Année politique Suisse 2012 : Economie / Crédit et monnaie / Banken, Börsen und Versicherungen
Im Zusammenhang mit der aufkommenden Sorge um die Entwicklungen am Schweizer Immobilienmarkt erlangte der Hypothekarmarkt im Berichtsjahr erhöhte Aufmerksamkeit. Er war unter anderem Gegenstand einer vom Bundesrat per 1.7.12 in Kraft gesetzten Änderung der Eigenmittelverordnung (ERV), die die Aktivierung eines
antizyklischen Kapitalpuffers von maximal 2,5% der risikogewichteten Bankaktiva ermöglichte. Mit diesem sollte bei Bedarf die Widerstandsfähigkeit der sich stärker exponierenden Banken gestärkt und/oder deren Kreditwachstum gebremst werden. Die Behörden erhofften sich dadurch eine Abschwächung der von einigen Experten als gefährlich eingestuften Dynamik auf dem Schweizer Immobilienmarkt. Die Bestimmung sah vor, dass die Schweizerische Nationalbank (SNB), nach Absprache mit der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma), dem Bundesrat den Antrag auf Aktivierung des antizyklischen Puffers stellen konnte. Die SNB, die sich schon länger für ein Instrument zur makroprudenziellen Regulierung der Finanzbranche starkgemacht hatte, begrüsste die Verabschiedung der Verordnung ausdrücklich. Bis zum Jahresende beantragte sie die Aktivierung des Kapitalpuffers jedoch nicht. In einem zweiten Teil der Verordnung wurde eine Verschärfung der Eigenmittelregeln für die Belehnung von Wohnliegenschaften beschlossen. Sie wurde via behördliche Genehmigung der von den Banken getroffenen Selbstregulierung implementiert und führte dazu, dass Risikohypotheken mit mehr Eigenkapital unterlegt werden mussten. Als Risikohypothek galt ein Darlehen an Personen, die weniger als 10% des Belehnungswerts als „hartes Eigenkapital“, also ohne Pensionskassenvorbezüge, aufbringen konnten oder die Hypothekarschuld nicht innert 20 Jahren auf maximal zwei Drittel des Belehnungswerts reduzieren wollten
[19].
Die Genehmigung der Änderungen in der ERV im Zusammenhang mit der Grossbankenregulierung wird in diesem Kapitel unter „Volkswirtschaftliches Systemrisiko durch die Grossbanken („Too-big-to-fail“)“ behandelt.
Der Bundesrat gelangte im Berichtsjahr mit der Botschaft zur
Änderung der Verrechnungssteuer an die eidgenössischen Räte. Die Vorlage war inhaltlich mit der 2011 behandelten Grossbankenregulierung verknüpft. Bei deren Verabschiedung hatten die Räte entschieden, die Ausgabe von Coco-Bonds (
contingent convertible bonds; Wandelungsanleihen, die bei Unterschreitung einer gewissen Eigenkapitalquote in Eigenkapital gewandelt werden) in der Schweiz vorerst nicht durch eine Befreiung von der Verrechnungssteuer zu fördern. Der Bundesrat hatte sich damals mit der Argumentation durchgesetzt, die Förderung der Ausgabe von schweizerischen Coco-Bonds im Zuge des allgemeinen Umbaus der Verrechnungssteuer zu regeln. Der entsprechende Entwurf wurde in der Frühjahrssession vom Nationalrat als Erstrat diskutiert. Die Vorlage sah vor, die Verrechnungssteuer dem Zahlstellenprinzip (bisher: Schuldnerprinzip) zu unterstellen. Dadurch sollten ausländische Investoren von der Verrechnungssteuer befreit werden, wovon sich der Bundesrat eine Belebung des inländischen Kapitalmarkts erhoffte. Im Speziellen ging es ihm aber auch darum, den Schweizer Grossbanken die Emission von Coco-Bonds in der Schweiz zu erleichtern, weil er sich dadurch im Krisenfall eine höhere Rechtssicherheit im Zusammenhang mit der Wandelung der Anleihen erhoffte. Der Bundesrat argumentierte, dass der Schweizer Kapitalmarkt ohne Neuregelung der Verrechnungssteuer kaum genügend Tiefe aufweise, um die sehr hohen Refinanzierungsbedürfnisse der Schweizer Grossbanken zu absorbieren. Damit die Grossbanken mit der Emission der Coco-Bonds nicht auf andere Finanzplätz mit höherer Attraktivität für internationale Investoren ausweichen würden, müssten die Bedingungen auf dem Schweizer Kapitalmarkt verbessert werden. Der Nationalrat stimmte mit dem Bundesrat überein, dass die schweizerische Emission von Coco-Bonds wünschenswert und deshalb durch die Befreiung von der Verrechnungssteuer förderungswürdig sei. Aus diesem Grund folgte er in diesem Punkt dem Bundesrat (Entwurf 1). Vertreter der SP monierten, dass eine gesetzliche Vorschrift zur Emission von Coco-Bonds in der Schweiz eine Erhöhung der Finanzplatzattraktivität durch Befreiung der Anleihen von der Verrechnungssteuer obsolet gemacht hätte. Der entsprechende Mehrheitsantrag der Kommission wurde jedoch von der bürgerlichen Ratsmehrheit abgelehnt. Im Zusammenhang mit dem allgemeinen Umbau der Verrechnungssteuer beschloss der Nationalrat Rückweisung (Entwurf 2). Diese sei im Zuge einer Gesamtschau zur Entwicklung der verschiedenen pendenten Steuerdossiers (Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland, Steuerstreit USA, FATCA) vorzulegen und müsse die finanziellen Folgen der Reform genauer beziffern. Ebenso sollten andere Varianten als das Zahlstellenprinzip geprüft werden. Die Rückweisung von Entwurf 2 war unbestritten und wurde vom Ständerat in der Sommersession bestätigt. In Bezug auf die Behandlung der Coco-Bonds präzisierte der Zweitrat jedoch, dass diese dem Eigenkapital anrechenbar sein müssten, damit sie von der Erhebung der Verrechnungssteuer befreit werden könnten. Zudem sah er im Gegensatz zum Nationalrat kein Verkaufsverbot von verrechnungssteuerfreien Anleihen an inländische natürliche Personen mehr vor, auch wenn dies zu einer ursprünglich nicht vorgesehenen steuerlichen Erleichterung für in der Schweiz grundsätzlich verrechnungssteuerpflichtige Personen führte, sofern diese in Coco-Bonds investierten. Dies wurde von der SP stark kritisiert. Der Nationalrat akzeptierte in der zweiten Behandlung die ständerätlichen Vorschläge, worauf der Entwurf 1 mit 150 zu 45 Stimmen angenommen wurde. Im Ständerat passierte Entwurf 1 mit 38 zu 2 Stimmen bei einer Enthaltung
[20].
