Année politique Suisse 2012 : Chronique générale / Finances publiques
Direkte Steuern
Das Parlament beschloss eine Verschärfung der Bemessungsgrundlagen der
Pauschalbesteuerung. Als Erstrat setzte sich der Ständerat in der Frühjahrssession mit der Revision des Bundesgesetzes über die Besteuerung nach dem Aufwand auseinander. Das Hauptziel der Vorlage bestand darin, bei den Bürgerinnen und Bürgern die Akzeptanz der in Verruf geratenen Pauschalbesteuerung zu erhöhen. Von der Besteuerung nach Aufwand konnten vermögende ausländische Personen profitieren, die zwar in der Schweiz ansässig waren, jedoch hierzulande keiner Erwerbstätigkeit nachgingen. Die kleine Kammer übernahm die vom Bundesrat im Vorjahr vorgeschlagenen Eckwerte. Die Bemessungsgrundlage wurde vom Fünffachen auf das Siebenfache des Eigenmietwertes bzw. des jährlichen Mietzinses erhöht und musste bei den direkten Bundessteuern mindestens 400 000 Franken betragen. Die von der Ratslinken vorgebrachten Minderheitsanträge, die eine Anhebung dieser Schwellenwerte auf das Zehnfache der Wohnkosten und auf mindestens 500 000 Franken verlangten, wurden abgelehnt. In der Gesamtabstimmung stimmte der Ständerat der Vorlage einstimmig zu. Nach Ansicht der Kantonsvertreter stellte die Revision einen gelungenen Kompromiss zwischen Standort- und Steuergerechtigkeitsüberlegungen dar. In der Herbstsession schloss sich der Nationalrat in Bezug auf die beiden zentralen Bemessungskriterien dem Entscheid des Ständerats an. Hingegen schuf die grosse Kammer zwei Differenzen. Der Nationalrat erhöhte die Übergangsbestimmungen von fünf auf zehn Jahre und legte fest, dass für über 65-jährige Pauschalbesteuerte das geltende Recht auf unbestimmte Zeit fortbestehen konnte. In der Gesamtabstimmung wurde die Vorlage mit 116 zu 54 Stimmen angenommen. Während die bürgerlichen Parteien der Vorlage zustimmten, wurde sie durch die SP einstimmig und durch die Grünen grossmehrheitlich abgelehnt. Das Geschäft ging zurück in den Ständerat. Nachdem dieser an seiner ursprünglichen Fassung festhielt, verzichtete der Nationalrat sowohl auf die Verlängerung der Übergangsbestimmungen als auch auf die Ausnahmeregelung für über 65-Jährige. Die Schlussabstimmungen zur Revision des Bundesgesetzes über die Besteuerung nach dem Aufwand fanden in der Herbstsession statt. Im Nationalrat wurde die Vorlage mit 120 zu 41 Stimmen und im Ständerat mit 42 zu 0 Stimmen gutgeheissen
[3].
Keine Folge gab der Nationalrat in der Herbstsession einer parlamentarischen Initiative Leutenegger Oberholzer (sp, BL). Der Vorstoss hätte die
Abschaffung der Pauschalbesteuerung gefordert. Da er lediglich von der Ratslinken unterstützt wurde, fiel das Ergebnis mit 117 zu 57 Stimmen deutlich aus
[4].
Im November gab die Bundeskanzlei bekannt, dass die eidgenössische Volksinitiative
„Schluss mit den Steuerprivilegien für Millionäre“ mit 103 000 gültigen Unterschriften zu Stande gekommen war. Das von der Alternativen Linken lancierte Begehren forderte die Abschaffung der Pauschalbesteuerung mittels einer Verfassungsänderung
[5].
Im Berichtsjahr verabschiedeten die eidgenössischen Räte eine Anpassung des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer zur
Verbesserung der Oberaufsicht, mit der eine Prüflücke in der Finanzaufsicht geschlossen werden sollte. Bis dato waren die Kantone, welche im Auftrag des Bundes die direkte Bundessteuer erhoben, nicht dazu verpflichtet, die Ordnungs- und Rechtmässigkeit der Erhebung und der Ablieferung durch eine unabhängige Stelle prüfen zu lassen. Der Bundesrat schlug vor, dass diese Aufgabe jährlich einem unabhängigen kantonalen Finanzaufsichtsorgan zukommen sollte. Beide Parlamentskammern stimmten dem bundesrätlichen Entwurf zu. In der Schlussabstimmung wurde das Geschäft im Nationalrat mit 188 zu 5 und im Ständerat mit 42 zu 0 Stimmen angenommen
[6].
