Année politique Suisse 2013 : Eléments du système politique / Institutions et droits populaires / Parlament
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Parlamentsmandat
Für einige Diskussionen sorgte die rege Reisetätigkeit des Ständeratspräsidenten Filippo Lombardi, der in seinem Präsidialjahr bei 13 Auslandreisen 22 Länder besuchte und dabei insgesamt 27 Parlamentspräsidenten, sechs Staatschefs, zwei Premierminister, sieben Aussenminister und sechs weitere Minister traf. Die Diplomatie gehöre zur Aufgabe des Präsidenten, verteidigte sich Lombardi. Auch die Reisen der aussenpolitischen Kommission des Nationalrats stiessen auf Kritik und die geplante, mit CHF 11 500 pro Person budgetierte USA-Reise der Bildungskommission wurde vom Büro des Nationalrates nicht bewilligt [43].
Die Idee eines neuen Sessionsrhythmus war wie bereits im Vorjahr ein Thema. Die Staatspolitische Kommission des Nationalrates empfahl jedoch eine im Berichtjahr eingereichte parlamentarische Initiative Feri (sp, AG) zur Ablehnung. Durch häufigere, dafür aber kürzere Sessionen versprach sich Feri eine bessere Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Politik. Sie nahm damit die bereits im Vorjahr aufgrund verschiedener gesundheitlicher Probleme und Rücktritte einiger Parlamentarier angefachte Diskussion um die Machbarkeit des Milizsystems wieder auf [44].
Keine Gnade fanden die beiden parlamentarischen Initiativen aus der SVP, die Lohnerhöhungen des Parlamentes dem fakultativen Referendum unterstellen wollten. Die Staatspolitische Kommission des Nationalrates hielt fest, dass die Höhe der wichtigsten Entschädigungen (Taggeld, Jahresentschädigung) bereits im Parlamentsressourcengesetz geregelt sei und ergo bereits dem fakultativen Referendum unterstehe. Weitere Entschädigungen wie z.B. Essens-, Übernachtungs- oder Reisespesen seien allerdings aufgrund der Komplexität auf Verordnungsstufe geregelt. Auch die an die Fraktionen ausgeschütteten Beiträge seien nicht referendumspflichtig. Die starke Minderheit der SPK-NR, die sich letztlich knapp mit 11 zu 10 Stimmen gegen Folge geben aussprach, stiess sich am Umstand, dass Ratsmitglieder über ihre eigenen Einkommen abschliessend entscheiden können. Darunter leide das Vertrauen der Bürgerschaft ins Parlament. Im Rat fand dieses Argument allerdings kein Gehör. Den Initiativen wurden mit 125 zu 56 bzw. 124 zu 58 Stimmen keine Folge gegeben. Auch eine parlamentarische Initiative Aeschi (svp, ZG), die vorgeschlagen hätte, den Teuerungsausgleich für die Einkommen der Parlamentarier jeweils nicht am Anfang, sondern am Schluss einer Legislaturperiode zu beschliessen, damit die neuen Ratsmitglieder nicht über die eigene Erhöhung entscheiden müssten, fand bei 110 zu 67 Stimmen kein Gehör. Eine Anfang Berichtjahr eingereichte parlamentarische Initiative Leutenegger Oberholzer (sp, BL), die verlangt, dass die Jahresentschädigung neu als Jahreseinkommen steuerbar und sozialversicherungsabgabepflichtig werden solle, wurde im Berichtjahr noch nicht behandelt [45].
Auf Basis einer im Februar des Berichtjahres eingereichten parlamentarischen Initiative des Büros des Ständerates soll die Distanz- und Übernachtungsentschädigung neu geregelt werden. Die bisherige Regelung sah vor, dass Übernachtungsentschädigungen zwischen zwei aufeinanderfolgenden Sitzungstagen dann ausgerichtet werden, wenn der Wohnort weiter als 25 mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückzulegenden Kilometer entfernt ist. Neu soll nicht die Distanz, sondern die Fahrzeit entscheidend sein für die Gewährung von Entschädigungen. Vorgeschlagen wurden 30 Minuten Reisezeit oder ein Umkreis von 10 Kilometern Luftdistanz, was zur Folge hat, dass neu 21 Ratsmitglieder keine Übernachtungsspesen erhalten würden; mit der bisherigen Regelung waren es 16 Räte. Das Büro des Nationalrates gab noch im März seine Zustimmung und der Ständerat nahm die vorgeschlagene Revision des Parlamentsressourcengesetzes mit 29 zu 2 Stimmen in der Herbstsession an. Die grosse Kammer wird das Geschäft 2014 beraten [46].