Bereits in den Jahren 2010 (WAK-NR) und 2011 (WAK-SR) war einer aus der FDP-Liberalen Fraktion stammenden parlamentarischen Initiative Folge gegeben worden, die die schrittweise
Abschaffung der Stempelsteuer forderte. In der ursprünglichen Form hatte die Initiative vorgesehen, sowohl die Emissionsabgabe auf Fremd- und Eigenkapital als auch die Abgabe auf Versicherungsprämien und die Umsatzabgabe abzuschaffen. Mit der 2011 verabschiedeten Änderung des Bankengesetz („Too-big-to-fail“) war bereits die Abschaffung der Stempelabgabe auf Fremdkapital beschlossen worden. Die WAK-NR entschied zudem, die verbliebenen Abschaffungsanträge aufzuteilen. Als noch nicht entscheidungsreif wurden die Abschaffung der Abgabe auf Versicherungsprämien und die Abschaffung der Umsatzabgabe eingestuft. Die Ausarbeitung eines entsprechenden Entwurfs wurde einer Subkommission übertragen. Für die Abschaffung der Stempelsteuer auf Eigenkapital wurde im Berichtsjahr die Vernehmlassung durchgeführt. Die SP und die Grünen sowie der SGB und Travail.Suisse äusserten sich ablehnend, weil sie Steuerausfälle in Millionenhöhe befürchteten. Die bürgerliche Mehrheit bestärkte die WAK-NR jedoch in ihrem Vorhaben und attestierte dem Entwurf eine potenziell positive Wirkung auf den Schweizer Finanzplatz. Die Kommission entschied darauf, den Entwurf 2013 unverändert den Räten zu unterbreiten
[21].
Drei bereits in den Vorjahren angestossene Geschäfte waren im Berichtsjahr pendent. Darunter die Motion Graber, welche eine Vorlage im Zusammenhang mit den beim SNB StabFund (Stabilisierungsfonds) lagernden toxischen Aktiva der UBS gefordert hatte (überwiesen 2011, hängig im EFD). Ebenfalls pendent waren eine 2011 von der Grossen Kammer angenommen Motion, die eine Veränderung der Kostenregelung im Fall der Einsetzung eines Untersuchungsbeauftragen durch die Finma anstrebte (hängig im Zweitrat) sowie eine aus der GPK-SR stammende Motion, die systemrelevante Unternehmen im Falle einer Staatsrettung straffähig machen wollte. Bei letztgenanntem Anliegen hatte der Nationalrat 2011 den Motionstext angepasst, worauf der Ständerat die Anpassungen noch nicht behandelte
[22].
[19] EFD Medienmitteilung vom 1.6.12; SNB,
Bericht zur Finanzstabilität 2012, S. 8;
FAZ, 17.11.11;
NZZ, 11.4., 15.6. 1.9. und 29.12.12.
[20] BRG 11.047:
BBl, 2011, S. 6615 ff.,
AB NR, 2012, S. 14 ff., 1038 f., 1240;
AB SR, 2012, S. 483 ff., 640;
AS, 2012, S. 5981 f.;
NZZ, 21.2., und 8.6.11;
NZZ und
SGT, 28.2.12.; vgl.
SPJ 2011, S. 198.
[21] Pa.Iv. 09.503: WAK-NR,
Bericht der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates (WAK-N) vom 10. Januar 2012; EFD,
Vernehmlassungsverfahren zur Parlamentarischen Initiative 09.503, Ergebnisbericht; WAK-NR Medienmitteilung vom 13.11.12; vgl.
SPJ 2011, S. 198.
[22] Mo. 10.3517 (Graber):
AB SR, 2010, S. 813 ff.;
AB NR, 2011, S. 59 f.; BR,
Bericht des Bundesrates vom 2. März 2012 über Motionen und Postulate der gesetzgebenden Räte im Jahr 2011, S. 105; vgl
. SPJ 2010, S. 131,
SPJ
2011, S. 196. Mo. 11.3757 (WAK-NR):
AB NR, 2011, S. 2231 ff.; vgl.
SPJ 2011, S. 197. Mo. 10.3634 (GPK-SR):
AB SR, 2010, S. 876 f.;
AB NR, 2011, S. 106 f; vgl.
SPJ 2010, S. 130 f.,
SPJ
2011, S. 197.
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