Année politique Suisse 2011 : Eléments du système politique / Elections
Wahlen in kantonale Regierungen
Gesamterneuerungswahlen von kantonalen Regierungen fanden im Berichtsjahr in sieben Kantonen statt (AI, AR, BL, FR, LU, TI und ZH). Gleich in vier kantonalen Exekutiven kam es dabei zu Verschiebungen. Von Erfolg gekrönt waren die
Grünen, die in Basel-Landschaft, in Freiburg und in Zürich neu in die Regierung einzogen. Im Baselbiet gewann die GP ihren Regierungssitz auf Kosten der SVP, deren Vertreter abgewählt wurde, in Zürich anstelle eines ebenfalls abgewählten Vertreters der CVP und in Freiburg auf Kosten eines nicht mehr antretenden Parteilosen. In allen drei Kantonen blieb es jedoch bei einer bürgerlichen Regierungsmehrheit. Im Kanton Basel-Landschaft lautete die Regierungsformel neu 2 FDP, 1 CVP, 1 SP und 1 GP, in Freiburg 3 CVP, 1 FDP, 2 SP und 1 GP und im Kanton Zürich 2 SVP, 2 FDP, 2 SP und 1 GP. Keine Veränderungen gab es in den beiden Appenzell. Während im Kanton Appenzell Ausserrhoden alle sieben Bisherigen bestätigt wurden (4 FDP, 2 SVP, 1 SP), wurde in Appenzell Innerrhoden ein zurückgetretener CVP-Vertreter mit einem CVP-Vertreter ersetzt (7 CVP). Auch im Kanton Luzern blieb hinsichtlich der Regierungszusammensetzung (2 CVP, 1 FDP, 1 SP und 1 Parteiloser) trotz zweier Vakanzen alles beim Alten. Die SVP, die in den Kantonen Freiburg und Luzern einen Regierungssitz erobern wollte, scheiterte beide Male. Sie musste zudem ihren Sitz in Basel-Landschaft hergeben. Auch bei den Ersatzwahlen im Kanton Waadt, die aufgrund des überraschenden Todes von Jean-Claude Mermoud (svp) nötig geworden waren, konnten die Grünen den Sitz auf Kosten der SVP gewinnen. Damit kam es im Kanton Waadt zumindest bis zu den Gesamterneuerungswahlen im März 2012 zu einer links-grünen Regierungsmehrheit. Darüber hinaus bewirkte der Misserfolg der SVP, dass sie in der Romandie in keiner kantonalen Regierung mehr vertreten ist. Zu einem historischen Wechsel kam es schliesslich im Kanton Tessin, wo die FDP nicht mehr stärkste Partei in der Regierung ist. Die
Lega gewann einen weiteren Exekutivsitz hinzu und hielt neu zwei Exekutivmandate (2 Lega, 1 FDP, 1 CVP, 1 SP)
[119].
Insgesamt waren am Ende des Berichtjahrs 36 der total 156 kantonalen Regierungssitze von Frauen besetzt. Der Anteil von 23,1% war damit erneut leicht angestiegen (2010: 22,4%). Zwei Frauen der Grünen waren für diesen Anstieg verantwortlich: Marie Garnier in Freiburg und Béatrice Métraux nach den Ersatzwahlen im Kanton Waadt. Die meisten Frauen in den kantonalen Regierungen stellte Ende Berichtjahr die SP (13). 40,6% der SP-Regierungssitze sind in Frauenhand. Bei den Grünen sind 40% oder vier der zehn Exekutivsitze von Frauen besetzt. Ebenfalls vier Mandate von insgesamt 13 (30,8%) werden bei den übrigen Parteien (AL, BDP, LP) von Frauen gehalten. Die FDP-Frauen besetzen 10 der 43 Regierungsämter (23,3%) und bei der SVP sitzen auf zwei von insgesamt 18 Sitzen in kantonalen Exekutiven Frauen. Den geringsten Frauenanteil in den kantonalen Exekutiven weist die CVP auf: leidglich drei der insgesamt 40 Sitze (7,5%) werden von Frauen gehalten.
