Année politique Suisse 2011 : Enseignement, culture et médias / Médias
 
Presse
Die Wemf hat ermittelt, dass neun von zehn Einwohnern ab vierzehn Jahren regelmässig Zeitung (inkl. Gratiszeitungen) lesen. Dieser Studie zufolge konnte die Schweizer Presse zwar ihre Reichweite noch halten, dennoch stünden die traditionellen Titel teilweise unter Druck. Der Mehrjahresvergleich verdeutlichte den Strukturwandel und zeigte auf, dass die Auflagezahlen der meisten Titel empfindliche Verluste hinnehmen mussten. Als dramatisch wurden die Einbussen der Westschweizer Tagespresse eingestuft. Klar zulegen konnten weiterhin die Gratiszeitungen. Meistgelesene Tageszeitung war „20 Minuten“ mit einer Auflage von 1 379 000 Stück. [9]
Die Stiftung Werbestatistik Wemf zeigte auf, dass die gedruckte Presse dank dem wirtschaftlichen Aufschwung mehr Werbefläche verkaufen konnte. Die Inserateeinnahmen sind 2011 um 4,7% gestiegen, weil unter anderem die Werbefläche teurer verkauft werden konnte. Die Autoren der Medienzukunftsstudie des Bakom zweifeln jedoch an der langfristigen Finanzierbarkeit von Qualitätsprintprodukten durch Werbung und Zeitungsverkauf. Falls es den Verlagen nicht gelinge, im Online-Bereich Pay-Modelle zu etablieren, schlagen die Autoren regulatorische Massnahmen vor. Sie stellen jedoch die Frage, ob nur die gedruckte Presse als demokratiestützend angesehen werden kann, oder ob diese Funktion auch von anderen Medien geleistet wird [10]
Die NZZ-Mediengruppe konnte ein stark verbessertes Jahresergebnis vorweisen. Auch für die Tagblatt-Medien-Gruppe war 2011 ein gutes Jahr. Sie konnte den Gewinn von rund zwei auf knapp sieben Millionen Franken steigern. Die LZ-Medien-Holding ihrerseits steigerte den Reingewinn um 44% und die AZ-Medien bewegten sich ebenfalls in der Gewinnzone [11].
Die linke Wochenzeitung WoZ, Sprachrohr der Jugendbewegung der 80-er Jahre und Kontrapunkt zu den etablierten Medien, feierte im Oktober des Berichtsjahrs ihr 30-jähriges Bestehen [12]
Die Presselandschaft entwickelte sich im Berichtsjahr weiter. Die AZ-Medien verkauften das „Langenthaler Tagblatt“ im Dezember 2011 an die Espace Media, wobei die Zustimmung der Wettbewerbskommission Ende des Berichtsjahrs noch ausstand. Seit September des Berichtjahrs verlegt Tamedia „20 Minuten“ in italienischer Sprache und kooperiert dabei mit dem Verleger der Zeitung „La Regione Ticino“. Damit machte Tamedia, nach dem Zusammenschluss mit der Westschweizer Edipresse, ihren Einfluss auch im Tessin geltend.In Konkurrenz dazu lancierte der frühere Lega-Nationalrat und Herausgeber der Sonntagszeitung „Il Mattino della Domenica“ Giuliano Bignasca mit „10 minuti“ eine eigene Gratiszeitung. Diese erschien dreimal in der Woche. Der Name des Bignasca-Titels wurde von „20 Minuten“-Herausgeberin Tamedia beim zuständigen Gericht in Lugano eingeklagt. Ende Oktober erschien in Basel zum ersten Mal die Wochenzeitung „TagesWoche“. Sie war rund um die Aufregung über das Beratermandat von Christoph Blochers Robinvest bei der „Basler Zeitung“ lanciert worden und versteht sich als publizistisches Gegengewicht zur BaZ im Raum Basel [13].
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Presseförderung
Die Wirksamkeitsstudie der Presseförderung hält fest, dass die Subventionen, die der Schweizer Presse seit Jahrzenten zufliessen, wirkungslos verpuffen. Weder der reduzierte Mehrwertsteuersatz, der einer Subvention von CHF 60 Mio. im Jahr gleichkommt, noch die Verbilligung der Posttaxen im Umfang von CHF 30 Mio. würden eine nachhaltige Wirkung zeigen. Der Studie zufolge ist dieser Betrag zu klein und zu wenig spezifisch. Die Experten stellen fest, dass die Subventionen keinen Einfluss auf die wirtschaftliche Performanz der Presse haben, während die Konjunktur und die veränderten Nutzungsgewohnheiten diese eher modellieren. Demzufolge wäre es sinnvoller, das publizistische Angebot auf den Online-Plattformen einer Gebühr zu unterstellen [14].
