Année politique Suisse 2011 : Eléments du système politique / Elections / Wahlen in kantonale Parlamente
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Tessin
In den gleichzeitig wie in Luzern stattfindenden Wahlen für den Grossen Rat im Kanton Tessin kam es ebenfalls zu einem Einbruch der Mitteparteien. Im Südschweizer Kanton waren allerdings im Unterschied zur Innerschweiz weder die Grünliberalen noch die BDP angetreten. Insgesamt traten 675 Kandidierende auf 10 Listen für die 90 Sitze im Kantonsparlament an. Darunter befanden sich neben CVP, FDP, SP und SVP, welche eine Mischliste mit der EDU aufgestellt hatte, auch die Lega, die Grünen, das Bündnis zwischen der Movimento per il socialismo und der kommunistischen Partei, zwei kleinere Gruppierungen und die Einerliste Montagna Viva mit Germano Mattei, der im Herbst auch für die Ständeratswahlen kandidierte. Mit dem Slogan „ein Tessin für Tessiner“ machte die Lega in gewohnt aggressiver Manier Stimmung mit den Ängsten der Bevölkerung des Grenzkantons. Sie schürte die Wut gegen die politische Elite in Bern, die sich nicht um das Tessin kümmere, sowie gegen Grenzgänger und Migranten, die der einheimischen Bevölkerung die Arbeitsplätze streitig machen würden. Ähnlich wie im Kanton Genf der MCG hatte also auch im Grenzkanton Tessin nicht die SVP, sondern die sprachregional begrenzt auftretende Lega die Rolle der rechten Oppositionspartei inne. Für einigen Wirbel sorgte der Umstand, dass die Kandidierenden erstmals ihr Vorstrafenregister einreichen mussten und allfällige Einträge daraus im Amtsblatt veröffentlicht wurden. Nicht weniger als 15 Kandidierende (je fünf von Lega und FDP, drei von der CVP und einer von der SVP) erwiesen sich dabei als vorbestraft, wobei die Strafen vor allem Verkehrsdelikte betrafen.
Bei den Wahlen zeigte sich ein Erfolg der Strategie der Lega, der die arrivierten Parteien nichts entgegenzusetzen hatten. Der Zuwachs des Wähleranteils um 6,6 Prozentpunkte (neu: 22,8%) bedeutete einen Gewinn von sechs Sitzen für die Lega. Mit den neu 21 Mandaten wurde sie zweitstärkste Kraft im Tessiner Grossen Rat und überholte sowohl die SP als auch die CVP. Die Christdemokraten (20,5%; -2,7 Prozentpunkte) verloren zwei Sitze und hatten nur noch 19 Mandate inne. Wie in den anderen grossen Kantonen, in denen im Berichtsjahr Wahlen stattfanden, musste auch die FDP Federn lassen. Sie büsste im Vergleich zu 2007 vier Sitze ein, blieb jedoch mit 23 Vertreterinnen und Vertretern und 25,2% Wähleranteil stärkste Partei in einer ihrer Hochburgen (-4,2 Prozentpunkte). Die Verluste wurden mit den parteiinternen Querelen erklärt, die verhindert hätten, dass sich die Partei auf die Sorgen und Ängste der Bevölkerung konzentrierte. Sitzverschiebungen gab es nicht nur von der Mitte nach rechts, wo die SVP ihre fünf Mandate halten konnte. Auch links der Mitte kam es zu Verwerfungen. Umweltanliegen schienen dabei im Wahljahr 2011 von Bedeutung, was sich im Umstand zeigte, dass die Grünen – im Tessin nicht die Grünliberalen – drei Sitze und 7,6% Wähleranteil (+3,5 Prozentpunkte) gewinnen konnten. Sie erhöhten damit die Zahl ihrer Mandate von vier auf sieben und erreichten erstmals Fraktionsstärke. Für eine Überraschung sorgte die kommunistische Partei zusammen mit dem Movimento per il socialismo, die mit ihrer Mischliste 1,3% Wähleranteil und einen Sitz gewinnen konnten. Dieser und die drei neuen Sitze der Grünen gingen auf Kosten der SP, die 3,9 Prozentpunkte an Wählerinnen und Wählern einbüsste (neu 15,1%) und nur noch über 14 Grossratssitze verfügte. Der Frauenanteil lag nach den Wahlen bei 13,3%. Die Wahlbeteiligung war mit 58,5% tiefer als noch vor vier Jahren (62,1%) [116].
 
[116] Wahlen vom 10.4.11: Presse vom 11.4.11; CdT, 12.4. und 13.4.11; www3.ti.ch; Wahlkampf: CdT, 14.1. und 19.2.11; SOS, 7.4.11; CdT, 8.4. und 9.4.11; Vorstrafen: Presse vom 8.3.11; zu den Wahlen im Kanton Genf: vgl. SPJ 2009, S. 49.