An der Landsgemeinde Anfang Mai mussten nicht nur die amtierenden Mitglieder der Standeskommission – der Exekutive des Kantons Appenzell Innerrhoden – bestätigt, sondern nach dem Rücktritt von Sepp Moser auch ein neuer
Säckelmeister (Finanzdirektor) gewählt werden. Thomas Rechsteiner war ohne Gegenkandidat angetreten und wurde mit wenigen Gegenstimmen gewählt. Die restlichen sechs Mitglieder – darunter der regierende und der stillstehende Landammann – wurden bestätigt. Die Innerrhoder Regierung blieb dabei fest in der Hand der
CVP, auch wenn die Parteizugehörigkeit im Halbkanton als nicht wichtig erachtet wird. Mit Antonia Fässler sass auch weiterhin eine Frau in der Exekutive
[120].
Wie schon 2007 stellten sich alle bisherigen Mitglieder des Regierungsrates des Kantons Appenzell Ausserrhoden konkurrenzlos zur Wiederwahl. Die für das Präsidium vorgesehene Amtszeitbeschränkung, bzw. die Regel, dass nach vier Jahren mindestens ein Jahr ausgesetzt werden muss, machte es allerdings nötig, dass der amtierende Landammann ausgetauscht wurde. Jakob Brunnschweiler – seit 1998 in der Exekutive – war seit 2006 oberster Regierungsrat. Um das Amt bewarben sich Hans Diem (svp) und Matthias Weishaupt (sp), beides amtierende Regierungsräte. Einzig die Ausmarchung für den Landammann verhiess also etwas Spannung. Historisch war diese Wahl deshalb, weil erstmals im Kanton Appenzell Ausserrhoden nicht die FDP den Landammann stellte. Der Freisinn verzichtete zudem auf eine Stimmempfehlung, womit die Wertschätzung für den einzigen linken Regierungsrat Matthias Weishaupt (sp) bekundet werden sollte, der weit über das links-grüne Lager hinaus Respekt genoss.
Alle sieben Bisherigen wurden mit praktisch gleich vielen Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von 42,7% bestätigt. Am meisten Stimmen (14 684) erhielt Rolf Degen (fdp). Auf dem letzten Rang, mit allerdings nur gerade 624 Stimmen Rückstand fand sich Köbi Frei (svp). Die Beteiligung für die Ausmarchung zum Landammann war – aufgrund der spannenderen Ausgangslage – höher und lag bei 47,8%, erreichte aber die 51,7% Stimmbeteiligung bei der gleichzeitig stattfindenden nationalen Abstimmung ebenfalls nicht. Die Wahl zum Vorsteher des Regierungsrates war letztlich deutlich: Hans Diem (svp) erhielt 8 876 Stimmen und lag damit vor Matthias Weishaupt (sp), der 7 799 Stimmen erhielt. Der Regierungsrat befand sich damit
weiterhin fest in der Hand der FDP (4 Mandate), wobei aber einer der beiden SVP-Sitze nun das Präsidium bedeutete. Ergänzt wurde die Exekutive weiterhin mit einem SP-Sitz. Mit Marianne Koller-Bohl (fdp) sitzt nach wie vor auch eine Frau im Ausserrhoder Regierungsrat. Mehr Spannung bei den Wahlen und eine Verjüngung des Gremiums versprechen die Wahlen in vier Jahren, müssen dann doch gleich drei FDP-Amtsträger altersbedingt zurücktreten
[121].
Seit drei Legislaturen sassen in der Baselbieter Regierung vier Bürgerliche (2 fdp, 1 svp, 1 cvp) und ein Linker (sp). Die Anläufe von links-grün, diese Phalanx zu brechen, waren bisher gescheitert. Auch 2011 schien das Unterfangen schwierig, da alle fünf Bisherigen wieder kandidierten. Das bürgerliche Lager trat ohne Sprengkandidat an, während die SP mit Pia Fankhauser und die Grünen mit Isaac Reber einen zweiten linken Sitz erobern wollten. Beide waren im Landrat, dem Baselbieter Parlament, aktiv. Reber hatte bereits 2007 für den Regierungsrat kandidiert. Waren damals SP und Grüne erfolglos gemeinsam gegen die traditionelle bürgerliche Zusammenarbeit („BüZa“) angetreten, wollten die Grünen diesmal nicht lediglich Juniorpartner der SP sein und begannen sehr früh mit einem aktiven und sichtbaren Wahlkampf. Auch der Sitz des wieder antretenden Urs Wüthrich (sp) würde im Zweifelsfall angenommen. Die Bürgerlichen selber traten als Team aus den vier Bisherigen Adrian Ballmer (fdp), Sabine Pegoraro (fdp), Peter Zwick (cvp) und Jörg Krähenbühl (svp) auf. Die traditionelle Zusammenarbeit war allerdings brüchig geworden, da die SVP zuerst auf einen zweiten Regierungssitz gepocht hatte, dann aber zurückgekrebst war, weil sie auf einen Rücktritt des amtsältesten Regierungsmitglieds Ballmer (fdp) während der anstehenden Legislatur spekulierte und dann auf diesen Sitz Anspruch erheben wollte. Die BüZa galt also explizit nur für die Regierungswahlen. Der Wahlkampf des bürgerlichen Quartetts war allerdings sehr lau und glich demjenigen vier Jahre zuvor, als die identischen vier Kandidierenden erfolgreich mit den gleichen Wahlslogans und praktisch deckungsgleichen Plakaten („Unser starkes Regierungs-Team“) angetreten waren.
