Année politique Suisse 2012 : Partis, associations et groupes d'interêt / Partis
 
Parteiensystem
Zu den Sitzanteilen der Parteien auf Exekutiv- und Legislativebene vgl. oben, Teil I, 1e (Wahlen) sowie Anhang (Anhang_2012.pdf). Für die Parolen der Parteien zu den eidgenössischen Volksabstimmungen siehe die Tabelle Parolen_2012.pdf und die verschiedenen Sachkapitel.
Ende 2011 hatte das Antikorruptionsorgan des Europarates, die Greco (Groupe d’Etats contre la Corruption), bei der die Schweiz seit 2006 Mitglied ist, einen Bericht vorgelegt, der zum Schluss kommt, dass die Schweiz gegen die Empfehlungen aus dem Jahr 2003 hinsichtlich Transparenz bei der Parteienfinanzierung verstosse. Der Bundesrat bekam bis Ende April 2013 Zeit, auf die im Bericht gemachten Empfehlungen (Transparenzvorschriften für Parteienfinanzierung und für die Finanzierung von Abstimmungskampagnen) zu reagieren. Mitte Jahr beschloss die Regierung mit der Greco das Gespräch zu suchen, bevor weitere Schritte unternommen würden. Aufgrund der zunehmenden Kritik am intransparenten Spendensystem – die Greco sprach von schweizerischer Diskretion, die der Korruption nahe komme – nahmen sich einige Unternehmen vor, von sich aus Transparenz zu schaffen. So gab etwa die Raiffeisenbank bekannt, allen Parteien abhängig von der Anzahl derer nationalen Mandate Geld zu spenden. Pro Jahr werde pro Ständerat 2 674 und pro Nationalrat 615 Franken gespendet. Die Spendensumme der Genossenschaftsbank belief sich also auf 246 000 CHF. Neben der Raiffeisenbank machte auch die Versicherungsgesellschaft Mobiliar ihre jährliche Parteispende von 10 000 CHF pro Bundesratspartei publik. Anfang März gab die Crédit Suisse ihre Spendensumme von 1 Mio. CHF bekannt, die sie auf alle Parteien verteilen wolle. Und schliesslich gab auch die UBS zu Protokoll, die politischen Parteien mit einer Mio. CHF zu unterstützen. Sie machte ihre Spende allerdings von einem Bekenntnis zur Marktwirtschaft abhängig. Die Bankenspenden brachten vor allem die SP und die Grünen in ein Dilemma (vgl. unten). Parlamentarischen Vorstössen für mehr Transparenz in der Parteienfinanzierung war hingegen weiterhin kein Erfolg beschieden. So wurde eine parlamentarische Initiative der SP zum Thema im Nationalrat abgelehnt. Die geforderte Einrichtung einer Meldestelle sei zu bürokratisch und die Regelungen für die Offenlegung von Parteiausgaben wären einfach zu umgehen. Eine Motion Chopard-Acklin (sp, AG), die ebenfalls für mehr Transparenz in der Parteienfinanzierung plädierte, wurde abgeschrieben. Im Berichtsjahr noch nicht behandelt wurden eine parlamentarische Initiative Leutenegger Oberholzer (sp, BL) sowie eine parlamentarische Initiative Minder (parteilos, SH). Beide zielen auf eine Regelung der Parteispenden von Unternehmen bzw. börsenkotierten Gesellschaften ab [1].
Eine vom EJPD finanzierte, Ende Februar publizierte Studie zeigte auf, dass die Parteien zwischen 2005 und 2011 unterschiedlich viel Geld für Abstimmungskampagnen ausgeben konnten. Werden die Ausgaben für alle Kampagnen summiert, so gab die SVP mit 12 Mio. CHF rund drei Mal so viel aus wie die zweitplatzierte FDP (4 Mio. CHF). Die CVP und die SP warfen laut der Studie rund 1 Mio. CHF auf, während die GP 35 000 für Kampagnen im Vorfeld von eidgenössischen Urnengängen zur Verfügung stellte. Eine Analyse des Zusammenhangs zwischen Aufwendungen und Abstimmungserfolg war nicht Gegenstand der Studie [2].
Ein wichtiger Beitrag an die Parteikassen stellen die Fraktionsbeiträge dar, die vom Bund ausgeschüttet werden. Eine Untersuchung der BaZ zeigte auf, dass sich diese Beiträge zwischen 1988 und 2009 versiebenfacht haben. Hatte eine Fraktion vor 1990 noch einen Grundbeitrag von 20 000 CHF und 3 500 CHF pro Einzelmitglied erhalten, betrugen diese Summen im Berichtjahr 144 500 CHF (Grundbeitrag) bzw. 26 800 CHF (pro Mitglied). Fraktionsbeiträge werden von den Räten auf dem Verordnungsweg erhöht und von den Parteien insbesondere auch in die Fraktionssekretariate investiert. Eine im Berichtjahr eingereichte parlamentarische Initiative der SVP, welche die Entscheidungen für die Höhe der Entschädigungen neu auf Gesetzes- statt Verordnungsstufe regeln wollte, um ein Referendum gegen Erhöhungen zu erlauben, wurde 2012 noch nicht behandelt [3].
Da die drei grossen bürgerlichen Parteien keine zentralen Mitgliederverzeichnisse führen, ist es praktisch nicht möglich, Entwicklungen hinsichtlich ihrer Organisationsstärke zu analysieren. International zeigt sich seit langem ein teilweise beträchtlicher Mitgliederschwund. Die SP, die ein zentrales Register führt, ist von dieser Entwicklung nicht ausgenommen. Zwischen 1992 und 2011 verloren die Sozialdemokraten rund 15% ihrer Mitglieder, wie der TA berichtete. Die SP wies 2011 noch 31 226 Mitglieder aus. Die von der FDP (120 000 Mitglieder), der CVP (100 000 Mitglieder) und der SVP (90 000 Mitglieder) auf Anfrage genannten Zahlen und insbesondere die Behauptung, dass diese über die letzten 20 Jahre stabil geblieben seien, wurden von Experten angezweifelt. Genauere Angaben lassen sich bei den kleineren Parteien machen, bei denen sich ein gegenteiliger Trend zeigt. Die Mitgliederzahl der Grünen nahm zwischen 2003 und 2012 von 4 779 auf 7 523 zu. Die BDP wuchs zwischen 2008 und 2012 von 3 500 auf 6 000 Mitglieder und die GLP hatte ihre Mitgliederzahl zwischen 2007 und 2012 verdreifacht (2012: 3 600 Mitglieder) [4].
Zu den Verhandlungen zwischen BDP und CVP über eine allfällige Fusion vgl. nachfolgend unter CVP bzw. BDP.
 
[1] Pa.Iv 10.501: AB NR, 2012, S. 208 ff; Mo. 11.3116 (Chopard-Acklin); Pa.Iv 12.488 (Leutenegger Oberholzer); Pa.Iv. 12.499 (Minder); NZZ, 14. und 15.2.12; 24h, 5.3.12; WW, 15.3.12; 24h, 24.3.12; TA, 26.4.12; NZZ, 23.6.12; vgl. SPJ 2011, S. 423 f.
[2] Presse vom 22.2.12; Lit. Hermann; vgl. auch Teil I, 1c (Volksrechte).
[3] Pa.Iv. 12.410; BaZ, 12.10.12.
[4] TA, 17.10.12.