Année politique Suisse 2011 : Chronique générale / Défense nationale / Rüstung
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Neue Kampfflugzeuge
Nachdem bereits im Jahr 2010 die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge vom Bundesrat aus budgetären Gründen verschoben wurde, kam diese Angelegenheit in Form einer Motion der SiK des Nationalrats noch im Jahr 2010 erneut zur Sprache. Die Motion, die eine Kampfjetbeschaffung in der Legislaturperiode 2012-2015 ermöglichen sollte, wurde im März respektive im Juni 2011 von beiden Kammern überwiesen. Dies sorgte für Wirbel, da damit die Sparpläne des Bundesrates teilweise zurückgebunden werden müssen. Das Signal des Parlamentes war allerdings deutlich: Es sollten schneller neue Flugzeuge beschafft werden. In der Detailberatung war die Stimmung aufgeheizt und zwar nicht nur aus thematischen Gründen. Aus Versehen hatte sich der als französischer Sprecher gemeldete Luzerner Nationalrat Pius Segmüller (cvp, LU) auf Deutsch geäussert, was bei den frankophonen Volksvertretern grosses Unverständnis hervorrief, weil damit unüblicherweise zwei deutschsprachige Kommissionssprecher zu Wort kamen. Die intermediäre staatspolitische Diskussion, die dadurch hervorgerufen wurde, dauerte allerdings nicht lange, da Ratspräsident Germanier (fdp, VS) diese rasch unterband. Aufgrund dieses Begleitumstands enthielten sich einige Romands im Nationalrat in der Schlussabstimmung ihrer Stimme. Trotzdem wurde die Motion mit 95 zu 69 Stimmen angenommen und dem Ständerat überwiesen. In der kleinen Kammer wurde die Motion zusammen mit dem Armeebericht 2010 (siehe oben) besprochen. Die Mehrheit der SiK des Ständerates und eine der beiden Kommissionsminderheiten wollten den Bundesrat beauftragen, bis Ende 2011 eine Botschaft für ein besonderes Finanzierungsmodell zur Beschaffung von 22 neuen Kampfjets und die Beseitigung von Ausrüstungslücken vorzulegen. Die Idee einer gesonderten Finanzierung stammte aus einer Motion von Jean-René Fournier (cvp, VS) aus dem Jahr 2010, die damit in den Entwurf zur Botschaft zum Armeebericht eingearbeitet wurde. Die Voten zum Ersatz der Tiger-Kampfflugzeuge waren kontrovers: Bruno Frick (cvp, SZ) verlangte eine rasche Entscheidung, da die Offerten der Anbieter der Flugzeuge nur beschränkte Gültigkeit hätten. Dagegen äusserten sich Peter Bieri (cvp, ZG) und Pankraz Freitag (fdp, GL) eher kritisch. Bieri hielt den Auftrag an den Bundesrat für unseriös und Freitag bezweifelte, dass es dem Bundesrat gelingen würde, bis Ende 2011 eine Botschaft mit gesichertem Finanzierungsmodell vorzulegen. Der zuständige Bundesrat und Departementsvorsteher Maurer erklärte, dass die Landesregierung ein referendumsfähiges Gesetz ausarbeiten wolle, welches während zehn Jahren Sparbeiträge für den Kauf von Kampfjets vorsehe. Gleichzeitig bekundete er die Ablehnung des Bundesrates, sich bis 2011 in einer Botschaft dazu zu äussern. In der Abstimmung zum Armeebericht 2010 wurde der Bundesbeschluss mit 24 zu 10 Stimmen gemäss Vorschlag der Kommissionsmehrheit (100 000 Armeeangehörige, Kosten von 5.1 Mia. CHF und eine Sonderfinanzierung zur Beschaffung der Kampfjets) und damit abweichend vom Entwurf des Bundesrates angenommen. In dieser Formulierung wurden die Forderungen aus den beiden genannten Motionen in den Entwurf des Ständerates eingearbeitet. Der Nationalrat, der den Armeebericht in der Folge ebenfalls diskutierte, sprach sich für einen Ausgabenplafonds von 5 Mia. CHF aus. Dieses Globalbudget sollte auch die Finanzierung der 22 neuen Kampfflugzeuge sicherstellen. Damit sprach sich der Nationalrat gegen eine Sonderfinanzierung der Kampfjets aus. Die Ratslinke war mit ihren Bestrebungen, das Budget zu kürzen oder zumindest bei den vom Bundesrat vorgesehenen 4.4 Mia. CHF zu belassen, gescheitert. Die entstandene Differenz zum Ständerat wurde im Bereinigungsverfahren diskutiert. Die kleine Kammer hielt an ihrem Vorhaben fest, den Kauf der neuen Kampfflugzeuge über eine referendumsfähige Sonderfinanzierung abzuwickeln. Das vom Nationalrat beschlossene Kostendach von 5 Mia. CHF reduzierte der Ständerat auf 4 Mia. CHF. Dies sei realistisch, da die Anbieter der Flugzeuge in den Offerten mit einem Euro Umrechnungskurs von 1.60 CHF gerechnet hätten. Im Nationalrat wurde jedoch daran festgehalten, die Armeeausgaben auf 5 Mia. CHF aufzustocken und die Beschaffung der Kampfjets über das ordentliche Rüstungsbudget abzuwickeln. Damit wurde die Motion der SiK-NR allerdings obsolet und zurückgezogen. Die Frage, ob die Bürgerinnen und Bürger über den Kauf neuer Kampfjets entscheiden sollen, war bis zuletzt umstritten. Die Anträge von links-grüner Seite, das Geschäft referendumsfähig zu machen, wurden mit 98 zu 93 Stimmen abgelehnt. In der weiteren Diskussion folgte der Ständerat schliesslich der grossen Kammer. Der Armee sollen 5 Mia. CHF zur Verfügung stehen und über dieses Budget soll auch die Beschaffung der neuen Kampfflugzeuge abgewickelt werden. Weil auch die kleine Kammer gegen eine Unterstellung des Geschäftes unter ein Referendum war, fand sich eine letzte Differenz hinsichtlich des zeitlichen Rahmens: Der Ständerat wollte den Ausgabenplafond per 2014 und nicht per 2013 erhöhen. Der Nationalrat nahm diesen Vorschlag in der Folge auf. Dass die Stimmbevölkerung nicht in den Kaufentscheid miteinbezogen wurde, da keine Volksabstimmung stattfinden soll, hatte auch in den Medien ein grosses Echo hervorgerufen. Vor allem links-grüne Kreise wurden zitiert, die monierten, dass das Volk das letzte Wort haben sollte [21].
