Année politique Suisse 2011 : Infrastructure, aménagement, environnement / Protection de l'environnement / Natur- und Heimatschutz
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Verbandsbeschwerderecht
Um einen vollständigen Ausstieg aus der Atomenergie in Erwägung zu ziehen, bedarf es nach Hans Rutschmann (svp, ZH) möglichst effizienter Verfahren, um auf alternative Energiequellen zurückgreifen zu können. Aus diesem Grund forderte er in einer Motion die Aufhebung des Verbandsbeschwerderechts bei Energieprojekten. Eine ablehnende Antwort erhielt der Motionär vom Bundesrat. Dieser war der Ansicht, dass das Beschwerderecht in der Vergangenheit mit Mass und meist zu Recht verwendet worden sei. Wo es ergriffen wurde, habe es selten zur Sistierung eines Projektes geführt, sondern eher zu dessen Qualitätsverbesserung beigetragen. Der Nationalrat hingegen nahm das Anliegen in der Sommersession mit 98 zu 87 Stimmen an. Gegen eine Einschränkung des Verbandsbeschwerderechtes stellten sich die SP, die Grünen und die BDP. Die CVP zeigte sich gespalten. Die ständerätliche UREK unterbreitete ihrem Rat infolgedessen eine abgeänderte Version der Motion. Diese sah nicht die Abschaffung des Beschwerderechtes in Energieprojekten vor, sondern eine Prüfung von Massnahmen, die sicherstellen würden, dass das Beschwerdeverfahren gegen Anlagen zur Produktion von Strom mittels erneuerbarer Energien möglichst kurz gehalten würde. Dies stiess sowohl im Ständerat wie auch im Nationalrat auf Zustimmung und die Motion wurde mit neuem Wortlaut an den Bundesrat überwiesen [27].
Das Verbandsbeschwerderecht war ebenfalls das Thema einer Motion Scherer (svp, ZG), welche aufgrund der sich abzeichnenden Wirtschaftskrise sogar dessen vollständige Abschaffung forderte. Der Nationalrat sprach sich wie auch der Bundesrat gegen eine Aufhebung des Beschwerderechtes aus. Neben je einer kleinen Minderheit aus CVP und FDP stand einzig die SVP im Nationalrat geschlossen für eine Aufhebung des Beschwerderechtes ein. Somit äusserte sich auch der Nationalrat positiv zum Instrument der Umweltschutzorganisationen und bestätigte den 2008 ausgedrückten Volkswillen [28].
Mit einer im Jahr 2006 beschlossenen Teilrevision des Umweltschutzgesetzes und des Natur- und Heimatschutzgesetzes wurde unter anderem konkretisiert, dass beschwerdeberechtigte Umweltorganisationen keine wirtschaftlichen Tätigkeiten ausführen dürfen – mit Ausnahme solcher Aktivitäten, die der Erreichung der ideellen Zwecke der Organisation dienen. Eine darauffolgende Überprüfung durch das UVEK führte zu Tage, dass sechs der berechtigten Umweltorganisationen, darunter der Verkehrs-Club der Schweiz (VCS), wirtschaftlichen Tätigkeiten nachgingen, die einer genaueren Überprüfung bedürfen. Diese ergab jedoch, dass sich die Tätigkeiten all dieser Organisationen im gesetzlichen Rahmen befinden und aufgrund dessen keiner Organisation das Beschwerderecht zu entziehen sei. Eine Anhörung ergab, dass im Speziellen die Wirtschaftsverbände und Automobilorganisationen der Ansicht waren, dem VCS sei das Beschwerderecht zu entziehen. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass rund 55% der Einnahmen des VCS durch das Versicherungsgeschäft erfolgten [29].
 
[27] Mo. 11.3338: AB NR, 2011, S. 1017 und 1908; AB SR, 2011, S. 993 ff.; vgl. auch unten, Teil III b (Verbände).
[28] Mo. 09.3685: AB NR, 2011, S. 598; vgl. auch unten, Teil III b (Verbände).
[29] Ergebnisse der Anhörung einsehbar unter www.admin.ch; vgl. SPJ 2006, S. 174.