Année politique Suisse 2012 : Eléments du système politique / Droits, ordre public et juridique
 
Grundrechte
Die von Nationalrat Freysinger (svp, VS) eingereichte Motion „ Runter mit den Masken“, welche durch einen zusätzlichen Artikel im Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS) ein Vermummungsverbot für den Kontakt mit Behörden und für die Benutzung des öffentlichen Verkehrs fordert und im Vorjahr vom Nationalrat angenommen wurde, wurde vom Ständerat in der Frühjahrssession abgelehnt. Der Zweitrat folgte damit dem Antrag des Bundesrates [1].
Ebenfalls keine Folge gegeben wurde der Standesinitiative des Kantons Aargau, die das Verhüllen des Gesichts im öffentlichen Raum, abgesehen von Ausnahmen wie der Fasnacht, verbieten will. In der Herbstsession folgte der Nationalrat dem Antrag seiner Kommissionsmehrheit und gab der Initiative mit 93 zu 87 Stimmen keine Folge. Die Stimmen der Befürworter stammten aus der BDP-, SVP- und einer Mehrheit der CE-Fraktion. Die Hauptargumente der Gegner waren die Unverhältnismässigkeit der Regelung, die negative Signale an Burka tragende Touristinnen sowie dass ein solches Gesetz einen Eingriff in die verfassungsmässigen Zuständigkeiten der Kantone darstellen würde [2].
Einen anderen Verlauf nahm die Behandlung der Motion Fehr (svp, ZH). Die im Anschluss an einen tätlichen Übergriff auf den Motionär im Januar 2011 eingereichte Motion fordert ein nationales Vermummungsverbot. Da die Motion von 134 Nationalräten mitunterzeichnet worden war, überrascht deren Annahme in der grossen Kammer in der Wintersession nicht. Gegen die Motion sprachen sich die Fraktionen der Grünen, der Grünliberalen sowie eine Mehrheit der SP-Fraktion aus [3].
Die Annahme der Volksinitiative „Gegen den Bau von Minaretten“ im November 2009 gab Anlass zu zwei Vorstössen. Zum einen reichte der Kanton Basel-Stadt eine Standesinitiative ein, welche eine Revision von Artikel 72 der Bundesverfassung fordert. Dieser soll insbesondere das Verhältnis zwischen den Kirchen, anderen Religionsgemeinschaften und dem Staat umfassender und verbindlicher regeln, aber auch die Religionsfreiheit bezüglich der Errichtung religiöser Bauten ausformulieren. Zum anderen reichte der Nationalrat Donzé (evp, BE) im selben Monat eine parlamentarische Initiative ein, die eine Überprüfung der Artikel 15 und 72 der Bundesverfassung forderte. Der Nationalrat hat im Frühjahr die Standesinitiative mit 108 zu 40 Stimmen und die parlamentarische Initiative mit 117 zu 29 Stimmen verworfen. Breitere Unterstützung fanden die Vorstösse nur in der CVP-EVP-Fraktion. Im Sommer gab auch der Ständerat der Standesinitiative keine Folge und folgte damit dem Antrag seiner Kommission, die die bestehende Regelung in der Bundesverfassung als genügend erachtet [4].
Beide Kammern überwiesen im Berichtjahr die Motion von Nationalrat Sommaruga (sp, GE), welche den Bundesrat auffordert, die Ausarbeitung eines neuen völkerrechtlichen Instrumentes durch den UNO-Menschenrechtrat betreffend den besseren Schutz von in der Landwirtschaft tätigen Menschen zu unterstützen [5].
Der Nationalrat überwies in der Wintersession ein Postulat Naef (sp, ZH), welches den Bundesrat beauftragt, die Potenziale des geltenden Bundesrechtes zum Schutz vor Diskriminierung aufzuzeigen [6].
Keine Folge gab der Nationalrat einer parlamentarischen Initiative Prelicz-Huber (grüne, ZH) betreffend die Bekämpfung von rassistischen Diskriminierungen. Die Initiative forderte den Erlass eines Bundesgesetzes, welches den Gehalt von Art. 8 Abs. 2 der Bundesverfassung konkretisiert. Damit sollten die Opfer von rassistischen Diskriminierungen durchsetzbare Rechtsansprüche erhalten. Die grosse Kammer sprach sich mit 122 zu 63 Stimmen gegen die Initiative aus [7].
Eine Konkretisierung des Rechtsgleichheitsartikels der Bundesverfassung forderte auch eine Standesinitiative des Kantons Basel-Landschaft. Durch eine Ergänzung des Strafgesetzbuches soll die Diskriminierung von Menschen mit Behinderung mit Geldstrafen oder mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren bestraft werden können. Der Ständerat gab der Initiative aus Zweifel an ihrer Notwendigkeit keine Folge [8].
Auch der Bundesrat beschäftigte sich mit dem Recht von Menschen mit Behinderungen und präsentierte dem Parlament eine Botschaft zur Ratifizierung des UNO-Übereinkommens, welches jede Diskriminierung von Behinderten verbietet. Die Ratifizierung war in der Vernehmlassung mit Ausnahme der FDP und SVP begrüsst worden [9].
Der Bundesrat präsentierte im Oktober 2012 einen Aktionsplan zur Bekämpfung des Menschenhandels. Dieser sieht erstens Sensibilisierungskampagnen, zweitens erfolgreichere Strafverfolgung, drittens besseren Opferschutz und viertens grenzüberschreitende Kooperation vor [10].
Der Ständerat sprach sich in der Frühjahrssession gegen einen Rechtsschutz in ausserordentlichen Lagen aus und lehnte eine entsprechende Motion der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrates entgegen seiner Kommissionsmehrheit mit 19 zu 12 Stimmen ab. Er folgte damit der Ansicht des Bundesrates, nach welcher in diesem Bereich kein Handlungsbedarf besteht [11].
 
[1] Mo. 10.3173: AB SR, 2012, S. 77 ff.; vgl. SPJ 2011, S. 23.
[2] Kt.Iv. 10.333 (AG): AB NR, 2012, S. 1784 ff.; Presse vom 29.9.12.
[3] Mo. 11.3043: AB NR, 2012, S. 2229.
[4] Kt.Iv. 10.326 (BS); Par. Iv. 10.448 (Donzé): AB NR, 2012, S. 515 ff.; AB SR, 2012, S. 526 ff.
[5] Mo. 12.3367: AB NR, 2012, S. 1791; AB SR, 2012, S. 946.
[6] Po. 12.3543: AB NR, 2012, S. 2247.
[7] Pa.Iv. 10.523: AB NR, 2012, S. 237 ff.
[8] Kt.Iv. 11.316: AB SR, 2012, S. 926 ff.
[9] NZZ, 20.12.12.
[10] NZZ, 19.10.12.
[11] Mo. 11.3006: AB SR, 2012, S. 51 ff.; vgl. SPJ 2011, S. 22.