Der parlamentarischen Initiative Rossini (sp, VS) wurde von der grossen Kammer keine Folge gegeben. Der Vorstoss hätte die Schaffung eines Bundesgesetzes verlangt, mit dem die Unabhängigkeit aller Behörden auf nationaler, kantonaler und kommunaler Ebene geregelt werden sollte. Ziel wäre eine Harmonisierung der unterschiedlichen Lösungen bei Interessenkonflikten gewesen, die sich in einem Milizsystem nicht vermeiden lassen. Gegen den Eingriff in die kantonale Autonomie richtete sich im Nationalrat eine Mehrheit von 125 zu 54 Stimmen der Ratslinken [47].
Verschiedene erfolglose Vorstösse hatten in der Vergangenheit eine Offenlegungspflicht der Einkünfte und Entschädigungen der Parlamentarier gefordert. Ebenfalls auf verbesserte Transparenz zielte eine parlamentarische Initiative Moret (fdp, VD). Allerdings soll auf eine Offenlegung des genauen Betrages verzichtet werden. Im Register mit den Interessenbindungen müsste nur jeweils angegeben werden, ob eine Tätigkeit über dem Betrag von CHF 1 000 pro Jahr liegt und infolgedessen als entschädigt gilt oder ob es sich um ein ehrenamtliches, geringfügig entschädigtes Engagement handelt. Im Berichtjahr äusserten sich beide Staatspolitischen Kommissionen zum Vorstoss, wobei sich die nationalrätliche Arbeitsgruppe mit 12 zu 9 Stimmen für, die ständerätliche aber mit 5 zu 3 Stimmen dagegen aussprach. Während die eine Seite die Angaben als sinnvolle Ergänzungen wertete, sah die andere Seite keinen Handlungsbedarf, weil damit keine brauchbaren Zusatzinformationen geschaffen, sondern lediglich voyeuristische Interessen befriedigt würden [48].
Von den im Vorjahr behandelten Vorstössen, die den Zugang von Lobbyisten zum Parlamentsgebäude besser regeln wollten, hatte keiner die Zustimmung beider Räte erhalten. Hängig war allerdings noch eine parlamentarische Initiative Caroni (fdp, AR), die den Einbezug von allen Kategorien von Interessenvertretern (ständige Lobbyisten, Tageslobbyisten, alt Parlamentarier, etc.) unter dasselbe Reglement forderte. Darüber hinaus verlangt das Begehren den Ersatz von Zutrittskarten durch ein Akkreditierungssystem, Transparenz über Mandate und Arbeitgeber der Interessenvertreter sowie klare Verhaltensregeln für die Lobbyisten. Auch regte Caroni eine Selbstregulierung durch die Branche selber an. Wie bereits im Vorjahr zeigte sich die nationalrätliche Staatspolitische Kommission in dieser Frage reformfreudiger als ihre Schwesterkommission im Ständerat. Während sich die SPK-NR mit 16 zu 6 Stimmen für Folge geben aussprach, lehnte die SPK-SR das Begehren mit 8 zu 3 Stimmen ab. Als Hauptargumente gegen das Anliegen wurden der hohe bürokratische Aufwand und die geringe Praktikabilität eingebracht. In den Räten wurde die Initiative noch nicht behandelt [49].
In der Folge der Affäre um den ehemaligen Nationalbankchef Philipp Hildebrand wurde Christoph Blocher im Vorjahr nach Hin und Her zwischen grosser und kleiner Kammer die Immunität entzogen. Blocher stand unter Verdacht, das Bankgeheimnis verletzt zu haben. Die Entziehung der Immunität des Zürcher Nationalrats rief die SVP auf den Plan, die kurz nach dem Entscheid zwei parlamentarische Initiativen einreichte. Die Initiative Baader (svp, BL) verlangt, dass einem Beschuldigten in Form der Einsprache ein Rechtsmittel an die Hand gegeben wird, da ein letztlich immer politischer Entscheid zur Aufhebung der Immunität in diesem Fall und nach neuer Regelung nur von einer kleinen Minderheit gefällt wurde. Die Initiative Amstutz (svp, BE) wollte die alte Regelung wieder einführen, nach der das ganze Ratsplenum über Immunitätsaufhebung entscheidet. Tatsächlich war mit der Revision des Parlamentsgesetzes 2011 im Nationalrat eine Kommission geschaffen worden, die mit diesen Geschäften alleine betraut wurde. Amstutz wollte zudem die relative Immunität wieder stärken. Weil mit der Revision auch eingeführt worden war, dass die relative Immunität nur dann gelte, wenn eine allfällig strafbare Handlung unmittelbar mit dem Ratsmandat verknüpft werden könne, werde die parlamentarische Tätigkeit erschwert. Die Initiative Baader wurde im Rat mit 127 zu 52 Stimmen aus der SVP deutlich abgelehnt. Adrian Amstutz zog seine Initiative in der Folge zurück. Im Berichtsjahr hatten sich die zuständigen Kommissionen zudem gegen die Aufhebung der Immunität von Toni Brunner ausgesprochen, der wegen des so genannten „Schlitzer-Inserates“ strafrechtlich hätte verfolgt werden sollen [50].
