Année politique Suisse 2011 : Eléments du système politique / Elections / Eidgenössische Wahlen
print
Überblick
Bei den Nationalratswahlen vom 23. Oktober 2011 mussten die grossen Parteien Verluste hinnehmen. Wahlsiegerinnen waren die kleinen Mitteparteien GLP und BDP, die beide je 5,4% der Wahlbevölkerung von sich überzeugen konnten. Die GLP ist neu mit zwölf und die BDP mit neun Sitzen im Nationalrat vertreten. Zum ersten Mal seit 1991 musste die SVP einen Dämpfer hinnehmen. Zwar legte sie in einigen Kantonen im Vergleich zu den Wahlen 2007 an Wähleranteilen zu, verlor aber insgesamt 2,3 Prozentpunkte und kam gesamtschweizerisch neu auf 26,6%, was 54 Sitzen in der grossen Kammer entspricht. Die Verluste der SP hielten sich – nachdem sie 2007 fast vier Prozentpunkte eingebüsst hatte – mit minus 0,8 Prozentpunkten in Grenzen. Neu wissen die Sozialdemokraten 18,7% der Wählerschaft hinter sich, die sie mit 46 Sitzen vertreten. Dank Proporzglück konnte die SP, trotz tieferer Wählerstärke, drei Sitze hinzugewinnen. Der Niedergang der beiden Traditionsparteien FDP und CVP konnte auch 2011 nicht aufgehalten werden. Beide mussten einen historischen Tiefstand in ihrem Wähleranteil seit Einführung des Proporzwahlrechts (1919) hinnehmen. Der Freisinn hielt dank der Fusion mit der Liberalen Partei (LPS) die Verluste mit -0,7 Wählerprozentpunkten allerdings in Grenzen (neu: 15,1%). Er verlor in der grossen Kammer lediglich einen Sitz (neu: 30 Sitze) und verfügt damit über zwei Sitze mehr als die CVP, die drei Sitze und 2,2 Prozentpunkte verlor (neu: 28 Sitze; 12,3%). Die Grünen hatten auch unter der Konkurrenz der GLP zu leiden und verloren 1,2 Prozentpunkte. Das Proporzglück, von dem die GPS 2007 profitiert hatte, wandelte sich bei den diesjährigen Wahlen in Proporzpech, was sich in einem Verlust von fünf Sitzen manifestierte (neu: 15 Sitze). Bei den kleineren Parteien gehörten die Lega und der MCR zu den Gewinnerinnen. Während die Tessiner Rechtspartei einen Sitz gewinnen konnte und mit einem nationalen Wähleranteil von 0,8% (+0,2 Prozentpunkte) neu zwei Mandate in Bern hält, nimmt das nur in den Kantonen Genf und Waadt angetretene Mouvement Citoyens Romand mit 0,4 Wählerprozenten zum ersten Mal mit einem Mandat in Bern Einsitz. Ihre Sitze halten konnte die EVP (2 Sitze, 2%). Nicht mehr im Parlament vertreten ist die CSP. Die CSP-Obwalden, die ein Mandat gewinnen konnte, gehört offiziell nicht der CSP Schweiz an, sondern gilt als regionale Gruppierung. Sie hat sich der CVP-Fraktion angeschlossen. Ihren jeweiligen Sitz verloren haben auch die Polparteien EDU und PdA. Insgesamt wurde das Wahlergebnis als Stärkung der Mitte und als Ende der Polarisierung interpretiert. Gleichzeitig kam es aber auch zu einer Zersplitterung der Mitte [1].