Der engagierte Wahlkampf der
Grünen zahlte sich schliesslich aus. Isaac Reber (gp) konnte überraschend einen Sitz gewinnen und lag mit 28 444 Stimmen sogar noch vor dem bisherigen Finanzdirektor Ballmer (fdp, 27 028 Stimmen), dem während des Wahlkampfes das schlechte Abschneiden des Budgets angekreidet worden war. Der grüne neue Regierungssitz ging allerdings
auf Kosten der
SVP: Krähenbühl lag mit 25 946 Stimmen deutlich abgeschlagen auf Rang sechs und wurde
abgewählt. Anders als noch im Landrat, wo die SVP Sitze gewinnen konnte (siehe oben), sei dem eigentlich wenig umstrittenen Krähenbühl die allgemeine Verdrossenheit gegenüber der bisherigen bürgerlich dominierten Regierungszusammensetzung zum Verhängnis geworden – so die Medienanalysen. Krähenbühl selber wertete das Resultat nicht als Resultat eines Fukushima-Effektes, da er sich selber mit den Regierungen beider Basel öffentlich für die Abschaltung des AKW Fessenheim stark gemacht habe. Am meisten Stimmen erhielten Pegoraro (fdp, 31 148 Stimmen) und Wüthrich (sp, 30 138 Stimmen), die damit deutlich wiedergewählt waren. Auch Zwick (cvp) wurde mit 29 829 Stimmen bestätigt. Keine Chance hatte hingegen Fankhauser (sp), für die 24 398 Wahlzettel eingeworfen worden waren, und die damit zwar ebenfalls das absolute Mehr geschaffte hätte, letztlich aber zu wenig Stimmen erhielt. Ganze 22 142 Stimmen gingen an andere Kandidierende, was in Anbetracht der sehr geringen Wahlbeteiligung von 33,6% (2007: 36,2%) als Protest und Denkzettel an die Regierung gedeutet wurde. Dass die SVP als stärkste Partei im Landrat nicht mehr in der Regierung vertreten ist, wurde als erschwerend für die künftige Baselbieter Politik gewertet. Allerdings wurde Reber als Grünem mit pragmatischen und liberalen Positionen durchaus zugetraut, links-bürgerliche Allianzen zu schmieden. Sein Wahlerfolg wurde in den Medien auch mit seiner im Wahlkampf propagierten Wirtschaftspolitik erklärt, während die Bürgerlichen mit ihrer diffusen Liebe zum Kanton letztlich erfolglos hätten punkten wollen. Darüber hinaus entspreche das neue Verhältnis drei bürgerliche zu zwei links-grünen Sitzen den Baselbieter Verhältnissen besser als das bisherige bürgerlich dominierte Verhältnis von vier zu eins
[122].