Im Dezember beschloss der Nationalrat eine formelle Bereinigung bei der direkten Besteuerung von natürlichen Personen. Dabei wurde auf Antrag des Bundesrats die
einjährige Veranlagung im Rahmen der Gegenwartsbemessung als einziges Besteuerungssystem festgelegt. Im Plenum warf dieses Vorhaben keine hohen Wellen. In der Gesamtabstimmung wurde das Bundesgesetz über die formelle Bereinigung der zeitlichen Bemessung der direkten Steuern bei den natürlichen Personen mit 151 zu 7 Stimmen angenommen, wobei die Voten gegen diese Vereinheitlichung aus der SVP-Fraktion stammten. Im Ständerat wurden die Beratungen zu diesem Geschäft auf das Folgejahr traktandiert
[7].
In der Frühjahrsession lehnte der Ständerat eine Motion Humbel (cvp, AG) mit 13 zu 23 Stimmen ab, welche das Ziel verfolgte, den
Steuerabzug für Versicherungsprämien und Zinsen auf Sparkapitalien zu erhöhen. Damit folgte die kleine Kammer dem Antrag des Bundesrates. Im Vorjahr hatte dieser Vorstoss im Nationalrat eine Mehrheit gefunden
[8].
Zu den steuerlichen Förderungsmitteln im Bereich des Wohnungswesens, den Bausparinitiativen sowie der Eigenmietwertbesteuerung siehe Teil I, 6c (Wohnungsbau und -eigentum).
Im Bereich der Familienbesteuerung präsentierte der Bundesrat im Juli seine Botschaft zur
Familieninitiative der SVP. Diese forderte neue Steuerabzüge für Eltern, die ihre Kinder selbst betreuten. Das Begehren war eine Reaktion auf die im Jahre 2011 in Kraft getretene Regelung, die für berufstätige Eltern einen Abzug für die Betreuungskosten von jährlich maximal 10 100 Franken pro Kind eingeführt hatte. Die SVP erachtete diese fiskalische Massnahme als Diskriminierung jener Eltern, die ihre Kinder nicht extern betreuen liessen. Der Bundesrat beantragte die Ablehnung der Volksinitiative. Die Landesregierung machte geltend, dass Zweiverdienerehepaaren aufgrund der Kosten für die Fremdbetreuung nicht das gleiche Einkommen zur Verfügung stand wie Einverdienerehepaaren in gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen. Mit dem eingeführten Abzug für die Betreuung sei dieser verminderten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von Eltern mit fremdbetreuten Kindern Rechnung getragen worden. Im Gegensatz dazu war der Bundesrat der Ansicht, dass die SVP-Initiative die steuerliche Besserstellung der Eigenbetreuung zur Folge hatte und somit gegen das Prinzip der Steuerneutralität verstiess
[9].
Ende August schickte der Bundesrat eine
Vorlage zur ausgewogenen Paar- und Familienbesteuerung in die Vernehmlassung. Das Ziel der anvisierten Revision bestand darin, im Rahmen der direkten Bundessteuer eine im Einklang mit der Verfassung stehende Besteuerung zu verankern, die sich gegenüber den verschiedenen Partnerschafts- und Familienmodellen möglichst neutral verhielt. Um die relativ höhere Steuerbelastung von Ehepaaren gegenüber Konkubinatspaaren zu eliminieren, wurde ein Modell ins Auge gefasst, das einen Mehrfachtarif mit alternativer Steuerberechnung vorsah. Um eine ausgewogenere Belastungsdifferenz zwischen Einverdiener- und Zweiverdienerehepaaren zu erzielen, wurde für Einverdienerehepaare ein Abzug vorgeschlagen. Unverheiratete mit Kindern sollten zudem zum Grundtarif besteuert werden. Damit Alleinerziehende mit tieferen und mittleren Einkommen nicht stärker als bisher belastet wurden, sollte ihnen ein neuer Sozialabzug gewährt werden
[10].
Im Dezember kamen die beiden eidgenössischen
Volksinitiativen der CVP zu Stande, welche die Partei im Vorjahr lanciert hatte. Das eine Begehren forderte die Streichung der Besteuerung von Kinder- und Ausbildungszulagen, während das andere die sogenannte „Heiratsstrafe“ beseitigen wollte
[11].
