Année politique Suisse 2011 : Infrastructure, aménagement, environnement / Transports et communications / Telekommunikation und Post
Bezüglich der Ausgestaltung des derzeit mehrheitlich unregulierten Glasfasermarkts (siehe oben, Abschnitt Telekommunikation) kam es im Verlauf des Berichtsjahrs zu einem eigentlichen Seilziehen zwischen der Wettbewerbskommission (Weko) und der Swisscom um die kartellrechtlich saubere Ausgestaltung der Kooperationsverträge, die letztere mit den Elektrizitätswerken Genf, Zürich, St. Gallen, Bern, Luzern, Basel sowie Freiburg eingegangen war. Um allfälligen späteren Klagen wegen Wettbewerbsbehinderung oder Kartellabreden entgegenzuwirken und mit dem Ziel, eine rechtsverbindliche Sanktionsbefreiung für harte Wettbewerbsabreden über die gesamte Vertragsdauer von 40 Jahren zu erhalten, legten fünf Vertragspartner ihre
Glasfaser-Kooperationsverträge der Weko zur Prüfung vor. In ihrem Urteil kam diese zum Schluss, dass das gewählte Mehrfasermodell den Wettbewerb auf den Glasfasernetzen zwar grundsätzlich ermöglicht, dass einzelne Vertragsklauseln (Monopol der Elektrizitätswerke bei der Vermietung der Glasfasern, die sog. Layer-1-Exklusivität, sowie eine Investitionsschutzklausel und Ausgleichszahlungsvereinbarungen) jedoch wettbewerbsrechtlich heikel seien. Die Weko sah zwar von einem Verbot der angestrebten Kooperationen ab, drohte aber mit Sanktionen, falls die Verträge nicht in ihrem Sinn überarbeitet würden. Daraufhin gab die Swisscom bekannt, die bereits unterschriebenen Verträge kartellrechtskonform nachzuverhandeln und laufende Kooperationsverhandlungen zu sistieren. Ende Dezember konstituierte sich die Interessenvertretung Glasfaser Schweiz. Die Swisscom, die darin vertretenen Politiker und diverse städtische Elektrizitätswerke streben darüber die Intensivierung des Glasfaserausbaus an, der nach dem Weko- Entscheid im September ins Stocken geraten war
[63].
Im April bestätigte das Bundesgericht das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, gemäss dem die Swisscom die rekordhohe Kartellbusse von 333 Mio. Fr., welche die Weko 2007 gegen sie verhängt hatte, nicht bezahlen muss. Die Weko hatte entschieden, dass die Swisscom ihre
marktbeherrschende Stellung missbraucht hatte, um der Konkurrenz überhöhte Terminierungsgebühren aufzuzwingen. Sowohl die Vor- als auch die Letztinstanz äusserten sich nicht zum Zusammenhang zwischen Marktbeherrschung und Preisgestaltung, hielten aber die Zuständigkeit der Comcom (und nicht der Weko) zur Klärung des Sachverhalts fest. Keiner der betroffenen Wettbewerber hätte die Comcom jedoch dazu angerufen, weshalb die Frage des Preismasses auch nicht rechtmässig beantwortet worden sei und weshalb die Weko in ihrem Bussenbescheid einen Marktmissbrauch durch die Swisscom auch nicht explizit hätte feststellen dürfen
[64].
Unabhängig voneinander haben Swisscom und Sunrise im Februar beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde eingereicht gegen die von der Comcom auf Einsprache der Sunrise festgesetzten
Entbündelungspreise (letzte Meile). Dabei wandte sich Sunrise nicht nur gegen die Höhe der Preise sondern auch gegen die von der Swisscom angewandte Kostenberechnungsmethode für die Miete des Kupferkabels bzw. der Netzinfrastruktur. Gemäss Sunrise sollte die Festlegung der Mietpreise nicht nach dem Wiederbeschaffungsneuwert sondern nach dem Restwert erfolgen. Die Swisscom ihrerseits begründete ihre Einsprache mit dem Umstand, dass die Comcom mit der Festsetzung der Preise für die Entbündelung auf der letzten Meile Mitte Dezember 2010 ein ausstehendes Grundsatzurteil um Mietleitungspreise im Anschlussnetz – das Ende 2011 noch nicht entschieden war – nicht abgewartet hätte. Der Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts stand Ende 2011 noch aus
[65].
Im April entschied das Bundesverwaltungsgericht ein anderes von Sunrise angestrengtes Verfahren, das sich mit der Berechnungsgrundlage für den
Zugang zu den Kabelschächten auseinanderzusetzen hatte. Dabei wurde dem Telekommunikationsanbieter beschieden, dass die Kostenberechnungsmethode (Wiederbeschaffung vs. Restwert) in der Fermeldeverordnung festgehalten sei und damit dem Entscheid des Bundesrats unterstehe. In der Folge verlangte Filippo Lombardi (cvp, TI) vom Bundesrat in einer Interpellation Auskunft zu einer möglichen Praxisänderung bei der
Bewertung der Netzinfrastruktur. Die Kostenrechnungsmethode sei so anzupassen, dass allen Wettbewerbern der diskriminierungsfreie Netzzugang gewährt werde. Die Regierung wies in ihrer Antwort darauf hin, dass die entsprechende FDV-Revision (Verordnung über Fernmeldedienste) weit fortgeschritten und auf den Herbst 2012 zu erwarten sei
[66].
Zum verlustreichen
Fastweb-Engagement der Swisscom liess der Bundesrat auf die Frage Birrer-Heimo (sp, LU) verlauten, als Eignervertreter der Swisscom davon auszugehen, dass deren Auslandbeteiligungen künftig wieder zu ihrer Wertsteigerung und nicht zu ihrer Schwächung beitragen werde. Im Dezember gab Swisscom bekannt, im laufenden Geschäftsjahr bei Fastweb eine Wertberichtigung von 1,6 Mia. Fr. vorzunehmen und dadurch den Konzerngewinn mit 1,2 Mia. Fr. zu belasten
[67].
[63] Presse vom 5.1.11;
LT, 4.3.11;
NZZ, 22.3. und 8.10.11;
TA, 16.4.11;
NZZ, TA, Lib., 19.4.11;
NZZ, 15.6.11;
Expr., 22.6.11;
LN, 22./23.6.11;
TA, 4.8.11;
SoZ, 4. und 18.9.11; Medienmitteilung Weko vom 5.9.11; Presse vom 17.9.11;
TA, 6.9. und 10.11.11;
NZZ, 6.9., 17.9, 28.9., 8.10. und 22.12.11.
[64] BGE_2C_343/2010, BGE_2C_344/2010; Presse vom 21.4.11;
SPJ 2007, S. 178.
[65] Presse vom 7.2.11;
NZZ, 8.2.11;
SPJ 2010, S.191.
[66] Ip. 11.3931:
AB SR, 2011, S. 1277 f.; BVGer A-300/2010;
TA und
NZZ, 16.4.2011;
SPJ 2010, S. 191.
[67] Frage 11.5051:
AB NR, 2011, S. 166;
NZZ, 8.3.11, Presse vom 15.12.11.
Copyright 2014 by Année politique suisse