Année politique Suisse 2012 : Economie / Agriculture
 
Agrarpolitik
Der Ständerat akzeptierte im Berichtsjahr eine Motion seiner Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK), welche die Aufnahme der drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – Ökonomie, Soziales und Ökologie – in das Gesetz über Landwirtschaft bis spätestens zur Agrarvorlage 2018-2021 verlangt. Genauer soll festgeschrieben werden, dass der Bund diejenigen Betriebe finanziell unterstützt, die sich in allen drei Bereichen engagieren. Bis zur nächsten Neuauflage der Agrarpolitik hat der Bundesrat auch den Auftrag, die Parameter zur Bewertung von Nachhaltigkeit anzupassen [1].
Der Nationalrat nahm mit 85 zu 76 Stimmen ein Postulat Graf (gp, BL) an. Damit wird der Bundesrat beauftragt, in einem Konzept die zukünftige Rolle der ökologischen Land- und Ernährungswirtschaft zu konkretisieren. Insbesondere soll die gezielte Förderung von bestehenden Biobetrieben und umsteigewilligen Landwirten ins Auge gefasst werden, da trotz den seit 2004 steigenden Bioumsätzen die inländische Produktion der Nachfrage hinterher hinkt und so ein Teil der Wertschöpfung ins Ausland verloren geht [2].
In der Frühjahrssession überwies der Nationalrat ein Postulat von Siebenthal (svp, BE), das die Überprüfung und Anpassung der Berechnungsfaktoren für eine Standardarbeitskraft (SAK) im Hügel- und Berggebiet verlangt. Dieses Mass ist ausschlaggebend für die Auszahlung von Direktzahlungen und sollte im Rahmen der Agrarpolitik 2014 bis 2017 an den technischen Fortschritt angepasst werden. Laut von Siebenthal würden durch diese Neuerung 1400 Betriebe ihre Bezugsberechtigung und mindestens ebenso viele ihren Status als landwirtschaftliches Gewerbe verlieren, da sie durch ihren Standort mit erschwerten Bedingungen wie Hanglagen, Wasserläufen oder längeren Zufahrtswegen zu kämpfen hätten. Der Einbezug solcher Umstände in die Berechnung der SAK sei unerlässlich, um den Fortbestand dieser Betriebe zu sichern. Der Bundesrat erklärte sich bereit, diese Faktoren im Rahmen der Ausführungsbestimmungen zur Agrarpolitik 2014 bis 2017 zu überprüfen. Eine Standesinitiative des Kanton Berns, welche sich ebenfalls für eine andere Berechnung der SAK einsetzt – jedoch mit Schwerpunkt auf Direktvermarktung, Agrotourismus und Buchhaltung – wurde von den Räten noch nicht behandelt [3].
Im Frühling beschloss der Nationalrat, die Frist der parlamentarischen Initiative Bourgeois (fdp, FR) um zwei Jahre zu verlängern, welche sich für eine Ernährungssouveränität in der Schweiz auf Grundlage von qualitativ hochwertiger, nachhaltiger und diversifizierter einheimischer Produktion einsetzt. Einen Antrag seiner WAK, die Initiative abzuschreiben, lehnte die grosse Kammer im Herbst mit einer Rechts-Mitte-Mehrheit von 82 zu 72 Stimmen ab. In ihrem Antrag hatte die Kommission geltend gemacht, dass die Forderung im Rahmen des Erlassentwurfs zur Agrarpolitik 2014-2017 im Landwirtschaftsgesetz verankert worden sei. Der Motionär entgegnete, dass die Debatten darüber noch nicht abgeschlossen seien und dass es deshalb angemessen sei, die Initiative noch nicht abzuschreiben [4].
Die grosse Kammer beauftragte mit einem Postulat Bourgeois (fdp, FR) den Bundesrat, die Produktionskosten der Schweizer Landwirtschaft zu untersuchen und mögliche Massnahmen zur Kostensenkung zu ermitteln. Momentan entsprächen die Kosten in der landwirtschaftlichen Gesamtrechnung ungefähr dem Produktionswert des Agrarsektors. Um diese Bilanz zu verbessern, solle der Bund die Landwirtschaftsbetriebe mit stimulierenden Instrumenten zur Effizienzsteigerung und Kostensenkung motivieren, etwa durch eine stärkere Modulation der Investitionshilfen und durch Unterstützung von Pilotprojekten [5].
