Année politique Suisse 2012 : Partis, associations et groupes d'interêt / Partis
 
Bürgerlich-Demokratische Partei (BDP)
Die BDP feierte im Berichtjahr nach ihrer Gründung 2008 ihr vierjähriges Bestehen und konnte bereits auf einige Erfolge zurückblicken. An der Delegiertenversammlung Ende Januar in Ebnat Kappel feierte die Partei die erfolgreiche Wiederwahl ihrer Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf und deren Wahl zur Bundespräsidentin. Die zehn Sitze im nationalen Parlament bedeuteten ein Ende der Zeiten des Spotts und Hohns, führte Noch-Parteipräsident Hans Grunder (BE) aus [114].
Bei den kantonalen Wahlen konnte der nationale Erfolg teilweise bestätigt werden. In den Kantonen St. Gallen und Thurgau trat die BDP erstmals an und gewann zwei (SG) bzw. fünf (TG) Mandate. Kein Erfolg war den Bürgerlichdemokraten allerdings in den Kantonen Waadt, Schwyz und Basel beschieden, wo sie ebenfalls zum ersten Mal antraten, aber keinen Sitz holen konnten. Über zwei zusätzliche Sitze konnte sich die BDP im Kanton Aargau freuen. Dort war die Partei nach 2009 zum zweiten Mal angetreten. Mit den insgesamt neun zusätzlichen Sitzen hielt die BDP Ende Berichtjahr 86 kantonale Legislativmandate, 15 mehr als die etwa gleichaltrige GLP. Im Gegenteil zu den breiter abgestützten Grünliberalen konzentrierten sich die Sitze der BDP allerdings vorwiegend auf die drei Gründerkantone Glarus (10 Sitze), Bern (25 Sitze) und Graubünden (26). In diesen drei Kantonen besass die BDP Ende 2012 auch ihre vier Regierungsmandate [115].
Auf Anfang Mai trat der Berner Nationalrat Hans Grunder als Parteipräsident zurück. Grunder war bei der Gründung der BDP in Bern im Herbst 2008 ein führender Kopf und zusammen mit Eveline Widmer-Schlumpf verantwortlich für den raschen Aufbau der Partei. Mit dem Rücktritt wolle er für eine personelle und programmatische Weiterentwicklung sorgen. Neu wurde das Präsidium mit zwei Vizepräsidenten und einem Präsidenten aufgebaut. Als neuer Präsident wurde Anfang Mai der Glarner Martin Landolt per Akklamation gewählt, auch er ein BDPler der ersten Stunde. Zu reden gab die Kaderposition Landolts bei der UBS, die zu Interessenskonflikten mit der BDP-Finanzministerin sowie zu einem Bankenimage der Partei führen könnten. Landolt selber sagte, dass seine Tätigkeit in der Bank kein Lobbying umfasse. Er reduziere sein berufliches Pensum zudem auf 40%. Landolt hatte in Näfels (GL) die SVP-Lokalsektion neu aufgebaut, bevor es zum Bruch mit der Volkspartei kam, deren Zürcher Linie er nicht teilen wollte. Er trat nach dem Ausschluss der SVP Graubünden aus der SVP aus und gründete zuerst eine Liberale Fraktion bevor er dann zusammen mit der Bündner und der Berner BDP die Glarner Sektion aufbaute. Als erster BDP-Politiker überhaupt war Landolt bei Ersatzwahlen 2009 als Nachfolger des 2008 zurücktretenden SP-Nationalrates Werner Marti in ein nationales Amt gewählt worden und hatte damit den vier übergelaufenen BDP-Nationalräten unverhofft zu Fraktionsstärke im eidgenössischen Parlament verholfen. Als wichtigstes Ziel bezeichnete Landolt den Ausbau der jungen Partei und die Gründung neuer kantonaler Sektionen. Ins Vizepräsidium wurden der Berner Nationalrat Lorenz Hess und die Bündner Regierungsrätin Barbara Janom Steiner gewählt [116].
