen. Länder, in denen Christen verfolgt würden, wie beispielsweise Ägypten, Pakistan oder Afghanistan sollten keine Entwicklungsgelder mehr erhalten
[51].
Mit Kritik an Bundesrat Schneider-Ammann wollte die CVP ihren Standpunkt zum
starken Franken einbringen. Die als zögerlich bezeichnete Politik des FDP-Bundesrates war Gegenstand verschiedener Medienauftritte von CVP-Präsident Darbellay. Die Parteispitze traf sich Mitte August und forderte einen runden Tisch. An der Versammlung in Wil Ende August äusserten sich die Delegierten skeptisch zum vom Bundesrat vorgeschlagenen Hilfspaket für die Wirtschaft. Es werde konzeptlos und ohne klare Kriterien Geld ausgeschüttet. Zudem hätten die Vorschläge präjudizierende Wirkung: Bei künftigen Krisen würde der Bund unter Druck geraten, noch mehr Geld zu verteilen
[52].
Nicht nur mit ihren beiden Initiativen, sondern auch mit weiteren Forderungen bekräftigte die CVP ihren Anspruch als Leaderin in der
Familienpolitik. An ihrem Parteitag in Wil Ende August verabschiedeten die CVP-Delegierten eine Resolution, mit der sie auf eine Stärkung der Familie zielten. Unbezahlter Elternschaftsurlaub, finanzielle Entschädigung für die Pflege von Angehörigen, Kindergeld, staatliche Angebote zur Elternbildung und eine bessere Infrastruktur für die ausserschulische Betreuung von Kindern wurden gefordert. Zudem setzten sich CVP-Parlamentarier verstärkt für einen Familienartikel in der Bundesverfassung ein
[53].
Die CVP thematisierte im Weiteren den
Hooliganismus im Sport. In einem Positionspapier forderte sie ein härteres Vorgehen gegen randalierende Sportfans und eine verbindlichere Haltung der Swiss Football League: Bei Ausschreitungen oder dem Abbrennen von Pyros sollten Spiele konsequent abgebrochen oder erst gar nicht angepfiffen werden. Die Sportvereine müssten mehr Verantwortung übernehmen und Ziel müsse ein nationales Gesetz zum Hooliganismus sein
[54].
Mit einem kurz vor den Wahlen veröffentlichten Positionspapier zur
Städtepolitik wollte sich die CVP auch bei der urbanen Bevölkerung in Erinnerung rufen. Die Partei forderte verdichtete Bebauung der Städte. Mit Selbstbedienungsvelos solle der Langsamverkehr gefördert werden. Zusätzliche Polizisten sollen für mehr Sicherheit sorgen und die familienergänzende Kinderbetreuung soll auch mittels zusätzlicher Krippenplätze verbessert werden. Zudem müssten die Zentrumslasten besser abgegolten werden. Die CVP verhehlte allerdings nicht, dass sie der letzten Forderung in der vergangenen Legislatur keine hohe Priorität eingeräumt habe
[55].
Für Unmut sorgte der
Parteiwechsel von Thomas Müller (SG) von der CVP zur SVP. Die via Medien verbreitete Ankündigung Müllers wurde als stillos bezeichnet. Der amtierende Nationalrat wurde in der Folge von seiner Partei, bei der er über 40 Jahre Mitglied war, aufgefordert, sein Nationalratsmandat in der Frühlingssession abzugeben. Müller weigerte sich allerdings und verteidigte seinen Sitz bei den Wahlen im Herbst erfolgreich – für die SVP. CVP-interne Missstimmung wurde in der Folge auch für Übertritte in den Kantonen Schwyz und Freiburg verantwortlich gemacht. Die Ankündigung der Demission von Reto Wehrli (SZ) im Februar wurde auf einen parteiinternen Streit über die Besetzung des Ständeratssitzes zurückgeführt. Im Kanton Freiburg legte Emanuel Waeber sein Amt als Parteipräsident im März per sofort nieder. Waeber strebte in der Folge ebenfalls einen Wechsel zur SVP an. Die Führung der Freiburger Sektion wurde ad Interim von Nationalrätin Thérèse Meyer und Ständerat Urs Schwaller übernommen. Die Dissidenten warfen der Parteileitung insbesondere vor, gegen den erklärten Willen der konservativen Kräfte einen dezidiert sozialliberalen Kurs zu verfolgen und damit den rechten Parteiflügel zu sehr zu vernachlässigen. Bereits 2010 waren die ehemalige Zürcher Kantonsrätin Susanne Brunner und der Bündner Grossrat Livio Zanolari von der CVP zur SVP übergelaufen
[56].