Die beiden Räte überwiesen eine Motion Sommaruga (sp, GE). Der Urheber beantragte, dass sich der Bundesrat im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen an dem gegenwärtig stattfindenden Prozess zur besseren Anerkennung der Rechte von Bäuerinnen und Bauern sowie von weiteren Personen, die in einem landwirtschaftlichen Milieu arbeiten, beteiligt. Vornehmlich soll er die Ausarbeitung eines neuen völkerrechtlichen Instruments zu diesem Zweck unterstützen [6].
Ende Oktober publizierte das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) den Agrarbericht 2012. Daraus geht hervor, dass das landwirtschaftliche Einkommen 2011 im Durchschnitt pro Betrieb gegenüber dem Vorjahreswert um 7,8% auf CHF 59 474 gestiegen ist. Zusammen mit einer leichten Zunahme des ausserlandwirtschaftlichen Einkommens (+1,6%) ergibt sich daraus eine durchschnittliche Zunahme des Gesamteinkommens um 5,8%. Auch im Aussenhandel ist eine positive Entwicklung zu verzeichnen: Während die landwirtschaftlichen Importe wertmässig leicht zurückgingen auf CHF 11,4 Mia., konnten sich die Exporte auf dem Vorjahresniveau halten (CHF 7,8 Mia.). Die Aussenhandelsbilanz schliesst damit mit einem historisch tiefen Importüberschuss von CHF 3,6 Mia. ab. Die Handelsanteile, welche in die EU exportiert bzw. aus ihr importiert werden, blieben mit 61 respektive 74% relativ stabil. Strukturell ist weiterhin ein personeller Rückgang im Landwirtschaftssektor zu verzeichnen: Mit insgesamt 164 067 Beschäftigten arbeiteten 2011 2% weniger auf diesem Gebiet als noch im Vorjahr. Eine erstmals seit 10 Jahren wieder durchgeführte repräsentative Umfrage zur Situation von Frauen in der Schweizer Landwirtschaft ergab, dass Bäuerinnen mit ihrer Lebenssituation grundsätzlich sehr zufrieden sind. Beinahe die Hälfte von ihnen geht inzwischen einer ausserbetrieblichen Erwerbstätigkeit nach, um zusätzliches Einkommen für die Familie zu generieren. Dass sich viele verheiratete Frauen trotz fehlender sozialer Absicherung aufgrund ihres Status als Nichterwerbstätige und entgegen der mangelnden Gleichstellung hinsichtlich des Hofbesitzes relativ wenig Sorgen machen, wertete das BLW als Hinweis dafür, dass auf diesen Gebieten noch Aufklärungsarbeit zu leisten sei. Die jährlich durchgeführte Univox-Umfrage ergab, dass die Landwirtschaft in der Bevölkerung immer noch grossen Rückhalt geniesst. Auch die Direktzahlungen, welche sich 2011 auf CHF 2,8 Mia. beliefen, wurden von zwei Dritteln der Befragten befürwortet [7].
Eine von der WAK-SR als Reaktion auf die Ergebnisse des Agrarberichts verfasste Motion wurde in der Wintersession vom Ständerat angenommen. Sie verlangt vom Bundesrat, für die ökonomische, soziale und rechtliche Absicherung der in der Landwirtschaft tätigen Frauen zu sorgen. Dazu gehört u.a. die geschlechterspezifische Erfassung von Daten zur bäuerlichen Erwerbstätigkeit. Bis zur nächsten Agrarvorlage 2018-2021 soll dem Parlament hierzu ein Bericht vorgelegt werden [8].