Für die Wahlen in den Staatsrat traten drei Frauen und neun Männer an, also fünf Kandidierende weniger als vor fünf Jahren. Mit ein Grund für den Rückgang dürfte der Umstand gewesen sein, dass bei den aktuellen Gesamterneuerungswahlen von 2011 lediglich zwei und nicht drei Sitze vakant waren. Claude Lässer (fdp) und der Parteilose Pascal Corminboeuf waren auf Ende Legislatur zurückgetreten. Ihre Amtszeit war nach 15 Jahren und drei Legislaturen abgelaufen. Umkämpft war vor allem der frei werdende unabhängige Sitz, um den ein Dreikampf zwischen SP, FDP und SVP entbrannte. Die FDP wollte mit Maurice Ropraz und Markus Ith nicht nur ihren Sitz verteidigen, sondern auch den frei werdenden Sitz angreifen. Die SVP wiederum visierte die Rückeroberung ihres 1996 verlorenen Regierungssitzes an und hob wie bereits vor fünf Jahren Pierre-André Page auf ihren Schild. Auch die SP schickte nicht nur ihre beiden bisherigen Anne-Claude Demierre und Erwin Jutzet ins Rennen, sondern versuchte zudem mit Xavier Ganioz den vakanten unabhängigen Sitz zu erobern. Um den Verlust eines der beiden eigenen Sitze zu verhindern, gingen die Sozialdemokraten zudem eine Listenverbindung mit den Grünen und der CSP ein. Sowohl die Grünen (Marie Garnier) als auch die CSP (Pierre-Olivier Nobs) stellten je eine Kandidatur. Die drei Sitze der CVP schliesslich schienen auch deshalb ungefährdet, weil die Christdemokraten mit ihren drei Bisherigen antraten: Isabelle Chassot, Beat Vonlanthen und Georges Godel galten als unbestritten. Die CVP und die FDP gingen – anders als vor fünf Jahren – kein Bündnis mehr ein. Der Grossrat Albert Bachmann, der bei der internen Ausmarchung der Kandidierenden von der FDP nicht berücksichtigt wurde, trat aus der Partei aus, gab sein Grossratsmandat ab und stieg als wilder Kandidat ins Rennen.
Im ersten Wahlgang erzielten die fünf Bisherigen die besten Resultate, verpassten allerdings alle das absolute Mehr, was letztmals 1991 der Fall gewesen war. Am meisten Hoffnung auf die beiden verbleibenden Sitze konnten sich aufgrund der Stimmenzahlen überraschend Garnier (gp, 24 833 Stimmen) und Ropraz (fdp, 23 366 Stimmen) machen. Die gemeinsame linke Liste hatte sich für Garnier also ausgezahlt. Bereits etwas abgeschlagen waren Ganioz (sp, 21 592 Stimmen), Nobs (csp, 21 056 Stimmen) und Page (svp), der mit 20 569 Stimmen lediglich auf Rang zehn lag, damit allerdings mehr Unterstützung erhielt als noch bei den Nationalratswahlen. Seine Partei entschied, nochmals anzutreten und provozierte damit einen zweiten Wahlgang. Neben den fünf Bisherigen, Page (svp), Garnier (gp) und Ropraz (fdp) kündigte in der Folge auch Nobs (csp) an, noch einmal antreten zu wollen. Ith, der enttäuschende 14 073 Stimmen erhalten hatte und damit noch hinter Bachmann (15 981 Stimmen) lag, zog sich hingegen wie Bachmann auch zurück. Ebenfalls nicht mehr antreten wollte Ganioz. Die SP befürchtete mit einem erneuten Antritt den anscheinend möglichen dritten Sitz von Links-Grün zu gefährden. Der zweite Umgang mit den neun Kandidierenden brachte dann keine Änderungen mehr. Nicht wie ursprünglich erwartet die SP, die FDP oder die SVP, sondern die
Grünen konnten somit also den frei gewordenen unabhängigen Sitz erben und zogen erstmals in ihrer Geschichte in die Freiburger Exekutive ein. Die FDP konnte ihren Sitz verteidigen. Der Staatsrat setzte sich somit aus Isabelle Chassot (cvp, 35 622 Stimmen im zweiten Wahlgang), Beat Vonlanthen (cvp, 35 191 Stimmen), Georges Godel (cvp, 33 504 Stimmen), Erwin Jutzet (sp, 33 141), Marie Garnier (gp, neu, 31 222 Stimmen), die trotz geringerer Stimmbeteiligung im zweiten Wahlgang auch Anne-Claude Demierre (sp, 30 472 Stimmen) noch überholt hatte, sowie Maurice Ropraz (fdp, neu, 28 359 Stimmen) zusammen. Page (20 450 Stimmen) und Nobs (19 834 Stimmen) hatten erneut keine Chance auf einen Sitzgewinn. Die Wahlbeteiligung beim zweiten Wahlgang betrug 37,6% und war damit leicht tiefer als im ersten Wahlgang (43,3%). Mit Marie Garnier erhöhte sich die Zahl der Frauen in der Freiburger Exekutive auf drei
[123].
