Année politique Suisse 2011 : Infrastructure, aménagement, environnement / Transports et communications / Telekommunikation und Post
Nach dem Willen des Bundesrats und einer Mehrheit des Parlaments soll die Entwicklung des Fernmeldewesens durch den Infrastrukturwettbewerb getrieben und möglichst wenig reguliert werden. Verwaltung, Bundesrat und Räte suchten im Berichtsjahr nach der geeigneten Form, die eine möglichst flächendeckende Versorgung der Schweiz mit
Breitband- bzw. Hochbreitbandangeboten unter Wettbewerbsbedingungen erlaubt. Zur Hochbreitbandtechnologie, auch
next generation network (NGN), werden neben der digitalen Telefonleitung über das Kupferkabel VDSL, die Glasfasertechnik FTTH (
fiber to the home), die hochleistungsfähigen Frequenzbänder LTE (
long term evolution) für die Mobilfunktechnologie (in der Nachfolge von UMTS bzw. GMS) sowie das Kabelfernsehen CATV (
cable television) gezählt. Bereits 2008 hatten die Kommunikationskommission (Comcom) sowie das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) einen runden Tisch zusammengerufen, der sich mit der Verlegung der Glasfaser als einer der verwendeten Hochbreitbandtechnologien beschäftigte. In ihren beiden Treffen 2011 entschieden die Akteure des runden Tischs, gemeinsam auf das wettbewerbsfähige FTTH-Modell zu setzen und die bis anhin auf die Glasfaser beschränkten Gespräche – für deren Verlegung in den Gebäuden sie sich auf einen gemeinsamen technischen Standard einigten – auf alle Hochbreitbandtechniken auszuweiten. Im September fanden die ersten Gespräche unter erweiterter Thematik statt
[53].
Im Sommer überwies der Nationalrat stillschweigend ein im April eingereichtes Postulat Amherd (cvp, VS), das die Schaffung von
Transparenz bei der Planung und beim Bau der Breitbandinfrastruktur forderte. Eine staatlich koordinierte Investitionsplanung, die einer staatlich garantierten Grundversorgung gleichkommt, soll die Entwicklung eines digitalen Grabens zwischen zentralen und peripheren Lagen verhindern helfen und wettbewerbsregulierend eingreifen. In seiner Antwort auf das Postulat wies der Bundesrat auf die geplante Schaffung einer Arbeitsgruppe unter der Leitung des Bakom hin, die sich breitabgestützt mit der Thematik befassen soll. Im Frühsommer lud das Amt Netzbetreiber, Verbände, Gemeinden, Elektrizitätswerke, Regionen und Kantone zur Mitarbeit in der Arbeitsgruppe NGA (
next generation access) ein
[54].
In der Herbstsession überwies der Ständerat als Zweitrat eine Motion Cathomas (svp, GR) zur Verbesserung der
Breitbandversorgung im Rahmen der Grundversorgung. Gleichzeitig behandelte er eine Motion Maissen (cvp, GR), welche die beschleunigte Erschliessung mit Glasfaseranschlüssen mittels regionaler Ausschreibungsverfahren forderte. Beide Vorstösse beabsichtigen, der befürchteten Benachteiligung der Randregionen in der Versorgung mit leistungsfähigen Glasfasernetzen entgegenzutreten. Nachdem der Ständerat die Motion Cathomas überwiesen und der Bundesrat versichert hatte, die im Fernmeldegesetz von 2007 festgelegte Breiband-Grundversorgung regelmässig über den Verordnungsweg an die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedürfnisse anzupassen, zog Theo Maissen seine Motion zurück
[55].
Die für die erste Jahreshälfte 2011 geplante
Versteigerung der bis 2028 gültigen Mobilfunkfrequenzen des bisherigen Angebots (GSM, UMTS) sowie der neuen sogenannten LTE wurde von der Comcom im Mai aufgrund von Unklarheiten zu den Auktionsbedingungen auf das erste Quartal 2012 verschoben
[56].