Anfang Berichtjahr beschloss das Büro des Ständerats unter Zustimmung des Schwesterbüros die Position des oder der Verantwortlichen für den Bereich internationale Beziehungen des Parlamentes zu stärken, indem dieser Person der Botschaftertitel verliehen wird. Der Bundesrat zeigte sich in seiner Stellungnahme bereit, im Sinne einer einmaligen Ausnahme diesen Titel zu verleihen, damit der Zugang zu ausländischen Amtskolleginnen und -kollegen erleichtert werde. Die Regierung wies allerdings darauf hin, dass die Vertretung der Schweiz nach aussen und der völkerrechtliche Verkehr mit anderen Staaten dem Bundesrat alleine vorbehalten seien. Weil durch die durch den Bundesrat erfolgte Titelverleihung das wesentliche Ziel der Initiative bereits erreicht war, wurde diese zurückgezogen [51].
Die Internetplattform Politnetz machte nicht nur durch Filmen der Ständeratsdebatten von sich reden (siehe oben), sondern veröffentlichte seit einiger Zeit auch nach jeder Session eine Abwesenheitsliste. Eine solche Liste widerspiegelt zwar in keinster Weise die effektiv geleistete politische Arbeit eines Ratsmitglieds, die Rangierung der Ratsmitglieder nach Anzahl unentschuldigter Absenzen wird aber von Medien in der Regel sehr dankbar aufgenommen. Politnetz stellte fest, dass amtsältere Ratsmitglieder und Männer häufiger unentschuldigt fernbleiben als Frauen und Mandatsträger, die noch nicht lange im Parlament tätig sind. Eine Motion Estermann (svp, LU), die bei unentschuldigter Absenz an mehr als 30% aller Abstimmungen die Streichung der Sitzungsgelder gefordert hätte, wurde im Berichtjahr diskussionslos abgelehnt [52].
Das Büro des Nationalrates strebte in Form einer Kommissionsinitiative eine Erweiterung der Zugriffsrechte für die Ratsmitglieder auf Kommissionsprotokolle und -unterlagen an. Diese werden auf einem geschützten Informatiksystem, dem so genannten Extranet, den Kommissionsmitgliedern zugänglich gemacht. Einsehbar sind auf diesem Weg zudem die Unterlagen der jeweiligen Schwesterkommission. Neu soll jedem Parlamentarier der Zugriff auf alle Kommissionsprotokolle gewährt werden, also nicht nur auf die Unterlagen der eigenen Kommission. Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates hatte diesen Vorschlag gemacht, um die Vertretung eines Kommissionsmitgliedes zu vereinfachen. Das Büro des Ständerats stimmte dem Begehren zu, das eine Änderung der Parlamentsverwaltungsverordnung bedingt. Der Bundesrat nahm ebenfalls Stellung und äusserte sich skeptisch. Zwar sei es in erster Linie Sache des Parlamentes, wie es den Zugriff auf Kommissionsprotokolle regle, die Vertraulichkeit müsse aber sichergestellt werden. Er erachtete es als nicht verhältnismässig, aufgrund von wenigen Vertretungsfällen gleich allen Ratsmitgliedern Zugriff zu gewähren [53].
Eine Motion Aeschi (svp, ZG) wollte dem Projekt „Digitales Parlament“ Beine machen und den papierlosen Legislativbetrieb bis zu den Wahlen 2015 umsetzen. Das Projekt war bereits 2004 eingeleitet worden und hatte unter anderem das Extranet hervorgebracht, auf dem die Ratsmitglieder Unterlagen für ihre Kommissions- und die Ratsgeschäfte abrufen können. Einige Ratsmitglieder verzichten bereits vollständig auf die postalische Zustellung von Dokumenten. Auch die Öffentlichkeitsarbeit via Internet (parlament.ch oder Curia Vista) sind wichtige Bestandteile des „Digitalen Parlaments“. Aeschi beanstandete, dass es zwar viele Einzelprojekte gebe, dass diese aber zu wenig gut koordiniert seien, worunter auch die Effizienz der Ratsarbeit leide. Das Büro des Nationalrates empfahl die Motion zur Ablehnung, weil es der Auffassung war, dass das Projekt bereits auf gutem Wege sei. Zuerst folgte die Mehrheit der grossen Kammer der Empfehlung des Büros und lehnte die Motion mit 102 zu 61 Stimmen ab. Nach einem gutgeheissenen Ordnungsantrag Wermuth (sp, AG) – die SP-Fraktion habe aufgrund einer internen Falschinformation nicht korrekt abgestimmt – kippte das Resultat allerdings: Mit 88 zu 81 Stimmen passierte das Begehren die grosse Kammer. Die kleine Kammer machte dann in der Wintersession allerdings kurzen Prozess und lehnte die Motion ab. Der Sprecher des Büros des Ständerats machte dabei unter anderem geltend, dass sich der Ständerat schon immer systematisch gegen die Nutzung elektronischer Geräte im Saal ausgesprochen habe. Mit der Motion müsste zu rasch ganz auf Papier verzichtet werden [54].