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Agrarpolitik 2014 bis 2017
Nach dem letztjährigen Vernehmlassungsverfahren veröffentlichte der Bundesrat im Frühjahr seine Botschaft zur Agrarpolitik 2014 bis 2017. Da die Kernpunkte der Revision, welche eine Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems vorsahen, von den Befragten zwar gutgeheissen worden waren, Verbesserungsvorschläge jedoch teilweise in diametral entgegengesetzte Richtungen gezeigt hatten, entschloss sich der Bundesrat einzig zu moderaten Änderungen der Vernehmlassungsvorlage. Er versuchte dabei, zusätzliche Faktoren einzubauen, welche die Revision für die Schweizer Bäuerinnen und Bauern verträglicher machen würde. Nebst der Revision des Landwirtschaftsgesetzes (LwG) umfasste die Agrarpolitik einen Entwurf zum Budgetrahmen für die Landwirtschaft von 2014 bis 2017 sowie diverse Änderungen in anderen Gesetzen, wie etwa dem Zolltarifgesetz oder dem Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht (vgl. unten). Dass die Vorlage umstritten sein würde, zeigte sich bereits im Vorfeld der Ratsdebatten: Die Diskussionen in den vorberatenden Kommissionen zogen sich insgesamt bis zu 24 Stunden hin, diverse Parlamentsmitglieder beklagten sich zudem über intensives Lobbying von Seiten des Bauernverbandes und anderer Interessengruppen.
Während der Eintretensdebatte des Nationalrates in der Herbstsession signalisierten alle Fraktionssprecher ihr grundsätzliches Einverständnis mit der Stossrichtung der Vorlage, welche Fehlentwicklungen der letzten Jahre zu korrigieren versuche und die schweizerische Landwirtschaft nachhaltiger und ökologischer ausgestalten wolle. Einzige Ausnahme war die SVP-Fraktion, die ihre Ablehnung mit je einem Nichteintretens- und einem Rückweisungsantrag kundtat: Die Nahrungsmittelproduktion, welche ihrer Meinung nach die Hauptaufgabe der Landwirtschaft sei, werde mit der Gesetzesvorlage zugunsten von mehr Ökologie an den Rand gedrängt. Durch eine fortschreitende Extensivierung der Schweizer Produktion steige die Abhängigkeit vom Ausland, was nicht zuletzt beim Thema der Futtermittelimporte bereits heute oft kritisiert werde. Auch eine Öffnung der Märkte gegen aussen würde mit der neuen Agrarpolitik ins Visier genommen. Die beiden Anträge wurden von der grossen Kammer deutlich abgelehnt: Einzig die SVP-Fraktion und beim Rückweisungsantrag zusätzlich je ein CVP- und ein BDP-Parlamentarier stellten sich dahinter. In der kleinen Kammer, welche sich in der Wintersession mit der Vorlage befasste, war das Eintreten unbestritten.
Die Detailberatungen von Erst- und Zweitrat erstreckten sich im Rest des Berichtsjahres über sechs bzw. vier Sitzungen und zeichneten sich durch zeitweise hitzige Diskussionen aus. Auffällig war, dass sich die Nationalräte Aebi (svp, BE) und Ritter (cvp, SG) besonders oft mit Wortmeldungen und Minderheitsanträgen exponierten; die Medienberichterstattung führte dies auf deren Kandidaturen für das zu dieser Zeit ausgeschriebene Präsidium des Bauernverbandes zurück (vgl. unten, Teil IIIb). Im Besonderen bestimmten die gesetzlichen Grundlagen für Milchmarkt, der Import von Fleisch und lebenden Pferden sowie Bestimmungen zu den Direktzahlungen die inhaltliche Erörterung. Betreffend Milchmarkt setzte sich im Nationalrat eine Minderheit Rösti (svp, BE) durch, die das Obligatorium für Milchkaufverträge aufrechterhalten wollte. Demnach dürften ProduzentInnen ihre Milch jeweils nur an einen Vertragspartner verkaufen, die Verträge würden zudem auf die Mindestdauer von einem Jahr ausgelegt und sollten Regelungen zu Mengen, der Preisfestsetzung und den Zahlungsmodalitäten enthalten. Die Verträge müssten einem staatlichen Verwaltungsorgan gemeldet