Die gewünschte inhaltliche Abgrenzung der BDP von der SVP, von der sie sich 2008 abgespalten hatte, war auch in der Parolenfassung zu den eidgenössischen Volksabstimmungen sichtbar. In fünf von zwölf Fällen unterschieden sich nämlich die Empfehlungen der beiden Parteien. Zwar fassten die Delegierten im Januar die gleichen Parolen wie die SVP – drei Nein zu Zweitwohnungsinitiative, Ferieninitiative (jeweils mit grosser Mehrheit bei einer Enthaltung) und Buchpreisbindung (mit 59 zu 41 Stimmen bei einer Enthaltung) und zwei Ja zu Bausparinitiative (mit 69 zu 38 Stimmen bei zehn Enthaltungen) und Geldspielbeschluss – diese Empfehlungen entsprachen aber einer rechtsbürgerlichen Position, da auch die FDP die genau gleichen Parolen fasste. Die Unterschiede zur SVP zeigten sich in der Folge bei der Parolenfassung im Mai in Glarus, wo die Delegierten gegen den Vorschlag des Parteivorstandes mit 100 zu 95 Stimmen zwar wie die SVP ein Nein gegen die Managed Care-Vorlage beschloss, sich mit dem Nein zur Staatsvertrags-Initiative (mit einer Gegenstimme) und der Stimmfreigabe zur Volksinitiative „Eigene vier Wände dank Bausparen“ aber von der SVP-Position unterschied. Auch das Ja zur Jugendmusikförderung und das Nein zur Initiative „Sicheres Wohnen im Alter“ – beide Parolen wurden von der Parteileitung gefasst – grenzte die BDP inhaltlich von der SVP ab. Gleich wie die SVP empfahlen die BDP-Delegierten in Basel allerdings die Initiative „Schutz vor Passivrauchen“ zur Ablehnung. Im Oktober in Genf befürworteten die Delegierten schliesslich das Tierseuchengesetz, das von der SVP zur Ablehnung empfohlen wurde [117].
An ihrer Delegiertenversammlung im Januar setzte sich die BDP sieben Schwerpunkte für die kommende Legislatur. Sie wolle sich insbesondere für Lösungen in der EU- und Asylpolitik einsetzen und Vorschläge für eine bessere Energie- sowie Bildungs- und Mobilitätspolitik erarbeiten. Darüber hinaus sah die Partei Handlungsbedarf bei der Sicherung der Sozialwerke und bei den Rahmenbedingungen der KMU. In der Presse wurde der BDP aber nach wie vor Schwammigkeit und unklare Positionierung vorgeworfen [118].
An der Delegiertenversammlung im Mai in Glarus schloss der neue BDP-Präsident Martin Landolt kategorisch jedwede Fusion aus – sei dies mit der CVP, der GLP oder gar der SVP. Dies schliesse natürlich die inhaltliche Zusammenarbeit nicht aus. Nach den nationalen Wahlen hatten die CVP und die BDP eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die mögliche Formen der Zusammenarbeit ausloten sollte. Über eine Fusion war in den Medien insbesondere vor den Bundesratswahlen heftig spekuliert worden. Anfang Juni wurden die Resultate einer Arbeitsgruppe CVP-BDP präsentiert. Geeinigt hatte man sich auf gegenseitige Unterstützung bei den Wahlen 2015 und gemeinsame Kampagnen bei Abstimmungen. Die Arbeitsgruppe hatte auch eine Fusion zumindest theoretisch erörtert, war aber auf den Schluss gekommen, dass dies parteiintern nicht goutiert werden würde. Am 31. August führten die CVP und die BDP die erste gemeinsame Fraktionssitzung durch [119].
Anfang Jahr warf die BDP einigen Exponenten der SVP bei der Affäre Hildebrand eine Doppelmoral vor. Das Ziel sei ein persönlicher Rachefeldzug gewesen. Die BDP wolle sich hingegen für Sachpolitik einsetzen [120].