Nicht wie geplant konnte die Partei am 23. Juni ihre Feier des „Erfolgsmodells Zentralschweiz“ gestalten. Wie bereits früheren parteipolitisch gebundenen Interessenten wurde auch ihr beschieden, dass das ursprünglich als Versammlungsort bestimmte Rütli für Parteikundgebungen tabu sei. Im Gegensatz zur SVP, die sich etwas später der gleichen Weisung widersetzte, verzichtete die CVP auf einen illegalen Spaziergang zur Wiege der Eidgenossenschaft. Bundesrätin Leuthard hielt ihre Rede für die sechs Zentralschweizer CVP-Kantonalsektionen schliesslich auf einem Schiff, das vor dem Rütli vor Anker ging (siehe auch unten, SVP)
[57].
Die Luzerner Kantonalsektion der CVP gründete im Februar die Vereinigung
Christlich-Demokratischer Kosovaren (CDK). Ziel sei die Unterstützung der politischen Integration der zweiten Ausländergeneration. Zuvor war das Vorhaben bei einer parteiinternen Umfrage mehrheitlich begrüsst worden. Trotzdem wurden nach der Vereinsgründung parteiintern auch kritische Stimmen laut. Der Luzerner CVP-Präsident Martin Schwegler beschwichtigte, dass die Gründung der Vereinigung keinen Wandel in der Ausländerpolitik bedeute, die nach wie vor relativ strikt sei und auf die Sprache als wichtigsten Integrationsfaktor abstelle. Die Vereinigung hatte in der Folge regen Zulauf und ihre Exponenten kündigten an, in Zukunft auf Gemeindeebene politische Verantwortung übernehmen zu wollen
[58].
[39]
BaZ, 6.1.11;
TG, 14.1.11;
NZZ, 24.1. und 5.2.11;
NF, 10.2.11;
So-Bli, 17.4.11;
NZZ, 7.5.11;
So-Bli, 31.7.11;
24h, 8.8.11.
[40] Presse vom 24.1.11 und 10.2.11.
[41] Presse vom 10.2. und 26.3.11;
TA, 18.4.11;
NZZ und
Blick, 7.5.11; Presse vom 9.5.11; vgl.
SPJ 2010, S. 362 f.; laut
NZZ (9.5.11) war es in der 100-jährigen Geschichte der CVP erst das dritte Mal, dass die Partei eine Initiative lancierte.
[42] Presse vom 24.–26.10.11;
Lit. BFS, vgl. oben Teil I, 1e (Eidgenössische Wahlen) und die detaillierten Resultate im Anhang.
[43] Presse vom 24.10., 28.10., 13.11., 21.11., 28.11. und 5.12.11;
NZZ, 7.12.11; vgl. oben Teil I, 1e (Eidgenössische Wahlen); nicht zu den Ständeratswahlen angetreten war die CVP in den Kantonen OW, GL, BS, SH und AR.
[44] Presse vom 15.12.11; vgl. oben, Teil I, 1c (Regierung).
[45] ZH:
TA und
NZZ, 4.4.11;
NZZ, 7.4.11;
TA, 13.4.11;
SGT und
TA, 12.4.11;
SoS, 14.4.11;
TA, 16.5.11; LU:
TA, 11.4.11;
SGT und
TA, 12.4.11;
SoS, 14.4.11; vgl. oben Teil I, 1e (Wahlen in kantonale Parlamente / Wahlen in kantonale Regierungen) und den detaillierten Anhang.
[46]
Blick, 5.1.11; Presse vom 24.1.11; vgl.
SPJ 2010, S. 364.
[47]
Lib. 31.1.11;
SZ, 14.4.11; vgl. auch
SPJ 2010, S. 363.
[48]
Blick, 14.4.11; Presse vom 15.4.11; AZ, 1.6.11;
SN und
AZ, 9.6.11;
NZZ, 16.8.11 (Wendigkeit);
NLZ, 9.9.11;
TA, 21.9.11;
BaZ, 29.9.11 und 8.10.11 (Photovoltaikanklagen).
[49]
AZ, 18.6.11;
TA, 22.6.11;
SN, 28.6.11.
[50]
TA, 7.7.11;
NZZ, 16.8.11;
SGT, 2.9.11;
SN, 17.9.11;
TA, 21.9.11.
[51]
Lib., 21.7.11;
SN, 22.7.11.
[52]
LT, 29.7. und 6.8.11;
WW, 11.8.11;
NZZ, 22.8.11.
[55]
NZZ und
SN, 5.10.11.
[56]
NZZ, 17.1.11;
SGT, 18.1.11;
WW, 20.1.11; Presse vom 22.2, und vom 1.3. bis 3.3.11;
BZ, 12.3.11;
NZZ und
BZ, 17.3.11;
TA, 4.6.11;
SN, 13.8.11.
[57]
NZZ, 11.5.11;
NLZ, 24.5.11.
[58]
LT und
NLZ, 18.2.11;
SZ und
NLZ, 19.2.11;
NZZ, 21.2.11;
NLZ, 22.10.11.
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