Année politique Suisse 2011 : Eléments du système politique / Elections / Kommunale Wahlen
Bei den kommunalen Wahlen vom 13. März wurden die Parlamente und Regierungen der 45 Genfer Gemeinden neu bestellt. In der Stadt ging es dabei um 80 Legislativmandate, um die sich 264 Kandidierende auf neun Listen stritten. Im Vorfeld der Wahlen gaben die Parteien ihre Wahlkampfbudgets bekannt, die in Anbetracht der anstehenden nationalen Wahlen im Herbst erstaunlich hoch waren. Die SP und die FDP gaben an, jeweils etwa 350 000 CHF ausgeben zu wollen, gefolgt von der CVP (330 000 CHF) und den Grünen (180 000 CHF). Das Linksaussen-Bündnis „Ensemble à Gauche" als Nachfolger der Bewegung „A Gauche toute!“ (80 000 CHF), der Mouvement Citoyens Genevois (MCG; 80 000 CHF) und die SVP (50 000 CHF) schienen über vergleichsweise geringere Mittel zu verfügen. Der erstmalige Antritt der Grünliberalen und die Fusion zwischen der FDP und der LP aber auch der Antritt des MCG, der 2009 bei den kantonalen Wahlen für Furore gesorgt hatte und bisher in drei Gemeindeparlamenten vertreten war (Lancy, Onex, Vernier) machten die Ausgangslage spannend. Tatsächlich konnte der
MCG in 14 zusätzlichen Gemeinden Sitze gewinnen. In der Stadt Genf holte sich die rechtspopulistische Partei auf Anhieb elf der 80 Sitze. Weil Links-Grün insgesamt Sitze einbüsste – Ensemble à Gauche gewann zwar zwei Sitze (neu: 12 Sitze), aber die SP (-1 Sitz, neu: 16 Sitze) und die Grünen (-4 Sitze, neu: 11 Sitze) mussten Mandate abgeben – kam es zu einem
leichten Rechtsrutsch im
Genfer Stadtparlament. Auch die bürgerlichen Parteien mussten allerdings Sitze abgeben: die fusionierte FDP-LP kam noch auf 15 Sitze, was einem Verlust von total fünf Sitzen gleichkam. Die CVP verlor 2 Sitze (neu 7 Mandate) und die SVP einen Sitz (8 Mandate). Mit den total 39 Sitzen verlor die Linke damit ihre 20 Jahre anhaltende Mehrheit im Stadtgenfer Parlament. Der MCG wollte in der Folge eine stärkere Zusammenarbeit mit der SVP auf kommunaler Ebene anstreben und sein Präsident – Eric Stauffer – kündigte seine Kandidatur für die Nationalratswahlen an. Der Erfolg des MCG wurde mit dessen ausländer- und grenzarbeiterfeindlichen Politik erklärt. Die etablierten Parteien hätten die Ängste der Bevölkerung hingegen zu wenig ernst genommen Die Stimmbeteiligung lag mit 35,7% leicht höher als noch 2007 (32,4%). Der Frauenanteil im Parlament betrug neu 37,5%
[128].
Die Wahlen für den
Conseil administratif (Exekutivwahlen) fanden rund einen Monat nach den kommunalen Parlamentswahlen statt. Deren Ausgang hatte beim MCG die Hoffnung geweckt, auch in die Stadtregierung einziehen und so die links-grüne Mehrheit (2 SP, 1 GP, 1 FDP und 1 Ensemble à Gauche) knacken zu können. Der MCG trat denn auch gleich mit zwei Kandidierenden an: Soli Pardo und Carlos Medeiros wurden aber nur geringe Chancen attestiert. Die Grünen hingegen präsentierten ob ihrer Niederlage nicht wie angekündigt zwei, sondern nur eine Kandidatin, nämlich Esther Alder, die den Sitz des zurückgetretenen Patrice Mugny verteidigen wollte. Die SP trat mit der amtierenden Bürgermeisterin Sandrine Salerno und neu mit Sami Kanaan an, der den nicht mehr kandidierenden Manuel Tornare (sp) ersetzen sollte. Der bisherige Rémy Pagani von Ensemble à Gauche (EaG) wollte seinen Sitz ebenfalls verteidigen. Die FDP, welche mit dem bisherigen Pierre Maudet antrat, spannte mit der CVP zusammen, die Michel Chevrolet als Anwärter für einen Sitz im Conseil administratif präsentierte. Die SVP wollte mit Eric Bertinat in die Regierung einziehen. Viel Wirbel verursachte das Zusammengehen der LP mit der SVP: Zum ersten Mal in der Geschichte der Genfer Kommunalwahlen kam es zu einer Verbindung einer Entente-Partei (FDP, LP, CVP) mit der SVP. Die Liberalen, die Florence Kraft-Babel als Kandidatin präsentierten, waren überzeugt, dass der bürgerliche Sitz in der Regierung gegen die links-grüne Mehrheit nur mit Hilfe einer Verbindung mit Rechts verteidigt werden könne. Die CVP und auch die FDP, mit der die LP auch in Genf noch im Mai des Berichtjahrs fusionieren wollte, lehnten den Zusammengang mit der SVP ab und sahen darin die Gefährdung des Sitzes der FDP. Der Spagat („le grand écart“) der LP, die ja gleichzeitig auch zusammen mit der Entente antrat, zahlte sich allerdings weder für sie noch für die SVP aus. Die
Sitzverteilung blieb nämlich unverändert und sowohl Kraft-Babel (11 496 Stimmen) als auch Bertinat (4 352 Stimmen) verpassten den Einzug in den Genfer Stadtrat. Im ersten Wahlgang gewählt – in Genf brauchen Anwärter für die kommunale Exekutive lediglich 30% der Stimmen, um gewählt zu werden – waren Kanaan (sp), der am meisten Stimmen erhielt (19 513 Stimmen), Salerno (sp, 19 288 Stimmen), Alder (gp, 19 196 Stimmen) und Pagani (EaG, 18 987 Stimmen) von links-grüner Seite. Erst auf Rang fünf folgte Maudet (fdp, 15 418 Stimmen). Keine Chancen hatten Chevrolet (cvp, 9 392 Stimmen), Medeiros (mcg, 7 768 Stimmen) und Pardo (mcg, 7 626 Stimmen). Die Linke konnte mit Hilfe der Majorzwahlen den Einzug des MCG in die Genfer Stadtregierung also verhindern. Trösten konnte sich der MCG mit dem Einzug seines Präsidenten in die Stadtregierung von Onex. Die Wahlbeteiligung war rund 1,4 Prozentpunkte tiefer als noch 2007 und lag bei 36,5%. Mit der Wiederwahl von Salerno und der Neuwahl von Alder sassen neu zwei Frauen in der Genfer Stadtregierung
[129].