Die Resultate der Ständeratswahlen standen erst Ende November nach einer rekordhohen Anzahl zweiter Wahlgänge (13) fest. Auch hier musste die SVP eine Niederlage einstecken. Ihr Ziel, mit grossen, polarisierenden Namen einen von den Medien kolportierten „Sturm aufs Stöckli“ anzutreten, misslang, und die Volkspartei musste im Vergleich zu 2007 sogar den Verlust von zwei Sitzen in der kleinen Kammer verkraften (neu: 5 Sitze), wobei der eine der beiden bereits 2008 durch die Abspaltung der BDP verlustig gegangen war. Das gleiche Schicksal eines Verlustes von zwei Sitzen ereilte die CVP, die allerdings mit 13 Ständeräten die stärkste Kraft in der kleinen Kammer bleibt. Gewinnerin der Ständeratswahlen war die SP, die mit zwei zusätzlichen Sitzen auf die gleiche Anzahl Sitze kommt wie die FDP, die einen Sitz verlor (neu: 11 Sitze). Die GLP konnte ihre beiden Sitze, die sie seit 2007 (ZH) bzw. seit 2010 (UR) innehatte, verteidigen. Auch die BDP konnte ihr Berner Mandat, das sie seit 2008 dank der Abspaltung von der SVP besitzt, halten. Die Grünen konnten die Angriffe auf ihre beiden bei den letzten Wahlen erstmals gewonnenen Sitze in der kleinen Kammer ebenfalls abwehren. In den Ständerat gewählt wurde zudem der Schaffhauser Parteilose Thomas Minder, der sich als Initiant der Abzocker-Initiative einen Namen gemacht hatte und sich – nachdem er von der GLP eine Absage erhalten hatte – der Fraktion der SVP anschloss [2].
Die Wahlbeteiligung nahm gegenüber 2007 erneut leicht zu und lag bei 48,5%. Zwar ging damit immer noch mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten nicht an die Urnen, insgesamt hatten aber mit 2 485 403 Personen anzahlmässig noch nie so viele Schweizerinnen und Schweizer seit Beginn des Bundesstaates von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht wie 2011. Damit war die Wahlbeteiligung zum vierten Mal hintereinander (seit 1999) angestiegen; im Vergleich zu 2007 (48,3%) allerdings nur schwach. Die mittlere Wahlbeteiligung für die elf zweiten Wahlgänge für den Ständerat – zwei der total 13 zweiten Umgänge waren stille Bestätigungen – lag bei 43,8%. Dies war im Vergleich zur durchschnittlichen Wahlbeteiligung bei den zweiten Wahlgängen 2007, die in fünf Kantonen nötig waren, ebenfalls leicht höher (43,3%) [3].
Zum ersten Mal seit Einführung des Frauenstimmrechts im Jahr 1971 nahm der Frauenanteil im Nationalrat ab und zwar von 29,5% auf 29,0% (-1 Sitz). Von den 200 Gewählten waren 58 Frauen. Auch im Ständerat war der Frauenanteil rückgängig; nach 2007 zum zweiten Mal in Folge. In der kleinen Kammer sassen noch neun Frauen, was einem Anteil von 19,5% entspricht (2007: 21,7%). Insgesamt sind damit im Parlament 67 der 246 Sitze von Frauen besetzt (27,2%; 2007: 28%) [4].
 
[1] BRG 11.065: BBl, 2011, S. 8267; Presse vom 24.10., 25.10. und 26.10.11; NZZ, 7.12.11; Proporzglück und -pech: NZZ, 26.10.11; zur CSP vgl. auch Lit. BFS.
[2] Presse vom 24.10., 28.10., 13.11., 21.11., 28.11. und 5.12.11; NZZ, 7.12.11; Sturm aufs Stöckli: Presse vom 8.3.11.
[3] BRG 11.065: BBl, 2011, S. 8267; Presse vom 24.10.11; NZZ, 7.12.11; vgl. SPJ 2007, S. 56 f.; Bundeskanzlei (www.parlament.ch); BFS (BFS.admin.ch; www.politik-stat.ch).
[4] BRG 11.065: BBl, 2011, S. 8267; Presse vom 24.10.11; NZZ, 7.12.11; 24h, 19.10.11; vgl. SPJ 2007. S. 49 und 63 f.; Bundeskanzlei (www.parlament.ch); BFS (BFS.admin.ch; www.politik-stat.ch).