Im Zusammenhang mit den unerwartet hohen Steuerausfällen aufgrund der grosszügigen Ausgestaltung des Kapitaleinlageprinzips im Rahmen der
Unternehmenssteuerreform II stimmte der Ständerat einer Motion seiner Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK-SR) zu. Diese wollte den Bundesrat damit beauftragen, eine Vorlage auszuarbeiten, welche die Steuerausfälle ganz oder teilweise kompensierte. Der Motionstext liess der Landesregierung insofern freie Hand, als er die Art und Weise der Kompensation nicht festlegte. Zudem sollten die geschätzten Steuermehreinnahmen der umstrittenen Massnahme berücksichtigt werden. Bürgerliche Abgeordnete machten darauf aufmerksam, dass mehrere Grosskonzerne aufgrund des Kapitaleinlageprinzips in die Schweiz gezogen waren. Bis Ende Juli des Berichtsjahrs hatten rund 3900 Unternehmen bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) 840 Milliarden Franken als Reserven aus Kapitaleinlagen angemeldet. Davon wurden bis Mitte Dezember 670 Milliarden Franken bewilligt. Der Bundesrat rechnete mit jährlichen Einnahmeausfällen für die Verrechnungs- und die Einkommenssteuer von insgesamt 600 Millionen Franken
[12].
Als Folge eines Steuerstreits mit der Europäischen Union (EU) bereitete der Bundesrat die
Unternehmenssteuerreform III vor. Die EU hatte die Schweiz seit Jahren aufgefordert, die Spezialregime für Statusgesellschaften (u.a. Holdinggesellschaften) abzuschaffen. Im Zentrum der Kontroverse stand das sogenannte „ring-fencing“, d.h. die tiefere Besteuerung von ausländischen gegenüber inländischen Gewinnen. Bei einem sich abzeichnenden Wegfall dieser Steuerprivilegien drohten die Abwanderung solcher Statusgesellschaften und erhebliche Steuerausfälle für die Kantone. Davon betroffen waren vor allem die Zentrumskantone, deren Steuersubstrat am stärksten von diesen Spezialgesellschaften abhing. Um ein solches Szenario abzuwenden, setzte das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) im September eine Projektorganisation für die Unternehmenssteuer III ein. Diese setzte sich paritätisch aus je vier Bundes- und KantonsvertreterInnen zusammen und stand unter der Leitung der Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf. Im Vordergrund standen eine Ausarbeitung von EU-kompatiblen Steuermodellen, die Untersuchung der Auswirkungen auf die Haushalte der Kantone und eine allfällige Anpassung des interkantonalen Ressourcenausgleichs
[13].
Im Hinblick auf die Unternehmenssteuerreform III überwies der Nationalrat in der Wintersession ein Postulat Fässler-Osterwalder (sp, SG). Der Bundesrat wurde beauftragt, über eine Verbesserung der
Steuerstatistik der Unternehmensbesteuerung Bericht zu erstatten
[14].
Der Nationalrat gab einer parlamentarischen Initiative der SVP-Fraktion Folge, welche
Sofortabschreibungen durch Unternehmen ohne steuerliche Aufrechnungen erlauben wollte. Bislang wurden vorgenommene Wertverminderungen auf Wirtschaftsgüter von der Steuerbehörde nicht automatisch akzeptiert, da im Handelsrecht und im Steuerrecht unterschiedliche Abschreibungssätze zur Anwendung kamen. In der Frühjahrssession sprach sich eine Mehrheit von 100 zu 85 VolksverterInnen für die parlamentarische Initiative aus. Der Entscheid des Ständerates zu diesem Geschäft war im Berichtsjahr noch hängig
[15].
Über die internationale Amtshilfe bei Steuerdelikten berichten wir im Teil I, 4b (Geld, Währung und Kredit) sowie im Teil I, 2 (Politique étrangère suisse).
[3] BRG 11.043:
AB
SR, 2012, S. 85ff.;
AB NR,
2012,
S.1344ff.;
NZZ, 25.7., 13.9. und 20.9.12;
SPJ
2011, S. 219.
[4] Pa.Iv. 11.452:
AB NR,
2012,
S.1369ff.;
NZZ, 13.9.12.
[5]
BBl, 2012, S. 6021ff.;
NZZ, 1.7.12;
SPJ
2011, S. 219.
[6] BRG 12.049:
AB
SR, 2012, S. 793ff.;
AB NR, 2012,
S. 1837ff.
[7] BRG 11.026:
AB
SR, 2012, S. 258f.
[8] Mo. 10.3326:
AB
SR, 2012, S. 93ff.;
vgl.
SPJ
2011, S. 219f.
[9] BRG 12.068:
BBl, 2012, S. 7215ff.;
NZZ, 5.7.12.
[10]
BBl, 2012, S. 7999;
NZZ, 30.8.12.
[11]
BBl, 2013, S. 243ff.; vgl. auch Teil IIIa (CVP)
[12] Mo. 12.3972:
AB
SR, 2012, S. 1038ff.;
NZZ, 31.8., 17.10. und 5.12.12; vgl.
SPJ 2011, S. 220f.
[13] Medienmitteilung EFD, 21.9.12;
NZZ, 1.9. und 22.9.12.
[14] Po. 12.3821:
AB
NR, 2012, S. 2255.
[15] Pa.Iv. 10.533:
AB
NR, 2012, S. 243f.
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