Sechs Männer und zwei Frauen kämpften um die fünf Sitze im Luzerner Regierungsrat. Max Pfister (fdp) und Anton Schwingruber (cvp) hatten nach vier Legislaturperioden ihren Rücktritt eingereicht. Die Bisherigen Yvonne Schärli (sp) und der Parteilose Marcel Schwerzmann traten hingegen wieder an. Die CVP-Parteileitung wollte zusätzlich zum seit einem Jahr amtierenden und ebenfalls wieder antretenden Guido Graf zwei weitere Kandidierende ins Rennen schicken, worunter eine Frau sein sollte. Esther Schönberger setzte sich in der internen Ausmarchung durch. Zum dritten Kandidaten der CVP wurde Reto Wyss gekürt. Ihren Sitz verteidigen wollte die FDP, die mit Robert Küng ins Rennen stieg. Die SVP mit Urs Dickerhof und die Grünen mit Adrian Borgula meldeten ihrerseits einen Anspruch auf einen Regierungssitz an. Die in Luzern immer stärker werdende SVP hatte bisher lediglich von 2005 bis 2007 einen Regierungssitz inne, den sie aber bei den letzten Wahlen wieder an den Parteilosen Schwerzmann verloren hatte. Diesen Sitz wollte sie nun zurückgewinnen. Sie warf Schwerzmann vor, die Konkordanz zu verhindern. Die Grünen wollten erstmals ebenfalls Regierungsverantwortung übernehmen. Sie erhofften sich – beflügelt durch die positiven Resultate in Zürich und Basel Landschaft – mit ihrem bekannten Kantonsrat Adrian Borgula, der im Jahr 2009 zudem das Amt als Kantonsratspräsident innegehabt hatte, ihre Anliegen auch in der Regierung vertreten zu können.
Im ersten Wahlgang übertraf lediglich Graf (cvp) mit 61 031 Stimmen das absolute Mehr. Knapp an dieser Hürde (53 242 Stimmen) gescheitert waren Regierungsratskollegin Schärli (sp, 51 843 Stimmen) und -kollege Schwerzmann (parteilos, 51 302 Stimmen). Sie verwiesen die neu antretenden Kandidierenden auf die weiteren Ränge. Insgesamt schienen die Resultate der ersten Runde darauf hin zu deuten, dass die Luzerner Wahlbevölkerung keine Veränderungen wollte. Auf Rang vier folgte nämlich Küng (fdp) mit 45 800 Stimmen, gefolgt von Wyss (cvp) mit 40 170 Stimmen. Seine Parteikollegin Schönberger (cvp), die sich in der Folge zu Gunsten von Wyss zurückzog, erhielt knapp 2 000 Stimmen weniger (38 323 Stimmen). Sie wertete ihre Niederlage als Zeichen dafür, dass die Luzerner Bevölkerung keine zweite Frau in der Regierung wolle. Die beiden Kandidierenden, die an der bisherigen Zusammensetzung etwas geändert hätten, lagen abgeschlagen zurück. Dickerhof (svp) erhielt 28 854 Stimmen und Borgula (gp) wurde von 28 408 Luzernerinnen und Luzernern gewählt. Borgula trat im zweiten Wahlgang nicht mehr an. Die SVP hingegen – beflügelt von den Resultaten der Kantonsratswahlen (siehe oben) – pochte noch einmal auf ihren Anspruch und schickte ihren Kandidaten auch in den zweiten Umgang. Allerdings kam auch der Entscheidungswahlgang für die Volkspartei einer Schlappe gleich. Dickerhof wurde lediglich von 21 377 Wählerinnen und Wählern unterstützt. Dies reichte bei weitem nicht, um einen der Regierungsratssitze zu erobern, für die schliesslich Schärli (sp, 52 135 Stimmen) und Schwerzmann (parteilos, 52 509 Stimmen) bestätigt wurden. Neu zogen zudem Küng (fdp, 52 945 Stimmen) und Wyss (cvp, 52 012 Stimmen) in die Luzerner Exekutive ein. Die SVP machte die fehlende bürgerliche Unterstützung für ihren Misserfolg verantwortlich. Die Luzerner Wahlen waren damit insgesamt auch eine Bestätigung der Beobachtung, dass die SVP zwar bei Proporz- nicht aber bei Majorzwahlen gut abschneidet. An der bisherigen Zusammensetzung von 2 CVP, 1 FDP, 1 SP und 1 Parteilosem
änderte sich in Luzern also nichts. Die Beteiligung im zweiten Wahlgang war mit 34,5% weitaus geringer als noch im ersten Wahlgang. Schon die 42,4% im ersten Wahlgang hatten einen neuen Minusrekord im Kanton Luzern bedeutet. Die seit 1987 bestehende Vertretung der Frauen durch lediglich einen Sitz in der Regierung blieb auch bei den Wahlen 2011 bestehen
[124].
