Année politique Suisse 2011 : Chronique générale / Défense nationale
 
Militärorganisation
Zu Beginn des Berichtjahres wurden Details aus dem Bereich der Armeeimmobilien publik. So wurde befürchtet, das die Schliessung von Waffenplätzen Konsequenzen für die jeweiligen Standorte hätten. An verschiedenen Jahresrapporten in den Kasernen stand dies auf der Traktandenliste. Grössere Reaktionen hatte auch ein interner Bericht des VBS hervorgerufen, welcher ein Versagen des Baumanagements der Armee aufzeigte. In einer Vielzahl von Umbauprojekten hatte man sich im VBS in Bezug auf die Kosten bisweilen um mehrere Millionen Franken verschätzt. Schuld daran seien konfuse Abläufe innerhalb des VBS, urteilte etwa die SonntagsZeitung. Zu einem ähnlichen Schluss kam ein Prüfungsbericht der Eidgenössischen Finanzkontrolle, der festhielt, dass die Armeebauten mit zu wenig Mitteln unterhalten würden und damit in einem schlechten Zustand seien. Die Bewirtschaftungs- und Investitionsplanung der Immobilien des VBS wurden in der Immobilienbotschaft des VBS festgehalten. Diese hiessen die Räte im September gut [12].
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Armee
Im Berichtsjahr kamen im Nationalrat zwei Postulate zur Abstimmung, die sich mit der Vereinbarkeit von Beruf und militärischer Laufbahn befassten. Das Postulat Landolt (bdp, GL) beauftragte den Bundesrat, Lösungen zu finden, mit denen die Attraktivität der Offizierslaufbahn innerhalb der Armee gesteigert werden könnte. Im Gegensatz zu früher seien Offiziere nicht mehr gefragte Führungskräfte und der für die Wirtschaft nutzbringende Transfer der erlangten Kompetenzen gelinge nicht mehr in vergleichbarem Ausmass. Zusammen mit Mitunterzeichnenden aus vorwiegend bürgerlichen Kreisen forderte Landolt unter anderem eine Attraktivitätssteigerung der Offizierslaufbahn, indem beispielsweise eine Harmonisierung mit der beruflichen Laufbahn vorgenommen wird. Das „vielversprechende Zielpublikum“, das der Armee im Moment fehle, soll damit wieder erreicht werden. Im zweiten Postulat, welches 2010 von Sylvie Perrinjaquet (fdp, NE) eingereicht wurde, wird der Bundesrat zu einer Evaluation beauftragt, mit der festgestellt werden soll, wie die innerhalb des Militärdienstes erworbenen Fähigkeiten im Berufsleben validiert werden könnten. Zivilen Arbeitgebern sollte ermöglicht werden, sich über im Militärdienst erworbene berufliche Kompetenzen, Qualifikationen und entsprechendes Fachwissen der Arbeitnehmer zu informieren. Umgekehrt sollten damit aber auch spezifische Fähigkeiten von Armeeangehörigen innerhalb derer Diensttätigkeit besser eingesetzt werden könnten. Diese doppelte berufliche Anerkennung dürfte den Gehalt der Diensttage in den Augen der Unternehmen aufwerten und gleichzeitig die Rolle der Weiterbildung innerhalb der Armee stärken. Beide Postulate wurden diskussionslos angenommen [13].
Ein im Juli von der SiK des Ständerates eingereichtes Postulat zur Zukunft der Artillerie wurde im September beraten. Darin wird der Bundesrat beauftragt, sich bis Ende 2013 in einem Bericht zu äussern, wie die Zukunft der Artillerie und des indirekten Feuers im Allgemeinen ausgestaltet werden soll. Ein zentraler Aspekt ist dabei die Frage nach der Art und Menge der zu beschaffenden Munition. Das Geschäft stand in engem Zusammenhang mit dem „Übereinkommen über Streumunition“ der UNO (vgl. unten). Darin wurde festgehalten, dass konventionelle Streumunition verboten wird. Solche ist in der Schweiz jedoch in Form von sogenannter Kanistermunition in grossen Mengen vorhanden. Über die Genehmigung dieses Übereinkommens hatte sich der Bundesrat in seinem Bericht vom 6. Juni 2011 geäussert. In diesem Zusammenhang stand auch eine Änderung des Kriegsmaterialgesetzes (vgl. ebenfalls nachfolgend). Das Postulat wurde trotz dem Hinweis von Bundespräsidentin Calmy-Rey, dass diese Fragen bereits im Prozess der Revision des Bundesgesetzes über die Armee und die Militärverwaltung und der dazu gehörenden Verordnung über die Organisation der Armee beantwortet würden, angenommen [14].
