Année politique Suisse 2011 : Chronique générale / Finances publiques
Direkte Steuern
Im März unterbreitete der Bundesrat dem Parlament eine Botschaft zu einem Bundesgesetz über die steuerliche Behandlung der berufsorientierten Aus- und Weiterbildungskosten. Die Vorlage sah vor, die Abzugsfähigkeit zu erweitern. Nach geltendem Steuerrecht konnten im Grundsatz nur jene Weiterbildungskosten abgezogen werden, die mit der aktuellen Berufsausübung im Zusammenhang standen. Der Bundesrat schlug die Abzugsfähigkeit sämtlicher berufsorientierter Aus- und Weiterbildungskosten bis maximal 6000 Franken vor. In der Sommersession trat der Ständerat ohne Gegentrag auf die Vorlage ein. Mit 21 zu 13 Stimmen beschloss die kleine Kammer überdies eine Erhöhung der steuerlichen Obergrenze auf 12 000 Franken. Die Befürworter führten die hohen Kosten von Weiterbildungen ins Feld. Die Gegner befürchteten, dass bei zu hohen Abzügen die finanzielle Unterstützung durch Arbeitgeber in Frage gestellt würde. In der Gesamtabstimmung nahm der Ständerat den Entwurf mit 24 zu 4 Stimmen an BRG 11.023: AB
SR, 2011, S. 646 ff.; vgl. dazu auch Teil I, 8a (Grundsätzliches)..
In der Sommersession wies der Ständerat eine im Vorjahr eingereichte Standesinitiative des Kantons Zug zurück, welche einen Aus- und Weiterbildungsabzug für Kinder und Jugendliche in der Steuergesetzgebung einführen wollte. Die Ablehnung wurde unter anderem damit begründet, dass bereits zahlreiche Ausbildungsabzüge im Steuerrecht vorhanden waren St.Iv. 11.300: AB
SR, 2011, S. 653..
Wie der Nationalrat ein Jahr davor trat auch der Ständerat auf das Bundesgesetz zur Steuerbefreiung des Feuerwehrsoldes ein. In der Frühjahrssession setzte die kleine Kammer in Übereinstimmung mit der Botschaft des Bundesrates die Obergrenze auf 3 000 Franken an. Damit entstand eine Differenz zum Nationalrat, welcher 2010 eine Limite von 5 000 Franken beschlossen hatte. Ausserdem beschränkte der Ständerat die Steuerabzüge auf die Kernaufgaben der Feuerwehr (Übungen, Kurse, Inspektionen und Einsätze im Ernstfall). In der Sommersession schloss sich der Nationalrat der kleinen Kammer in diesen Punkten an. In beiden Räten wurde das Bundesgesetz in der Schlussabstimmung ohne Gegenstimmen angenommen BRG 10.040: AB
SR, 2011, S. 207 ff.; AB NR 2011, S. 772 f.; BBl, 2011, S. 4921; SPJ 2010, S. 146..
Das System der Pauschalbesteuerung war in den vergangenen Jahren unter zunehmenden Druck geraten. Die Schweiz zählte 2010 etwas über 5445 Personen, die nicht nach Einkommen, sondern nach Aufwand besteuert wurden. Diese Ausländerinnen und Ausländer, die hierzulande keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, lieferten dem Fiskus insgesamt 668 Mio. Franken ab. Als Reaktion auf die lauter werdende Kritik an der Pauschalbesteuerung leitete der Bundesrat eine Gesetzesrevision in die Wege, um die Akzeptanz dieses Steuerregimes zu erhöhen. Ende Juni legte die Landesregierung dem Parlament eine Botschaft zur Revision des Bundesgesetzes über die Besteuerung nach dem Aufwand vor. Die Eckpunkte entsprachen weitgehend den Empfehlungen der Finanzdirektorenkonferenz (FDK). Der Bundesrat schlug vor, die Bemessungsgrundlage für Bund und Kantone vom Fünffachen auf das Siebenfache des Eigenmietwertes bzw. des jährlichen Mietzinses anzuheben. Auf Bundesebene beantragte die Landesregierung, dass diese Bemessungsgrundlage mindestens 400 000 Franken zu betragen habe. Ausserdem sah die Botschaft vor, dass Verheiratete nur dann in den Genuss der Pauschalbesteuerung kommen, wenn beide Ehepartner Ausländer ohne Erwerbstätigkeit in der Schweiz sind BBl, 2011, S. 6021 ff.; NZZ, 1.7.11.
