Année politique Suisse 2012 : Economie / Agriculture / Tierische Produktion
Im Berichtsjahr wurden die Diskussionen über das
revidierte Tierseuchengesetz (TSG) fortgeführt. Der Ständerat als Zweitrat änderte in der Frühlingssession den Entwurf dahingehend, dass der Bund sich nicht an den Kosten der Tierseuchenbekämpfung beteiligen, sondern diese den Kantonen überlassen solle. Da bereits die Projektplanung und -leitung, die Überwachung als auch Forschungsarbeiten zu dieser Thematik durch den Bund finanziert würden, sei es an den Kantonen, für Laborkosten, Probeentnahmen, Tierarztkosten und dergleichen aufzukommen. Zwei Drittel der kleinen Kammer stellten sich hinter diesen Beschluss. Ferner wurde entschieden, dass die Kompetenzen des Bundesamtes für Veterinärwesen (BVET) im Falle einer akuten Bedrohung erweitert werden: So soll es nicht nur vorübergehend den Tierverkehr oder die Freilandhaltung sowie Märkte, Tierversteigerungen o.Ä. verbieten dürfen, sondern auch Ställe, Weiden und Ortschaften für den Tierverkehr absperren, Desinfektionen vornehmen oder den Personen- und Warenverkehr einschränken können. Die für diesen Artikel obligatorische Ausgabenbremse wurde einstimmig gelöst. Ein Antrag Schmid (fdp, GR), der die Kantone explizit in die Entscheidungsfindung über zeitlich begrenzte Abgabenerhebungen zur Bekämpfung von Tierseuchen einbinden wollte, wurde abgelehnt. Nachdem der Nationalrat in der Differenzbereinigung die vorgenommenen Abänderungen ausnahmslos akzeptiert hatte, wurde das revidierte Gesetz in den Schlussabstimmungen im Ständerat einstimmig und im Nationalrat mit 192 zu 1 Stimme angenommen
[29].
Gegen das TSG wurde das
Referendum ergriffen. Die Gegner, die sich um den Naturheiler Daniel Trappitsch formierten, konzentrierten ihre Abstimmungskampagne hauptsächlich auf die Bekämpfung der staatlichen Kompetenz, Impfzwänge zu verhängen. Dies war insofern speziell, als dass die Revision sich gar nicht mit dieser Thematik beschäftigt hatte. Die Referendumsgegner beriefen sich jedoch auf das 2008 verhängte Impfobligatorium gegen die Blauzungenkrankheit, welches bei vielen Kühen zu entzündeten Eutern und Verwerfungen geführt habe. Die Parteien stellten sich mit Ausnahme der SVP nach wie vor geschlossen hinter die Revision. Die Parlamentsfraktion der SVP hatte sich in der Schlussabstimmung noch einstimmig dafür ausgesprochen. Bei der nationalen Delegiertenversammlung wurden die Parteileitung und Hansjörg Walter, der damalige Präsident des SBV, jedoch deutlich überstimmt, was besonders für eine agrarpolitische Vorlage aussergewöhnlich war: Die Gegner hatten die Mehrheit der Basis mit dem Argument des bei der SVP verpönten Machtzuwachses des Bundes und dem Hinweis auf den angeblich grossen finanziellen Aufwand nationaler Präventionsprogramme zu überzeugen vermocht
[30].
Bei der Abstimmung am 25. November war die Stimmbeteiligung mit 26,9% so tief wie seit 1972 nicht mehr. Die im Anschluss an den Urnengang durchgeführte
Vox-Analyse fand als möglichen Grund dafür die geringe persönliche Betroffenheit: Über 60% der Stimmberechtigten gaben an, dass sie das TSG für unwichtig erachteten, und beinahe 70% derjenigen, die sich an der Abstimmung beteiligt hatten, taten dies, weil sie prinzipiell keine Abstimmung auslassen. Das Referendum wurde mit 68,3% deutlich abgelehnt, und auch die Stände sprachen sich mit Ausnahme der Kantone Uri und Appenzell Innerrhoden einhellig für die Revision aus. SP-, CVP- und FDP-AnhängerInnen folgten grossmehrheitlich den Empfehlungen ihrer Parteien. Die SVP-SympathisantInnen waren hingegen wie bereits die Basis bei der Delegiertenversammlung gespalten: Mit 56% entschied sich eine knappe Mehrheit, die Vorlage abzulehnen. Entscheidend für die Abstimmungshaltung war allerdings die Meinung zu staatlich verordneten Impfobligatorien: Die 76% der ImpfgegnerInnen, welche die Revision ablehnten und die 87% der ImpfbefürworterInnen, die sie annahmen sind ein deutliches Zeichen dafür, dass die Referendumskampagne die Diskussion erfolgreich auf dieses eigentlich vorlagenfremde Thema konzentrieren konnte. Bei der Frage nach dem Inhalt der Abstimmung gaben denn auch 19% an, dass es um das Impfobligatorium gegangen sei, während bemerkenswerte 16% antworteten, sie wüssten nicht, worüber sie abgestimmt hatten
[31].
Änderung des Tierseuchengesetzes
Abstimmung vom 25. November 2012
Beteiligung: 26,9%
– Ja: 946 200 (68,3%) / 19 5/2 Stände
– Nein: 439 589 (31,7%) / 1 1/2 Stände
Parolen:
– Ja: FDP, CVP, SP, EVP, CSP, GPS (1*), GLP, BDP; SBV, SGB.
– Nein: SVP (7*), EDU; VKMB, Bio Suisse, Uniterre.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen
[29] BRG 11.059:
AB SR, 2012, S. 111 ff. und S. 274;
AB NR, 2012, S. 385 f. und S.558; vgl.
SPJ 2011, S. 212.
[30]
NZZ, 12.4. und 12.10.12;
LZ,
23.10.12;
SGT,
29.10. und 19.11.12.
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