werden, und Verstösse würden vom Bundesrat mit Sanktionen geahndet. Der Ständerat widersetzte sich dieser Entscheidung, weil die Milchwirtschaft dadurch wesentliche marktwirtschaftliche Attribute wieder verlieren würde, die sie mit der Aufhebung der Milchkontingentierung 2009 erst kürzlich erhalten hatte. Er kehrte deswegen zum Vorschlag des Bundesrates zurück: Die Branche solle selbst einen Standardvertrag organisieren, der auf Begehren der Branchenorganisation vom Bundesrat für verbindlich erklärt werden könne. Wenn im Sektor keine Einigung über einen Vertrag erzielt werde, habe der Bundesrat die Kompetenz, vorübergehende Vorschriften über Kauf und Verkauf von Rohmilch zu erlassen. Als Nächstes sprachen sich beide Räte für eine Kontingentierung des Pferdeimports aus. Nach einem Vorschlag der ständerätlichen Minderheit Seydoux (cvp, JU) sollen die Kontingente zu 50% aufgrund der Käufe von in der Schweiz gezüchteten Pferde verteilt werden: Damit sollen die einheimische Pferdezucht und insbesondere die Freiberger Pferde aus dem Jura, welche zu dem Zeitpunkt die noch einzige ursprüngliche Schweizer Rasse waren, geschützt werden. Auch der Import von Fleisch wurde restringiert: Nachdem eine Minderheit Hassler (bdp, GR) im Nationalrat mit 87 zu 90 Stimmen äusserst knapp gescheitert war, nahm die ständerätliche Kommission den Vorschlag wieder auf und verlangte, dass 40% der Zollkontingentsanteile von Rinder-, Schaf-, Ziegen- und Pferdefleisch nach der Zahl von in der Schweiz geschlachteten Tieren zugeteilt werden soll. Die ständerätliche Ratslinke und Bundesrat Schneider-Ammann argumentierten vergeblich dagegen, dass eine solche Einschränkung des freien Marktes nicht wie beabsichtigt die kleinen und mittleren Metzgereien fördern, sondern den fünf grössten Schlachtbetrieben der Schweiz, welche damals bereits 70% der Rindergattung schlachteten, eine noch grössere Macht verschaffen würde. In der Abstimmung setzte sich die Kommission schliesslich mit 21 zu 15 Stimmen durch. Im Kernbereich der Beratungen, der Umgestaltung des Direktzahlungssystems, befassten sich die Räte zuerst mit den Bedingungen, welche zum Bezug von staatlicher Unterstützung berechtigen. Der Ständerat beschloss dabei, dass Direktzahlungen nicht mehr für bewirtschaftete Flächen ausgezahlt werden sollen, welche nach Inkrafttreten dieser Gesetzgebung in eine Bauzone umgewandelt werden. Es handelte sich dabei um einen Kompromissvorschlag zwischen den Anliegen des Bundes- und des Nationalrats, welche Beiträge für sich in Bauzonen befindende Flächen vollständig bzw. überhaupt nicht streichen wollten. Mit der Fassung des Ständerats sollten einerseits Kulturlandflächen gegen zu grosszügige Neueinzonungen geschützt, andererseits aber solche Bäuerinnen und Bauern nicht bestraft werden, die zurzeit noch nicht bebaute Flächen bewirtschaften und pflegen. Bei der Neuausrichtung der Direktzahlungen selbst wurde im Nationalrat die Einführung des Instruments „Landschaftsqualitätsbeiträge“ intensiv diskutiert: Die Gegner kritisierten, dass die Landwirte damit für Leistungen abgegolten werden sollten, welche erstens von diesen seit Jahrzehnten freiwillig erbracht und zweitens nicht objektiv beurteilt werden könnten: So seien die Ausschmückung des Hofs mit Geranien, eine mit Kopfstein gepflasterte Strasse oder die Einrichtung einer Feuerstelle keine unterstützenswerten Massnahmen. Der Bundesrat und die Befürworter erklärten daraufhin, dass diese Beiträge auf spezifische, traditionelle Bewirtschaftungsarten wie etwa Wytweiden im Jura oder Wässermatten im Oberaargau abzielten, deren Fortbestand nicht zuletzt auch für die Schweiz als Tourismusmagnet von grosser Wichtigkeit seien. Die SVP, jeweils eine knappe Mehrheit