Um in der Westschweiz besser Fuss fassen zu können, setzte die BDP mit Caroline Brennecke eine Parteikoordinatorin ein, deren Aufgabe die Entwicklung der BDP in der Romandie sei. Zwar gab es bereits Sektionen in den Kantonen Freiburg, Neuenburg, Waadt und Wallis, der Erfolg war aber – abgesehen von zwei Freiburger Sitzen im kantonalen Parlament und einigen Abgeordneten im Neuenburger Stadtparlament – bisher eher bescheiden. Ziel der Koordinatorin war es, der Partei, die im französischsprachigen Teil der Schweiz als etwas „trop suisse alémanique“ wahrgenommen werde, neue Wählerschaft im Kanton Genf, wo die Gründung einer weiteren Kantonalpartei für 2013 geplant war, und längerfristig auch im Kanton Jura zu erschliessen. Die Delegiertenversammlung Mitte Oktober in Genf war eine weitere Referenz an die französische Schweiz [121].
Mit der Gründung einer Jungen BDP wollte die Partei einen Pool für die Mitglieder unter 35 Jahren schaffen. Allerdings sollte die Jungpartei einen sehr engen Kontakt halten und sich formell nicht von der Mutterpartei trennen. Zum Koordinator der Jungen BDP wurde Filip Winzap (BL) bestimmt [122].
Erfolg ziehe auch Profilierungssüchtige an, gab der scheidende Präsident Hans Grunder zu Protokoll und erinnerte an die Affäre Gehrig bei den Nationalratswahlen in St. Gallen. Weitere Probleme bescherte der Partei die von vier Personen allerdings ohne Absprache mit der Mutterpartei gegründete Sektion Obwalden, gegen die sich die nationale BDP zur Wehr setzen musste, da sie das Logo missbräuchlich verwendete. In mehreren Kantonalsektionen kam es im Berichtsjahr zudem zu Eklats: Im Januar traten der Präsident und der Vizepräsident der BDP Baselland mit sofortiger Wirkung zurück. Als Grund wurde fehlende Vertrauensbasis angegeben. Ebenfalls Anfang Jahr traten im Kanton Solothurn der Parteipräsident und ein Amtsparteipräsident zurück. Beide gaben den Austritt aus der Partei bekannt. Auch im Kanton Freiburg sorgte eine Rücktrittswelle im September für Missstimmung. Gleich fünf Vorstandsmitglieder traten aus der kantonalen Sektion zurück, die in der Folge weiter unter internen persönlichen Spannungen zu leiden hatte. Erst mit der Wahl des neuen Kantonalpräsidenten Sandro Arcioni beruhigte sich die Situation etwas [123].
 
[114] SGT, 30.1.12.
[115] Vgl. Teil I, 1e (Wahlen in kantonale Parlamente; Wahlen in kantonale Regierungen).
[116] SoZ, 4.3.12; Presse vom 5.3. und 6.3.12; NZZ, 29.3. und 10.4.12; BaZ, 4.5.12; SGT, 5.5.12; Presse vom 7.5.12.
[117] NZZ, 7.5.12; Medienmitteilung der BDP vom 28.1., 5.5., 25.8. und 20.10.12, (vgl. Tabelle zu den Parolen am Schluss des Kapitels).
[118] SGT, 30.1.12; NZZ, 16.10. und 27.12.12.
[119] Presse vom 7.5.12; NLZ und AZ, 1.6.12.
[120] SGT und NZZ, 30.1.12.
[121] 24h und LT, 30.7.12; SoBli, 21.10.12; Presse vom 22.10.12.
[122] Medienmitteilung BDP vom 20.10.12.
[123] Grunder: BZ, 5.3.12; BL: BaZ, 7.1., 10.1., 18.1. und 17.2.12; SO: NZZ, 10.1. und 19.1.12; FR: Lib., 26.9., 20.11., 23.11. und 27.11.12; Gehrig: SPJ 2011, S. 453.