Im Juni 2011 wurde im Ständerat als Erstrat der Armeebericht 2010 besprochen (vgl. auch Berichterstattung zu den neuen Kampfflugzeugen weiter unten). Der Bundesrat hatte in seinem Bericht eine Armee skizziert, die 80 000 Angehörige umfasste und 4.4 Mia. CHF kosten dürfte. Auf das Geschäft einzutreten war unumstritten, obwohl Luc Recordon (gp, VD) Nichteintreten beantragt hatte, da er weder mit dem Vorschlag des Bundesrates noch mit jenem der SiK-Mehrheit einverstanden war. In der Detailberatung standen sich drei Varianten gegenüber: Jene der Kommissionsmehrheit mit 100 000 Armeeangehörigen und Kosten von 5.1 Mia. CHF, ein Antrag der Kommissionsminderheit I mit 120 000 Armeeangehörigen und Kosten von 5.3 Mia. CHF sowie der Antrag einer zweiten Kommissionsminderheit, die den Antrag des Bundesrates unterstützte. Der Ständerat folgte mit 24 zu 10 Stimmen dem Antrag der Kommissionsmehrheit. Für die Kampfjetfinanzierung sah der Ständerat eine Sonderfinanzierung vor (vgl. weiter unten). Im Nationalrat stand zunächst die Finanzierung der Armee insgesamt sowie die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge im Zentrum der Diskussion. Dem Nationalrat wurde von der SiK vorgeschlagen, einen Ausgabenplafond von 5 Mia. CHF zu sprechen, wovon sämtliche Armeeausgaben finanziert werden sollten, also inklusive der Kampfjet-Beschaffung. Diesem Antrag folgte die grosse Kammer. Den Armeebestand setzte der Nationalrat auf 100 000 Angehörige fest. Die entstandene Differenz zum Ständerat belief sich somit auf die Finanzierung der Flugzeugbeschaffung. Dieser Aspekt wird im betreffenden Abschnitt genauer dargelegt. In der erneuten Beratung senkte die kleine Kammer das Kostendach auf 4 Mia. CHF und beharrte auf einer Sonderfinanzierung für den Flugzeugkauf. Da in der erneuten Differenzbereinigung auch der Nationalrat an seinem Beschluss festhielt, die Ausgaben auf 5 Mia. CHF aufzustocken und die Flugzeuge über das ordentliche Budget zu beschaffen, folgte eine erneute Diskussion im Ständerat. Dieser beugte sich dem Entscheid der grossen Kammer [15].
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Kriegsmaterialgesetz
Die Verhandlungen zur Umsetzung des Übereinkommens über Streumunition (siehe auch Teil I, 2, Kriegsmaterialexporte) wurden nach der Publikation einer Botschaft des Bundesrates Anfang Juni 2011 neu aufgenommen. Das im Übereinkommen festgesetzte Verbot der Verwendung, Entwicklung und Produktion, des Erwerbs und Transfers sowie der Lagerung von Streumunition hatte in den Räten keine Diskussionen verursacht. Doch durch die Vorgaben in der internationalen Konvention musste das schweizerische Kriegsmaterialgesetz (KMG) revidiert werden. Als Erstrat widmete sich die kleine Kammer dem Geschäft. Die vom Bundesrat beantragten Änderungen, die von der SiK-SR den Ratsmitgliedern allesamt zur Annahme empfohlen wurden, wurden angenommen. Für einige Verwirrung sorgten unklare Definitionen über die indirekte und direkte Finanzierung von Gesellschaften oder Tätigkeiten, die im Zusammenhang mit dem Vertrieb oder der Entwicklung von Streumunition stehen. Diese konnte die SiK-SR jedoch mit einer präziseren Terminologie in den betreffenden Gesetzesartikeln beheben, so dass sowohl dem Übereinkommen zugestimmt wurde als auch die Änderungen am KMG genehmigt wurden. Damit wurde das Geschäft an den Nationalrat überwiesen, der sich im Dezember damit befasste. Vor der Beratung wurde im Nationalrat ein Ordnungsantrag auf Absetzung des Geschäfts bis zum Eintreffen des Berichtes zur Zukunft der Artillerie abgewiesen. Der Sprecher der SiK-NR, Walter Müller (fdp, SG), trug im Nationalrat die Standpunkte der Kommission vor, deren Mehrheit Nichteintreten auf die Vorlage beantragt hatte. Einer langen, emotional geführten Diskussion, vorwiegend um die Rolle der Armee und deren Verteidigungsauftrag, folgte die Abstimmung, in der sich eine Koalition der Linken und bürgerlichen Mitteparteien gegen die SVP für ein Eintreten durchsetzte. Das Geschäft wurde zur Detailberatung in die SiK-NR zurückgewiesen. Diese fand nicht mehr im Berichtjahr statt [16].