36 Kandidierende auf acht Listen kämpften um die fünf Sitze im Tessiner Staatsrat, die im Proporzverfahren vergeben werden. Gleich drei Sitze waren vakant. Zurückgetreten waren Gabriele Gendotti (fdp), der seit dem Jahr 2000 als Regierungsmitglied amtete. Nach insgesamt 12-jähriger Amtszeit traten auch Patrizia Pesenti (sp) und Luigi Pedrazzini (cvp) nicht mehr an. Die seit 2007 amtierende Laura Sadis (fdp) und der bereits seit vier Legislaturperioden als Staatsrat amtierende Marco Borradori (lega) kandidierten hingegen erneut. Die Vakanzen führten zu einem mit harten Bandagen geführten Wahlkampf und auch zu heftigen innerparteilichen Auseinandersetzungen. Insbesondere in der FDP brachen bei der Kür der Kandidierenden alte Gräben zwischen dem linken und dem wirtschaftsliberalen Flügel wieder auf. Als potentielle Nachfolger Gendottis wurden Christian Vitta, Matteo Quadranti und Sergio Morisoli bestimmt. Vitta und Quadranti – dem radikalen Flügel angehörend – warfen dem eher wirtschaftsliberalen Morisoli dessen Nähe zu einer katholischen Bewegung vor. Neben der bisherigen Sadis kandidierte Giacomo Garzoli als fünfter auf der freisinnigen Liste. Die FDP musste insbesondere die Konkurrenz der Lega fürchten: Umfragen vor den Wahlen zeigten, dass der Gewinn eines zweiten Sitzes für die mit rechtspopulistisch aufbereiteten Themen wie Sicherheit, Grenzgänger und Bernfeindlichkeit argumentierende Regionalpartei im Bereich des Möglichen lag. Die Lega trat neben dem Bisherigen Borradori mit Parteichef Giuliano Bignasca und Nationalrat Norman Gobbi an. Komplettiert wurde die Liste mit Michele Barra und Lorenzo Quadri. Die Lega wurde von der SVP unterstützt, die im Gegensatz zu 2007 selber nicht antrat. Der aussichtsreichste Kandidat der SP war ihr Präsident Manuele Bertoli, dem die Verteidigung des Sitzes zugetraut wurde. Auch Mario Branda galt auf der SP-Liste als potentieller Nachfolger. Die CVP versuchte ebenfalls mit ihrem Parteipräsidenten Giovanni Jelmini sowie mit Paolo Beltraminelli ihren vakanten Sitz zu verteidigen. Ferner fanden Franco Denti, Nadia Ghisolfi und Marco Passalia von der Generazione Giovani Platz auf der CVP-Liste. Die aussichtsreichsten Kandidaten auf der Liste der Grünen waren Sergio Savoia und Greta Gysin. Zudem trat Mattei Germano von Montagna Viva mit einer eigenen Liste an. Ihm wie auch den Kandidierenden der kommunistischen Partei und der Forza Civica wurden allerdings kaum Chancen eingeräumt.