der FDP und der BDP sowie ein Drittel der CVP sprachen sich in der Abstimmung der grossen Kammer gegen diese Art von Beiträgen aus, unterlagen jedoch mit 85 zu 98 Stimmen. Im Ständerat fiel die Annahme der Beiträge mit 30 zu 9 Stimmen deutlicher aus. Die radikalste Änderung nahmen die beiden Kammern mit der Streichung der Tierbeiträge vor: Die Auszahlung pro Tier bzw. Grossvieheinheit habe falsche Anreize gesetzt und zu Überproduktion, tiefen Preisen im Milchsektor, steigenden Kraftfutterimporten und zu erhöhter Umweltbelastung geführt. Stattdessen werden deshalb sogenannte „Versorgungssicherheitsbeiträge“ eingeführt: Dabei handelt es sich um flächenbezogene Zahlungen, die eine sichere Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln garantieren sollen. Sie setzen sich zusammen aus einem Basisbeitrag je Hektare und einem zusätzlichen abgestuften Beitrag in Bezug auf geografische und klimatische Erschwernisse. Bei Grünflächen muss ausserdem ein Mindesttierbesatz erreicht werden. Die SVP und Teile der CVP, FDP und BDP stellten sich dagegen und brachten im Nationalrat einen Minderheitsantrag Aebi (svp, BE) ein, der mit einer Erhöhung des Basisbeitrags je nach Tierbesatz die Tierbeiträge zumindest teilweise beibehalten wollte. Dieser Vorschlag wurde auch ausserhalb der Ratsdiskussion stark propagiert, war aber in der Abstimmung mit 100 zu 80 Stimmen chancenlos. Auch im Ständerat waren die neuen Beiträge umstritten und wurden mit Minderheitsanträgen sowie einem Alternativvorschlag der Kommissionsmehrheit bekämpft. Die Version des Bundesrats setzte sich schliesslich dennoch durch, was hauptsächlich den Ständeräten Freitag (fdp, GL) und Baumann (cvp, UR) zu verdanken war: Als in der ständerätlichen Kommission klar geworden war, dass die Versorgungssicherheitsbeiträge so nicht akzeptiert würden, arbeiteten die beiden bürgerlichen Ständeräte zwei Einzelanträge zur Anpassung der Übergangsbeiträge aus. Diese befristeten Zahlungen sollen einen für die Landwirte sozialverträglichen Systemwechsel ermöglichen. Nachdem Ständerat Freitag seinen Antrag zugunsten des anderen zurückgezogen hatte, akzeptierten die Ratsmitglieder den Antrag Baumann, laut welchem die Übergangsbeiträge acht Jahre lang ausgerichtet werden und bis 2017 um nicht mehr als 10% pro Jahr zurückgestuft werden dürfen. Damit wurde diejenige Neuerung, gegen welche sich der Schweizerische Bauernverband (SBV) am heftigsten gestemmt hatte, bereits im Berichtsjahr von den Räten definitiv in das revidierte Gesetz aufgenommen. Auch die Verlängerung des Moratoriums für gentechnisch veränderte Organismen wurde von den Räten im Rahmen der Agrarpolitik beschlossen. Sie nahmen damit das Anliegen einer Motion Ritter (cvp, SG) auf, die sich auf die Ergebnisse des nationalen Forschungsprojekts (NFP 59) gestützt hatte: Der Einsatz von dem zurzeit verfügbaren gentechnisch veränderten Saatgut erbringe keine wirtschaftlichen Vorteile für die Schweizer Landwirte, deswegen sei eine Fortführung des Moratoriums gerechtfertigt. Die Frist soll neu bis Dezember 2017 gelten. Trotz ausgedehnten Diskussionen im Nationalrat konnte die FDP, welche die Aufhebung bzw. eine Verkürzung der Frist zusammen mit Minderheiten der CVP, BDP und SVP unterstützt hatte, die übrigen Ratskolleginnen und -kollegen nicht überzeugen.
Am Ende der Wintersession 2012 war damit bereits klar, dass das Hauptziel des Bundesrats, mit der neuen Agrarpolitik eine Änderung des Direktzahlungssystems vorzunehmen, erreicht werden würde. In der auf 2013 angesetzten Differenzbereinigung werden sich die eidgenössischen Räte erneut mit der Situation des Milchmarkts, der Importrestriktion für Fleisch sowie diversen kleineren Uneinigkeiten auseinandersetzen müssen.