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Beteiligungen
Auch im Berichtsjahr hat die Armee einen subsidiären Sicherungs- und Unterstützungseinsatz am Jahrestreffen des World Economic Forums 2011 (WEF) geleistet. Das VBS stellte nach Abschluss des Einsatzes fest, dass dieser ohne gravierende Zwischenfälle erfüllt worden sei. Bis zu 4 000 Angehörige der Armee standen während rund zwei Wochen zu Gunsten der zivilen Behörden im Einsatz [17].
2011 waren Angehörige der Armee an drei weiteren Einsätzen beteiligt. Im Rahmen von „AMBA CENTRO“ unterstützten täglich durchschnittlich 144 Dienstleistende die Polizeikorps in Zürich, Bern und Genf beim Schutz ausländischer Vertretungen. Rund 50 Armeeangehörige unterstützten das Grenzwachtkorps im Rahmen der Leistungsvereinbarung „LITHOS“. Die grösste Veränderung mit einer Leistungssteigerung von ca. 50% erfolgte im Rahmen von „TIGER/FOX“, wobei Armeeangehörige Leistungen zu Gunsten von Flugsicherheitsmassnahmen im Luftverkehr erbrachten. 17 Dienstleistende standen dafür täglich im Einsatz. Darüber hinaus unterstützte die Armee im Dezember 2011 den Kanton Genf bei der Durchführung der 8. WTO-Ministerkonferenz. Dabei wurden insbesondere Material und Fahrzeuge zur Verfügung gestellt, die Flughafensicherheit verstärkt, Lufttransporte und Luftraumüberwachungen durchgeführt sowie die Polizei bei den Auf- und Rückbauarbeiten unterstützt. Neben diesen subsidiären Sicherungseinsätzen leistete die Armee auch Katastrophenhilfe. In drei Einsätzen wurden insgesamt 3 770 Diensttage geleistet. Während eines Waldbrandes in Visp/VS war die Armee mit Löscharbeiten beschäftigt, im Juni wurden die Behörden im Kanton Appenzell-Ausserrhoden beim Ausbau eines Baches unterstützt und im Oktober wurden 1 770 Diensttage geleistet, nachdem in den Kantonen Bern und Wallis schwere Unwetter zahlreiche Schäden verursacht hatten. In weiteren Unterstützungseinsätzen wurden rund 600 Diensttage in den Kantonen Bern, Graubünden und Schwyz geleistet, wobei vorwiegend unwetterbedingte Einsätze getätigt werden mussten [18].
 
[12] BRG: 11.017: AB SR, 2011, S. 387 ff. und 922 f., AB NR, 2011, S. 1420 ff.; BBl, 2011, S. 2123 und 7625 f.; zur Kritik vgl. Presse vom 3.1. und 5.1.11; SoZ vom 6.3. und 20.3.11.
[13] Po. 10.4021 (Landolt): AB NR, 2011, S. 531; Po. 10.4049 (Perrinjaquet): AB NR, 2011, S. 531.
[14] BRG 11.036 (Bericht Übereinkommen Streumunition): BBl, 2011, S. 5905 ff.; Po. 11.3752: AB SR, 2011, S. 813.
[15] BRG 10.089: AB SR, 2011, S. 388 ff.,. 878ff. und. 938 ff.; AB NR, 2011, S. 1389 ff., 1690 ff., und 1783 ff.; BBl, 2011, S. 7621 f.; siehe SPJ 2010, S. 101 f.
[16]Po. 11.3752 (Zukunft der Artillerie): AB NR, 2011, S. 2161 ff.; BRG 11.036 (Botschaft Streumunition): BBl, 2011, S. 5905 ff., siehe SPJ 2010, S. 102.
[17] Medienmitteilung VBS vom 30.1.11.
[18] Schweizer Armee, Einsatzbilanz 2011.