Wie der Ständerat im Vorjahr lehnte der Nationalrat eine im April 2008 eingereichte Standesinitiative des Kantons St. Gallen ab, welche die gesetzlichen Grundlagen zur Abschaffung der Pauschalbesteuerung vorgesehen hatte. Ebenso wenig fand eine parlamentarische Initiative Leutenegger Oberholzer (sp, BL) eine Mehrheit. Diese hätte verlangte, dass das Ermessen der Veranlagungsbehörden bei der Aufwandsbesteuerung einzuschränken sei und nur noch Ausländer pauschal besteuert werden, die weder im Inland noch im Ausland ein Erwerbseinkommen haben. Am 1. Mai lancierte überdies die Alternative Linke eine Volksinitiative zur Abschaffung der Pauschalbesteuerung St.Iv. 08.309 und Pa.Iv. 09.455: AB
NR, S. 763 ff.; SGT, 15.4.11; zur Initiative: BBl, 2011, S. 3551 ff. .
Im Vorjahr hatte der Nationalrat einer Motion der ständerätlichen Kommission Wirtschaft und Abgaben (WAK-SR) zugestimmt. Diese sah vor, die Sozialhilfebezüge zu besteuern und zugleich Arbeitstätige mit Einkommen am Existenzminimum steuerlich zu entlasten. Damit sollte ein Anreiz geschaffen werden, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Allerdings wandelte die grosse Kammer den zwingenden Gesetzgebungsauftrag in einen Prüfungsauftrag um. In der Frühjahrssession stimmte der Ständerat dieser Motion in abgeänderter Form zu Mo.10.3340: AB SR, 2011, S. 227 f. .
Gegen den Antrag des Bundesrats stimmte der Nationalrat einer Motion Humbel (cvp, AG) zu. Diese verfolgte das Ziel, den Steuerabzug für Versicherungsprämien und Zinsen auf Sparkapitalien zu erhöhen. Damit sollte dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die Krankenkassenprämien in den letzten Jahren teilweise über die Abzugsmöglichkeiten hinaus angestiegen waren. Die Annahme kam mit einer knappen Mehrheit von 93 zu 88 Stimmen zu Stande. Der Entscheid des Ständerates zu diesem Vorstoss wurde auf 2012 angesetzt Mo.10.3326: AB NR, 2011, S. 1497..
Im November lancierte ein in Bönigen (BE) domiziliertes Komitee die Volksinitiative „Ja zum Steuerabzug bei Wahl- und Stimmbeteiligung“. Das Begehren fordert, dass die Teilnahme an eidgenössischen Urnengängen mit einem Steuerabzug in der Höhe von 100 Franken pro Vorlage belohnt werden sollte. Bei kantonalen Abstimmungen und Wahlen wurde dieser auf 50 Franken und auf kommunaler Ebene auf 25 Franken angesetzt BBl, 2011, S. 8757 ff..
Zu den steuerlichen Förderungsmittel im Bereich des Wohnungswesens, den Bausparinitiativen sowie der Eigenmietwertbesteuerung siehe Teil I, 6c (Wohnungsbau und -eigentum).
Im Bereich der Familienbesteuerung nahm der Nationalrat in der Sommersession als Erstrat eine Motion Bischof (cvp, SO) zur
Beseitigung der sogenannten Heiratsstrafe an. Dieser Vorstoss forderte den Bundesrat auf, eine Gesetzesrevision vorzulegen, welche der steuerlichen Benachteiligung von Verheirateten gegenüber Konkubinatspaaren und Alleinstehenden sowie von Einverdiener- gegenüber Doppelverdienerehepaaren auf Ebene des Bundes und der Kantone ein Ende setzt
[13].
In der Wintersession überwies der Nationalrat ein Postulat der BDP-Fraktion. Dieses beauftragte den Bundesrat,
zivilstandsunabhängige Besteuerungen und Rentenzahlungen zu prüfen
[14].
Die
Familieninitiative der SVP kam im September mit 113 000 gültigen Unterschriften zu Stande. Mit dieser Volksinitiative fordert die Volkspartei, dass alle Familien im gleichen Ausmass Steuerabzüge geltend machen können – unabhängig davon, ob die Eltern ihre Kinder selber oder in einer Krippe betreuen lassen
[15].
Im Mai beschloss die CVP, gleichzeitig zwei Volksinitiativen im Bereich der
Familienbesteuerung zu lancieren. Das eine Begehren fordert die Streichung der Besteuerung von Kinder- und Ausbildungszulagen, während sich das andere gegen die Heiratsstrafe richtet
[16].