Über die finanziellen Mittel, die der Landwirtschaft in den Jahren 2014 bis 2017 zukommen sollen, konnten sich die Kammern im Berichtsjahr noch nicht einigen. Nach längeren Diskussionen beschloss der Nationalrat in einer äusserst knappen Abstimmung, dass das Budget im Bereich der Grundlagenverbesserungs- und Sozialmassnahmen um CHF 160 Mio. erhöht werden solle. Der Bundesrat, welchem die grüne, die grünliberale, die sozialdemokratische Fraktion sowie eine Mehrheit der Liberalen gefolgt waren, warnte vergeblich davor, dass eine Budgeterhöhung nicht mit den Vorgaben der Schuldenbremse vereinbar sei. Auch bei der Abstimmung zur Ausgabenbremse – welche sonst in beiden Räten ausnahmslos einstimmig gelöst worden war – und bei der Gesamtabstimmung über den Beschluss zu den finanziellen Mitteln demonstrierten SP und GLP ihre Ablehnung, was jedoch folgenlos blieb. Im Ständerat endete die Gegenüberstellung des Kommissionsantrages auf Folgeleistung des nationalrätlichen Entscheids und eines Minderheitsantrages Fetz (sp, BS), der auf der ursprünglichen Budgetierung beharrte, in einem Patt. Der Ratspräsident äusserte sich im Stichentscheid zugunsten der Minderheit. Somit werden diese, als auch die oben erwähnten Meinungsverschiedenheiten zwischen National- und Ständerat, 2013 in der Differenzbereinigung zur Agrarpolitik 2014 bis 2017 nochmalig thematisiert werden [9].
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Freihandelsabkommen
Von den drei im Vorjahr vom Nationalrat angenommenen Motionen Darbellay (cvp, VS), Joder (svp, BE) und Favre (fdp, NE) über einen Abbruch der Agrarfreihandels-Verhandlungen mit der EU nahm der Ständerat nach ausgedehnten Diskussionen einzig die erste mit 26 zu 16 Stimmen an. Diese verlangt im Detail, dass der Bundesrat die Verhandlungen mit der EU solange unterbricht, als dass die Doha-Runde der Welthandelsorganisation (WTO) nicht zu einem Abschluss kommt. Der Motionär hatte postuliert, dass die Verhandlungen mit der EU im Hinblick auf einen baldigen Abschluss derselben aufgenommen worden seien. Da ein Ende der Doha-Runde in weite Ferne gerückt sei, wäre ein Abkommen, das bereits jetzt den Grenzschutz abbaut und die Produzentenpreise unter Druck setzt, unnötig und für die Schweizer Landwirtschaft schädlich. Eine Motion der WAK-SR, welche sozusagen als Gegenvorschlag zu den drei Motionen ausgearbeitet worden war, wurde vom Nationalrat in der Herbstsession mit 85 zu 77 Stimmen eliminiert: Die Kommission hätte eine Standortbestimmung des Bundesrates über die EU-Verhandlungen und ein Aufzeigen von Alternativen zum bisherigen Verhandlungsansatz verlangt, mit dem Ziel einer schrittweisen und kontrollierten Einführung des Agrar- und Lebensmittelfreihandels mit der EU. Die SVP hatte sich geschlossen gegen die Motion gestellt, zusammen mit Mehrheiten aus der grünen, der christlich-demokratischen und der bürgerlich-demokratischen Fraktion [10].
Der Nationalrat befasste sich ebenfalls mit der Thematik des Agrarfreihandels: Er folgte einer Minderheit seiner vorberatenden Kommission und nahm eine Standesinitiative des Kantons Waadt an, welche den sofortigen Abbruch der Verhandlungen mit der Europäischen Union über ein Freihandelsabkommen im Agrar- und Lebensmittelbereich verlangt. Die Antwort des Ständerats stand am Ende des Berichtsjahres noch aus [11].