Nachdem der Ständerat 2009 ein Postulat Janiak (sp, BL) zur Überprüfung der
Frequenzreserven
für Radio und TV auf Basis des Radio- und Fernseh- sowie des Fernmeldegesetzes noch abgelehnt hatte, überwies der Nationalrat mit 116 zu 45 Stimmen im März des Berichtsjahrs den gleichlautenden Vorstoss Leutenegger (fdp, ZH). Der Bundesrat wies vergeblich darauf hin, dass eine Überprüfung des UKW-Frequenzbereichs und der Möglichkeiten des DAB+-Sendernetzes bereits stattgefunden hätten
[57].
Die hohen
Roamingkosten für Kunden schweizerischer Mobilnetzanbieter beschäftigten im Berichtsjahr verschiedene Akteure. Auf Druck von Konsumentenorganisationen räumte Swisscom ihren Kunden ab Februar die Möglichkeit ein, eine persönliche Kreditlimite festzulegen für Ferngespräche aus dem Ausland, die über das Mobiltelefon getätigt werden. Im Juni kündigten Swisscom und Sunrise an, Warnungen und Kostenlimiten fürs Datenroaming einführen zu wollen. Im Herbst gab Swisscom bekannt, die Roamingtarife schrittweise auf 65 Rappen pro Gespräch zu senken. Eine im Mai des Berichtsjahrs im Nationalrat eingereichte Motion Fuchs (svp, BE) verlangte „Faire Handy- und SMS-Gebühren auch für Schweizerinnen und Schweizer“. Darin wird der Bundesrat aufgefordert, die Höchsttarife für das Roaming an den EU-Standard anzupassen, der bis zu viermal tiefer angesetzt ist als die Schweizer Preise. Der Vorstoss wurde nach Fuchs‘ verpasster Wiederwahl im Oktober von Nathalie Rickli (svp, ZH) übernommen. In der ersten Session der 49. Legislatur nahm der Rat gegen den Willen des Bundesrats mit 181 zu 5 Stimmen eine praktisch gleichzeitig eingereichte, inhaltlich deckungsgleiche Motion Wyss (sp, BE) an
[58].
Die Räte überwiesen eine Motion Barthassat (cvp, GE), die eine Verlängerung der Aufbewahrungspflicht für
Protokolle über die Zuteilung von IP-Adressen verlangte. Der Bundesrat unterstützte den Vorstoss mit dem Hinweis, dass eine entsprechende Anpassung des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 2000 betreffend Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs im Rahmen der laufenden Totalrevision vorgesehen sei. Zum strafrechtlichen Aspekt (Cyberkriminalität) siehe Teil I, 1b (Rechtsordnung)
[59].
[53]
AZ, 3.1.2011; Faktenblätter Bakom, 2011; Medienmitteilung Bakom vom 14.1.11;
SPJ 2009, S. 167;
SPJ 2010, S. 192.
[54] Po. 11.3374:
AB NR, 2011, S. 1268;
NZZ, 18.5.11;
SPJ 2010, S. 190 f.
[55] Mo. 10.3742 (Cathomas), Mo. 09.3617 (Maissen):
AB SR, 2010, S. 890 f.;
SPJ 2010, S. 191.
[56]
NZZ, 31.1.11; Presse vom 1.2.11;
SoS, 31.5.11;
SPJ 2010, S. 192.
[57] Po. 09.3074 (Janiak), Po. 09.3071 (Leutenegger):
AB NR, 2011, S. 402 f.;
SPJ 2009, S. 272;
SPJ 2010, S. 303.
[58] Mo. 11.3472 (Fuchs/Rickli), 11.3524 (Wyss):
BZ, 2.2.11;
24h, 25.2.11;
SoZ, 5.6.11;
Lib., 16.6.11;
SoS, 22.6.11;
Expr., 15.7.11;
BZ, 9.9.11,
SN und NLZ, 21.9.11.
[59] Mo. 10.4133:
AB NR, 2011, S. 528;
AB SR, 2011, S. 856 f.;
SPJ 2006, S. 253;
SPJ 2007, S. 287.
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