Im November ergriff die Grüne Partei gegen den Flugzeugkauf das Referendum, um die Kampfjet-Debatte doch noch vors Volk zu bringen [22].
Zwischen den verschiedenen Stationen, die dieses Geschäft innerhalb der parlamentarischen Entscheidfindung durchschritten hatte, berichteten die Medien jeweils sehr detailliert und mit grossem Umfang über den Kampfjet-Kauf. Neben der Aufarbeitung der parlamentarischen Debatte wurden eine Vielzahl von Szenarien und Alternativen skizziert. Berichtet wurde auch über die Bestrebungen seitens des VBS und dessen Vorsteher, Bundesrat Maurer, den Flugzeugkauf voranzutreiben bzw. die durch den Aufschub entstehende Lücke in der Einsatzbereitschaft der alten Tiger-Flugzeuge zu schliessen. Maurer hatte im April das bundeseigene Rüstungsbeschaffungszentrum Armasuisse damit beauftragt, bis Ende 2011 eine Machbarkeitsstudie zu erstellen und zu prüfen, inwiefern die Tiger F-5 Jets aufgerüstet werden könnten. Die technischen Defizite der Tiger Flugzeuge liessen eine funktionierende Überwachung des Luftraums bis anhin nicht zu. Das Vorhaben erntete unter anderem aufgrund der hohen Kosten Kritik [23].
Im Juli wurde in der SiK-SR darüber nachgedacht, den Flugzeugkauf über die Veräusserung von VBS Liegenschaften zu finanzieren. Dafür wurde ein Postulat eingereicht (Armeeimmobilien, siehe oben) [24].
Nachdem Ende Oktober die Evaluation der in Frage kommenden Flugzeugtypen abgeschlossen war, wollte sich der Bundesrat bis zum Jahresende auf ein Modell festlegen. Zur Auswahl standen drei Typen: Der Eurofighter Typhoon des europäischen Rüstungskonzerns EADS, die Rafale des französischen Herstellers Dassault sowie der Saab JAS 39 Gripen aus Schweden. Anfang Dezember wurde der Entscheid des Bundesrates bekannt gegeben. Dieser hatte sich für das schwedische Modell Gripen entschieden, wovon 22 Stück für CHF 3 Mia. angeschafft werden sollen. Damit hatte sich der Bundesrat für die kostengünstigste Variante entschieden. Darauf gab es einige Kritik: Nicht nur, weil der Preis als wichtigstes Kriterium erschien, sondern weil der Gripen erst als Prototyp existierte. Darüber hinaus gelangten wenige Wochen vor dem Entscheid geheime Evaluationsdokumente an die Öffentlichkeit, welche dem Gripen ein schlechtes Leistungszeugnis ausgestellt hatten. Im Anschluss stand vor allem die Frage im Raum, wie diese Dokumente ihren Weg in die Medien fanden. Der Typenentscheid wurde auch aus den Reihen der SVP harsch kritisiert. Einige Politiker vermuteten in dieser Typenentscheidung gar einen Sabotageakt seitens des Bundesrates, da der Gripen im Parlament die schlechtesten Chancen gehabt hätte. Bundesrat Maurer selbst hatte sich dahingehend geäussert, dass nicht ein Spitzenflugzeug ausgewählt worden sei, sondern dasjenige mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis. Der Gripen eigne sich hervorragend für die Schweizer Bedürfnisse, gab der Verteidigungsminister zu Protokoll. Trotz der negativen Reaktionen wurden im Berichtsjahr keine tiefgreifenden Kursänderungen mehr getätigt [25].
 
[21] Mo. 10.3889 (SiK-NR): siehe SPJ 2010, S. 104 f.; Mo. 10.3724 (Fournier): AB SR, 2010, S. 1314 f.; BRG 10.089 (Armeebericht): AB SR, 2011, S. 388 ff., 878 ff. und. 938 ff.; AB NR, 2011, S. 1389 ff., 1690 ff. und 1783 ff.; BBl, 2011, S. 7621 f. TA,16.9. und NLZ, 28.9.11 (keine Volksabstimmung).
[22] Presse vom 3.10. und 6.10.11; NZZ, 14.11.11.
[23] Presse vom 21.4.11.
[24] Po. 11.3753: AB SR, 2011, S. 813; Presse vom 6.7.11.
[25] Presse vom 1.12.11 (Zitat Maurer).