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Raumplanung
Das Anliegen einer im Nationalrat angenommenen Motion Gschwind (cvp, JU) wurde im Rahmen der Agrarpolitik 2014 bis 2017 im Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht (BGBB) verankert: Der Geltungsbereich des Gesetzes wird demnach künftig auf kleine Grundstücke im Beizugsgebiet einer Landumlegung ausgedehnt, bis der neue Besitzstand im Grundbuch verankert ist. Dadurch soll den Bewirtschafterinnen und Bewirtschaftern die Durchführung von Landumlegungen, welche zu erhöhter Effizienz und geringeren Produktionskosten führen, erleichtert werden. Die WAK-SR empfahl Ende des Berichtsjahrs, diese Bestimmung BGBB anzunehmen und die damit erfüllte Motion entsprechend abzulehnen [12].
Der Nationalrat reichte eine parlamentarische Initiative Favre (fdp, NE) an die kleine Kammer weiter, welche eine Umteilung von bestockten Weiden (sog. „Wytweiden“) von der Wald- in die Landwirtschaftszone verlangt. Dadurch soll erreicht werden, dass diese bereits heute oft für die Viehhaltung benutzten Gebiete hauptsächlich von den Bäuerinnen und Bauern, die oft zugleich die Besitzer des Landes sind, gepflegt und unterhalten werden, und nicht wie bis anhin von den Forstdiensten. So könnten auch der Waldausdehnung in Berggebieten teilweise Einhalt geboten und landwirtschaftliche Nutzflächen besser geschützt werden [13].
Die grosse Kammer überwies eine Motion von Siebenthal (svp, BE) an den Ständerat. Diese verlangt vom Bundesrat die Schaffung von Rahmenbedingungen, welche die Wiederherstellung und Erhaltung von durch Verwaldung und Verbuschung dezimierten Landwirtschaftsflächen ermöglicht. Laut dem Antragsteller hat die Schweizerische Waldfläche in den vergangenen elf Jahren um 12 000 ha zugenommen, was mit einem Verlust von landwirtschaftlichen Flächen einhergehe. Dadurch gingen nicht nur landwirtschaftliche Einkommensmöglichkeiten in Randgebieten verloren, sondern auch wertvolle Zonen für die Förderung von Biodiversität und die für die Schweiz charakteristische und touristisch attraktive Vielfalt der Landschaft. Die zuständige Kommission der kleinen Kammer beantragte im November ebenfalls die Annahme der Motion [14].
 
[1] Mo. 12.3988: AB SR, 2012, S. 1222 f.
[2] Po. 11.3386: AB NR, 2012, S. 674 f.
[3] Po. 11.4157: AB NR, 2012, S. 537; vgl. auch Kt.Iv. 12.318.
[4] Pa.Iv. 08.457: AB NR, 2012, S. 527 und 1721; vgl. SPJ 2010, S. 135.
[5] Po. 12.3684: AB NR, 2012, S. 2254.
[6] Mo. 12.3367: AB NR, 2012, S. 1792; AB SR, 2012, S. 949.
[7] BLW, Agrarbericht 2012, 31.10.12; NZZ und BZ, 17.10.12.
[8]Mo. 12.3990: AB SR, 2012, S. 1192 f. und 1223.
[9] BRG 12.021: AB NR, 2012, S. 1496 ff., 1681 ff., 1697 ff. und 1790.; AB SR 2012, S. 1092 ff., 1173 ff. und 1196 ff.; Medienmitteilungen WAK-NR vom 20.6.12 und WAK-SR vom 16.10.12; NZZ, 30.8. und 14.9.12; TA und NLZ, 20.9.12; SGT, 26.9.12; Presse vom 27.9.12; BZ, 2.10.12; SGT, 26.11.12; NZZ, 7.12.12; SGT, 12.12.12; BZ, 13.12.12; vgl. SPJ 2011, S. 208 f.
[10] Mo. 10.3473, 10.3818, 11.3464 und 12.3014: AB NR, 2012, S. 1715 ff.; AB SR, 2012, S. 121 ff.
[11] Kt.Iv. 12.300: AB NR, 2012, S. 1722.
[12] Mo. 12.3224: AB NR, 2012, S. 1209.
[13] Pa.Iv. 09.469: AB NR, 2012, S. 1370 ff.
[14] Mo. 10.3404: AB NR, 2012, S. 652; Medienmitteilung WAK-SR vom 14.11.12.