Für grosses Aufsehen sorgten im Berichtsjahr die unerwartet hohen Steuerausfälle im Zusammenhang mit der Unternehmenssteuerreform II. Im Februar 2008 hatte das Stimmvolk diese Vorlage mit einem Ja-Anteil von 50,5% angenommen. 2011 trat das Kapitaleinlageprinzip in Kraft. Demnach durften Aktiengesellschaften Dividenden steuerfrei ausschütten, sofern diese formell als Kapitalrückzahlungen galten. Von besonderer Bedeutung waren Aufgelder, welche die Aktionäre über den Aktiennennwert hinaus in eine Firma einbezahlt hatten. Die Unternehmenssteuerreform sah vor, dass solche Agios rückwirkend bis 1997 geltend gemacht und in Form von Kapitalrückzahlungen erstattet werden konnten. Zum öffentlichen Thema wurde das Kapitaleinlageprinzip anfangs Jahr, als verschiedene börsenkotierte Unternehmen ankündigten, steuerfreie Dividenden auf Basis der neuen Regelung auszurichten. Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) gab anfangs März bekannt, dass Kapitaleinlagen von gegen 200 Milliarden Franken erfasst worden waren. Bis Dezember stieg dieser Betrag auf 545 Milliarden Franken. Die Unternehmungen hatten bis Mitte 2012 Zeit, ihre Reserven aus Kapitaleinlagen anzumelden. Die lange Rückwirkungszeit des Kapitaleinlageprinzips liess hohe Steuerausfälle erwarten, deren Tragweite allerdings schwierig zu beziffern war. In der Fragestunde des Nationalrates vom 14. März teilte Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf mit, dass für die kommenden zehn Jahre mit Mindereinnahmen von 4 bis 6 Milliarden Franken zu rechnen war, wobei jeweils die Hälfte auf das Konto der Einkommens- und der Verrechnungssteuer ging. Darüber hinaus räumte der Bundesrat Fehler in seiner Kommunikation ein. So sei das Abstimmungsbüchlein nicht vollständig gewesen. Dennoch verzichtete die Landesregierung darauf, unmittelbare Korrekturen vorzunehmen.
Die Gegner der Unternehmenssteuerreform äusserten ihren Unmut über die Steuerausfälle. Angesichts des knappen Ergebnisses an der Urne fühlten sie sich um einen Abstimmungssieg geprellt. In einer durch die Ratslinke einberufenen
Sondersession scheiterten jedoch sämtliche Vorstösse, welche die Rückwirkung des Kapitaleinlageprinzips entweder aufheben oder korrigieren wollten, am Widerstand der SVP, der FDP und einer Mehrheit der CVP. Vertreter der SP unternahmen zudem den Versuch, auf juristischem Weg eine Wiederholung der Abstimmung durchzusetzen. Das Bundesgericht wies entsprechende Klagen der Nationalräte Margret Kiener-Nellen (sp, BE) und Daniel Jositsch (sp, ZH) zurück, rügte in seinem Urteil allerdings auch die unvollständige Informationspolitik des Bundesrats
[17].
Dagegen fand im Nationalrat in der Wintersession eine Motion der freisinnigen Fraktion eine Mehrheit, die eine rasche Umsetzung einer
Unternehmenssteuerreform III forderte. Demnach sollte der Bundesrat dem Parlament bis am 31. März 2012 eine entsprechende Botschaft vorlegen. Dieser Vorstoss wurde im Zusammenhang mit möglichen Massnahmen zur Abfederung der Frankenstärke eingereicht. Allerdings erfolgte der Entscheid des Ständerats nicht mehr im Berichtsjahr
[18].
Zur internationalen Amtshilfe bei Steuerdelikten siehe Teil I, 4b (Banken) sowie Teil I, 2 (Bilaterale Beziehungen).
[13] Mo.10.4127:
AB
NR, 2011, S. 1262.
[14] Po.10.3545:
AB
NR, 2011, S. 2261.
[15]
BBl, 2011, S. 6671 f.
[16]
BBl, 2011, S. 3803 ff.; vgl. Teil IIIa (CVP).
[17] Ausserordentliche Session 11.9006:
AB
NR, 2011, S. 601 ff.;
AB
SR, 2011, S. 511ff; Medienmitteilung ESTV vom 2.3.11;
NZZ 8.3., 15.3., 13.4. und 13.12.11.
[18] Mo. 11.3789:
AB
NR, 2011, S. 2219.
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