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Pressekonzentration
Alle sechs vom Bakom veröffentlichten Studien sind sich einig, dass der Konzentrationsprozess im Zeitungswesen voranschreitet. Die Medienwirtschaftsstudie zeigt die veränderten Besitzverhältnisse der meistgelesenen Kauf- und Gratis-Tageszeitungen auf. Die Zahl der Kaufzeitungen sank zwischen 1960 und 2009 von 368 auf 198. Im gleichen Zeitraum ging die Anzahl ausgebauter Redaktionen von 45 auf 32 zurück und die fünf grössten Verlage haben in der Deutschschweiz mittlerweile einen Marktanteil von über 90%. Die verbleibenden vier Verlage in der französischsprachigen Schweiz beherrschen sogar 100% des Marktes. Hatten vor zehn Jahren noch drei von vier Personen regelmässig eine Kaufzeitung gelesen, waren es im Berichtsjahr noch zwei von drei. Personen unter 30 Jahren lesen gemäss der Studie häufiger die Gratispresse als gekaufte Zeitungen [15].
Die Studie zur Meinungsvielfalt in ausgewählten Regionen kommt zum Schluss, dass ein dominantes Medienunternehmen pro Region die Regel ist. Die demokratierelevante Berichterstattung, insbesondere über den lokalen politischen Entscheidungsprozess werde unterschiedlich umfassend gewährleistet und beschränke sich oft auf kritiklose gesellschaftspolitische Ereignisberichterstattung. Gemäss den befragten Medienschaffenden wirkt sich die mangelnde publizistische Konkurrenz nachteilig aus [16].
In der Ostschweiz und in der Region Zürich setzte sich die Pressekonzentration in besonders grossem Ausmass fort. Die „Thurgauer Zeitung“ wurde von der NZZ-Gruppe zum Kopfblatt des „St. Galler Tagblatts“ mit eigenem Kantons- und Regionalteil umgebaut. Der Mantelteil und das Layout werden neu aus St. Gallen übernommen. Gleichzeitig erschienen der „Landbote“, der „Zürcher Oberländer“, die „Zürichsee-Zeitung“ und der „Zürcher Unterländer“ neu mit einer gemeinsamen überregionalen Berichterstattung. Dieser Zürcher Regionalzeitungsverbund war entstanden, nachdem die Tamedia-Mediengruppe 2010 bei der Zürichsee-Zeitung und dem Zürcher Unterländer die Mehrheitsbeteiligung übernommen hatte [17].
Im Zusammenhang mit den undurchsichtigen Besitzerwechseln bei der BaZ sowie der unklaren Rolle Christoph Blochers war es 2010 zur Kündigung von über 1600 Abonnementen und zu Protestaktionen auf der Redaktion gekommen. Im Februar des Berichtsjahres wurde bekannt, dass der derzeitige Besitzer Moritz Suter die BaZ für nur CHF 1 Mio. übernommen hatte. Suter war nicht bereit offenzulegen, wer seine Übernahme mitfinanziert hatte. Es wurde spekuliert, dass Christoph Blocher hinter dem BaZ-Deal stecke. Im Sommer forderte der Presserat eine Offenlegung der Besitzverhältnisse. Mitte Dezember schliesslich, übernahm abermals der Tessiner Tito Tettamanti mit einer „MedienVielfalt Holding AG“ die BaZ, die zwei Tage zuvor von Moritz Sutter an die Familie Blocher gegangen war. Diese gab bekannt, dass sich ihr finanzielles Engagement auf eine Defizitgarantie zugunsten des Druckgeschäfts der BaZ beschränkt habe [18].
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Arbeitsbeziehungen
Journalistinnen und Journalisten finden im Internet ein neues Tätigkeitsfeld. Um den Stellenabbau in den traditionellen Redaktionen und die Budgetkürzungen zu kompensieren, machen sich Medienschaffende vermehrt mit Informationsplattformen im Internet selbstständig. Einige der neueren Plattformen sind, „Neuland“, „Journal 21“, „Infosperber“, „Medienwoche“ oder „Literatur und Kunst“ [19].
 
[9] Wemf, Auflagebulletins, 2011; Presse vom 6.9.11; Lit. Rimscha und Siegert (Studie zur Medienzukunft).
[10] Wemf, Inseratestatistik 2011; NZZ, 20.1.11.
[11] Presse vom 5.3 und 7.3.2011.
[12] Blick, 24.10.11
[13] Bund, 13.12.11; NZZ, 28.6.11; Tagespresse vom15.09.2011; Presse vom 28.10.11, vgl. SPJ 2010, S. 298.
[14] Lit. Ecoplan (Studie zu Subventionen); vgl. SPJ 2010, S. 298.
[15] BaZ, 11.2.11, Lit. Kradolfer et al.
[16] Lit. Meier.
[17] NZZ und TA, 4.1.11; vgl. SPJ 2010, S. 299.
[18] SGT und Blick, 7.2.11; TA, 9.2.11; Stellungnahme des Schweizer Presserates vom 13.7.11; Presse vom 07.9.11; Presse vom 12. und 15.12.11.
[19] NZZ, 3.5.11.