Bei den Wahlen Mitte April nutzte die Lega die historische Chance, die ehemalige Hochburg der FDP zu schleifen. Obwohl eigentlich erwartet, war die Stärke der Unterstützung für die Lega dann allerdings doch überraschend, erhielt doch ihre Liste fast 30% der Stimmen (29,8%). Marco Borradori (lega, 81 754 Stimmen) und Norman Gobbi (lega, 61 712 Stimmen) erhielten von allen Kandidierenden die meisten Stimmen. Eine
historische Niederlage musste die FDP einstecken, die damit nicht mehr stärkste Partei im Tessiner Staatsrat war. Sie kam als Partei auf noch 25% der Stimmen, was allerdings nur noch für einen Sitz reichte: Mit den drittmeisten Stimmen (59 915) wurde Laura Sadis (fdp) bestätigt. Den CVP-Sitz (19,9%) verteidigen konnte Paulo Beltraminelli (cvp, 44 270 Stimmen) und für die SP (16,3%) zog neu Manuele Bertoli (sp, 41 313 Stimmen) in die Exekutive ein. Mit ihm ist erstmals ein Sehbehinderter in einer kantonalen Regierung vertreten. Die Grünen (6,1%), Forza Civica (1,3%), Montagnga Viva (1%) und die Kommunisten (0,8%) hatten wie erwartet keine Chance auf einen Regierungssitz. Die Wahlbeteiligung war mit 58,5% im schweizerischen Vergleich relativ hoch, aber im Vergleich zu den letzten Gesamterneuerungswahlen leicht rückgängig (2007: 59,4%). Auch der Frauenanteil nahm ab: Mit Laura Sadis (fdp) sass nur noch eine Frau im Staatsrat. Der Sieg der Lega wurde unterschiedlich kommentiert. Während ihr Parteipräsident ankündigte, dass ab dem nächsten Tag seine Partei kommandieren würde, erklärte die FDP ihre Niederlage mit der momentan schwierigen Situation im Tessin, von der die Lega profitiert habe. In der Südschweizer Presse wurde die Doppelnatur der Lega hervorgehoben: Auf der einen Seite sei der sympathische Politiker Borradori die politische Treibkraft, und auf der anderen Seite mobilisiere der Extremist Bignasca. Die stärkere Einbindung der Lega in die Regierungsverantwortung könne allerdings durchaus auch der Zähmung der extremistischen Seite dienen
[125].
Drei neue Kandidierende traten in Zürich an, um den durch den Rücktritt von Markus Notter (sp) frei gewordenen Regierungsratssitz zu erobern: Die SP schickte Nationalrat Mario Fehr ins Rennen, mit dem sie ihren Sitz verteidigen wollte. Die EVP trat mit Nationalrätin Maja Ingold an und die Grünen kandidierten mit dem Stadtpräsidenten von Illnau-Effretikon, Martin Graf. Graf war bereits vor vier Jahren angetreten und hatte sogar das absolute Mehr geschafft, musste damals jedoch als Überzähliger in den sauren Apfel beissen. Die Grünen wollten mit ihm den vor vier Jahren an die CVP verlorenen Sitz wieder zurückgewinnen. Die restlichen sechs Bisherigen – Hans Hollenstein (cvp), Regine Aeppli (sp), Ursula Gut (fdp), Thomas Heiniger (fdp), Ernst Stocker (svp) und Markus Kägi (svp) – traten wieder an. Die BDP unterstützte die Kandidaten der bürgerlichen Parteien, inklusive der SVP. Umfragen wiesen auf eine Wahl von Fehr hin, Sitzverschiebungen zeichneten sich in diesen Vorwahlbefragungen hingegen nicht ab. Einzig für die SVP bzw. deren Regierungsrat Kägi wurde vermutet, dass die Atomkatastrophe in Japan Auswirkungen haben könnte. Graf lag nämlich in diesen Befragungen jeweils nur knapp hinter dem amtierenden SVP-Regierungsrat. In der NZZ wurden diese Umfragen, die bei Personenwahlen in der Regel nicht sehr aussagekräftig seien, allerdings kritisiert.
