Année politique Suisse 2011 : Enseignement, culture et médias / Médias
 
Medienpolitische Grundfragen
Die Qualität der Medien war ein zentrales medienpolitisches Thema im Berichtsjahr. Im Februar erschienen sechs Studien zur Situation und Qualität der Schweizer Medien, welche der Bundesrat als Antwort auf ein Postulat Hans-Jörg Fehr (sp, SH) in Auftrag gegeben hatte. Im Postulat ging es um die zentrale Bedeutung der Medien, insbesondere der Presse für die demokratische Willensbildung. Die Studien bestätigten zum einen die fortgeschrittene Pressekonzentration, zum anderen eine Verschlechterung der Medienqualität [1]
Im Oktober erschien das zweite Jahrbuch „Qualität der Medien“, das erneut ein negatives Bild der Medienqualität in der Schweiz zeichnete. Der Bericht zeigt auf, dass die Medien generell stärker auf „Softnews“ statt „Hardnews“ setzen. So würden sauber recherchierte Berichte von politischer oder wirtschaftlicher Relevanz (Hardnews) zunehmend durch eine personifizierte Betroffenheitsberichterstattung (Softnews) verdrängt, die sich primär mit Katastrophen, Unfällen und Krisen sowie dem Sportgeschehen auseinandersetzt. Ausserdem sei der Umgang der Medien mit ihren Informationsquellen oft wenig transparent, wobei vor allem das Monopol der Schweizerischen Depeschenagentur (SDA) angesprochen wird. Der Anteil der unverändert abgedruckten Agenturmeldungen sei von 32% (2009) auf 47% (2010) gestiegen. Bei der Berichterstattung zur Schweizer Politik habe der Anteil der von der SDA produzierten Meldungen 99% betragen. Die Studie wurde in den Medien rege diskutiert und aufgrund formaler Mängel kritisiert. Die Studie würde Emotionen statt Fakten liefern und dabei Inhalte gezielt verzerren. Ausserdem würde sie Daten fahrlässig präsentieren und Informationen unterschlagen [2]
Am Swiss Media Forum 2011, das zum ersten Mal stattfand, äusserte sich Bundesrat Johann Schneider-Ammann zur staatstragenden Funktion der Medien und der gebotenen Qualität, die sich in Objektivität, Korrektheit, Unabhängigkeit, Vielfältigkeit, Verständlichkeit und Konstanz niederschlagen soll [3].
Die Sorge um die weiterhin zunehmende Pressekonzentration rief die Politik auf den Plan. Die direktdemokratische Staatsform der Schweiz sei auf funktionierende Medien angewiesen. Insbesondere die Regionalzeitungen und der Lokaljournalismus würden den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern entscheidungsrelevante Informationen liefern und damit eine staatspolitische Funktion wahrnehmen, die weder durch das Radio und Fernsehen noch durch das Internet abgedeckt werde [4].
Medien, insbesondere das Fernsehen dienen den Parteien und ihren Exponenten auch als Wahlkampfmotoren und Plattformen für die Eigendarstellung. Der Kampf um die knappe Aufmerksamkeit der Leser- und Wählerschaft wird zunehmend in der Medienarena ausgetragen und ist während intensiven Phasen wie Wahlkämpfen besonders heftig. Auf Sat1 Schweiz wurde im August „Filippos Politarena“ neu lanciert, was auf ein breites Medienecho traf, weil ein aktiver Politiker als Moderator einer Diskussionssendung fungierte [5]
Gefordert wurde von den Medien auch mehr Transparenz in der Meinungsforschung. Meinungsumfragen gehören seit 1998 zum fixen Programmbestandteil der SRG vor Wahlen und Abstimmungen. Zuletzt in die Kritik geraten waren die Prognosen des Forschungsinstituts gfs im Vorfeld der Abstimmung über die Minarettinitiative 2010. Die SRG hielt nach einer kurzen Sistierung an der Zusammenarbeit mit der gfs fest und rechtfertigte dies mit der Beurteilung des Sachverhalts durch die Unabhängige Beschwerdeinstanz. Diese hatte festgestellt, dass die programmrechtlichen Vorgaben erfüllt und die Regeln des Branchenverbands eingehalten worden waren [6].
Die Schweizer Medien haben von der wirtschaftlichen Erholung profitiert. Gemäss des Marktforschungsinstituts Media Focus waren die Werbeeinnahmen 2010 im Vergleich zum Vorjahr insgesamt um 9% gestiegen. Das Wemf-Auflagebulletin zur Printpresse zeigte jedoch, dass vor allem Gratiszeitungen vermehrt konsumiert wurden. Die Medienwirtschaftsstudie kam allgemein zum Schluss, dass das Werbevolumen der Printpresse in zehn Jahren zwischen 2000 und 2010 um ein Drittel gesunken sei. Zwar habe die Internetwerbung stark an Bedeutung zugenommen, der Erlös der Verlage aus der Printpresse schrumpfe jedoch kontinuierlich: 2008 gaben private Haushalte 19% weniger Geld für Printmedien aus als noch 2000. Entscheidend für die Verlagerung des Werbevolumens vom gedruckten in Richtung Online-Format, ist laut Studie der Wandel in der Mediennutzung. 70% der in der Schweiz wohnhaften Personen benutzen das Internet täglich. Während der Fernsehkonsum nur leicht zunahm, stagnierte das Radiohören. Gleichzeitig stellte die Studie fest, dass die Reichweite sogenannter Kauf-Tageszeitungen in der Bevölkerung abnehme [7].
Der Gesetzgeber beschäftigte sich im Berichtsjahr vornehmlich mit der SRG und der Teilrevision zum Radio- und Fernsehgesetz Die Motion für ein „Neues System für die Erhebung der Radio- und Fernsehgebühren“ wurde vom Ständerat überwiesen, nachdem der Nationalrat sie bereits 2010 angenommen hatte. Ein Postulat und eine Motion Fehr (sp, SH), die einen Bericht und ein Observatorium zu den Dynamiken im Internet forderten, um damit auch den gezielten Umgang mit neuen Medien zu fördern, wurde in der grossen Kammer hingegen abgelehnt (siehe unten). Weiter setzte der Bundesrat auf die Selbstregulierung der Medien [8].
Zum Postulat Schmid-Federer (cvp, ZH), das die Erarbeitung eines umfassenden Informations- und Kommunikations (IKT)-Grundlagengesetz verlangt, siehe Teil I, 6b (Telekommunikation).
 
[1] Po. 09.3629: AB NR, 2009, S. 1806; zu den 6 Studien des Bakom: Lit. Ecoplan; Lit. Kamber, Lit. Keel und Wyss Lit. Kradolfer et al., Lit. Meier, sowie Lit. Rimscha und Siegert.
[2] SoS und NZZ 7.10.11; Lit. Imhof.
[3] TA, 8.10.11.
[4] AZ, 13.5.11.
[5] Tagespresse vom 7.8.2011
[6] BZ, 20.7.2011; vgl. auch oben Teil I, 1 c (Volksrechte); vgl. SPJ 2010, S. 49 und S. 292.
[7] Wemf, Auflagebulletins 2011; SoS, 19.1.11; NZZ, 6.9.11; zur Studie Lit. Kradolfer et al.
[8] Mo. 10.3014: AB SR, 2011, S. 1360 ff. (zum Radio- und TV- Gesetz); Mo. 09.3642 und Po 09.3628: AB NR, 2011, S. 594.