Ein ziemlich profanes Anliegen behandelte eine immerhin von 115 Mitunterzeichnern eingereichte Motion Jacqueline Fehr (sp, ZH), die sich daran störte, dass der IT-Support nur jenen ParlamentarierInnen gewährt wird, welche die Standard-Geräte und -Software (Windows) verwenden. Sie verlangte eine Gleichberechtigung vor allem auch für Apple-NutzerInnen. Der Vorstoss wurde im Nationalrat jedoch mit 100 zu 60 Stimmen und in erster Linie aus Kostengründen abgelehnt. Mit Ausnahme der geschlossen ablehnend stimmenden BDP und der zustimmenden SP gab es in allen Fraktionen Abweichler. Ob es sich dabei um Apple-Nutzer handelte, ist aus dem Ratsprotokoll nicht ersichtlich [55].
 
[43] SO, 10.3.13; NZZ, 23.5.13; Lib. 23.7.13; TA, 13.11.13; NZZ, 26.11.13.
[44] Pa.Iv. 13.410: Medienmitteilung SPK-NR vom 27.6.13; So-Bli, 3.2. und 24.2.13; BaZ, 12.3.13; NZZ, 28.6.13; vgl. SPJ 2012, S. 53.
[45] Pa.Iv. 12.410 (Fraktion SVP) und Pa.Iv. 11.497 (Heer): AB NR, 2013, S. 348 ff.; Pa.Iv. (Aeschi): AB NR, 2013, S. 381 f.; Pa.Iv. 13.412 (Leutenegger Oberholzer); WW, 10.1.13; BaZ, 6.4.13; vgl. SPJ 2012, S. 53.
[46] Pa.Iv. 13.402: BBl, 2013, S. 7979 ff.; AB SR, 2013, S. 658 ff.; NZZ, 10.3.13; LZ und SGT, 10.9.13.
[47] Pa.Iv. 12.452 (Rossini): AB NR, 2013, S. 1376 ff.
[48] Pa.Iv. 12.423 (Moret): Medienmitteilung SPK-N vom 28.5.13 und SPK-S vom 12.11.13; zu den abgelehnten Vorstössen vgl. SPJ 2012, S. 54.
[49] Pa.Iv. 12.430 (Caroni): Medienmitteilung SPK-NR vom 28.5.13; Medienmitteilung SPK-SR vom 12.11.13; NZZ, 22.5.13; Lib. 24.5.13; Presse vom 29.5.13; NZZ, 6.6. und 14.7.13; SPJ, 2012, S. 54 f.
[50] Pa.Iv. 12.455: AB NR, 2013, S. 1711 ff.; Pa.Iv. 12.458; Medienmitteilung Kommission Rechtsfragen SR vom 11.9.13; Blick und NZZ, 14.8.13; BaZ und NZZ, 12.9.13; vgl. SPJ 2012, S. 55; zur Revision des ParlG vgl. SPJ 2011, S. 50 f.
[51] Pa.Iv. 13.401: BBl, 2013, S. 6553, 6609 ff.; im Berichtjahr war Claudio Fischer Verantwortlicher für die internationalen Beziehungen: NZZS, 22.9.13.
[52] Mo. 12.4165: AB NR, 2013, S. 510; BaZ, 23.3.13; SO, 24.3.13; BaZ, 19.4.13; SPJ 2012, S. 56.
[53] Pa.Iv. 13.403: BBl, 2013, S. 8921 ff. (Bericht Büro NR); BBl, 2013, S. 8933 ff. (Stellungnahme BR vom 20.11.13); TA, 19.3.13.
[54] Mo. 13.3493: AB NR, 2013, S. 1710 f.; AB SR, 2013, S. 1167; LM, 17.3.13; NZZ, 23.6.13.
[55] Mo. 12.3908: AB NR, 2013, S. 1708 ff.