Die Wahlen am 3. April hielten einige Überraschungen bereit. Am wenigsten erwartet worden war wohl die Abwahl von Hans Hollenstein (cvp). Tatsächlich hatte Martin Graf (gp) erneut das absolute Mehr geschafft. Dieses Mal lag er aber auf Rang sieben und mit 120 815 Stimmen knapp vor Hollenstein (cvp, 118 487 Stimmen), der zwar ebenfalls das absolute Mehr erreichte, aber diesmal als Überzähliger ausschied. Vor vier Jahren hatte der CVP-Politiker noch das zweitbeste Resultat erzielt. Bei den Umfragen vor den Wahlen war er immer unter den ersten drei gelegen. Die Abwahl eines amtierenden Regierungsrates ist in Zürich eine Seltenheit, die letztmals 1963 eingetreten war. Die Wahl von Fehr war allgemein erwartet worden, überraschend war allerdings das er als Neuer auf Anhieb die meisten Stimmen gewann: Mit 137 035 Stimmen distanzierte er den zweitplatzierten Heiniger (fdp, 134 061 Stimmen) um fast 3 000 Stimmen. Dahinter folgten Stocker (svp, 129 943 Stimmen), Gut (fdp, 129 349 Stimmen) und Kägi (svp, 123 159 Stimmen), der entgegen der Vorwahlbefragungen sogar noch Aeppli (sp, 121 144 Stimmen) hinter sich liess. Maja Ingold (evp) erreichte als einzige mit 68 996 Stimmen das absolute Mehr nicht. Der Ausgang der Wahlen und der Erfolg von Graf und Fehr wurde in den Medien weniger als Fukushima-Effekt interpretiert, sondern vielmehr mit der Bekanntheit der beiden langjährigen Politiker erklärt. Fehr schien Stimmen bis weit ins bürgerliche Lager hinein gemacht zu haben. Die Abwahl von Hollenstein wurde mit der in Zürich traditionell schwachen CVP-Basis, aber auch mit dem Fehlen von Stimmen aus dem linken Lager gedeutet: Hollensteins Hardlinerpolitik, insbesondere im Migrationsbereich, sei ihm auf linker Seite wohl übel genommen worden. Zudem wurde vermutet, dass die Umfrageresultate vor den Wahlen, aufgrund derer mit einer deutlichen Wiederwahl Hollensteins gerechnet wurde, dem CVP-Regierungsrat zum Verhängnis geworden seien. Trotz der Stärkung von links-grün blieb der Zürcher Regierungsrat mit je zwei Vertretern von FDP und SVP allerdings in bürgerlicher Hand. Auch der Frauenanteil blieb gleich: Nach wie vor sitzen zwei Frauen in der Zürcher Regierung. Die Wahlbeteiligung lag bei 35,5%
[126].
[119] Vgl. auch unten, Teil III a (Parteien).
[120] Landsgemeinde vom 1.5.11;
www.ai.ch;
NZZ, 2.5.11.
[121] Wahlen vom 13.2.11 (1. Wahlgang):
SGT und
NZZ, 14.2.11;
www.ar.ch; Wahlkampf: Porträts der Kandidierenden:
SGT, 3.1. bis 15.1.11;
NZZ, 1.2.11.
[122] Wahlen vom 27.3.11 (1. Wahlgang): Presse vom 28.3.11; Analyse Wahlerfolg:
BaZ, 28.3., 1.4. und 2.4.11;
www.wahlen.bl.ch; Wahlkampf:
BaZ, 5.1., 24.2., 1.3., 8.3. und 26.3.11.
[123] Wahlen vom 13.11.11 (1. Wahlgang): Presse vom 14.11.11;
www.fr.ch; Wahlkampf:
Lib., 24.1., 28.1., 6.4., 15.4., 5.5., 23.5. und 23.7.11;
BZ, 4.10.11;
LT, 7.11.11; Wahlen vom 4.12.11 (2. Wahlgang): Presse vom 5.12.11; Wahlkampf:
24h und
LT, 15.11. und 17.11.11;
NZZ, 30.11.11;
LT, 3.12.11.
[124] Wahlen vom 10.4.11 (1. Wahlgang): Presse vom 11.4.11;
www.wahlen2011,lu.ch; Wahlkampf:
NLZ, 7.1., 15.2., 17.3. und 7.4.11;
SGT, 8.4.11;
AZ, 9.4.11; vgl.
SPJ 2009, S. 53. Wahlen vom 15.5.11 (2. Wahlgang): Presse vom 16.5.11; Wahlkampf:
NLZ, 12.4. und 19.4.11;
NZZ, 27.4.11.
[125] Wahlen vom 10.4.11: Presse vom 11.4.11;
24h, 12.4.11;
CdT, 14.4.11 ;
www3.ti.ch; Wahlkampf:
CdT, 16.2.11;
TA, 21.2.11;
CdT, 23.2. und 2.3.11;
LT, 8.3.11;
CdT, 30.3. und 1.4.11;
NZZ, 5.4.11;
BaZ, 8.4.11.
[126] Wahlen vom 3.4.11: Presse vom 4.4.11;
SZ und
AZ, 5.4.11; Wahlkampf:
TA, 1.2. und 2.2.11; Porträts der Kandidierenden:
TA, 28.2. bis 9.3.11;
NZZ, 12.3.11;
TA, 22.3.11;
NZZ, 28.3.11 (Kritik an Umfragen);
TA, 1.4.11.
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