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Im Dezember dieses Jahres verabschiedete der Bundesrat zum sechsten Mal seit 1999 den periodischen Bericht zur Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen für die Schweiz. Der Bericht enthält Erläuterungen zur aktuellen Situation der Landessprachen, zu allfälligen neuen Rechtsinstrumenten sowie zur Umsetzung der Empfehlungen von Ministerkomitees des Europarats und Expertenkomitees. Gründend auf den fünften Bericht vom November 2012 nimmt der aktuelle Bericht in drei Hauptteilen Stellung zu ebendiesen Empfehlungen und umfasst die Zeitspanne von 2012 bis 2015.

Im ersten Teil des Berichtes wird der Fokus auf neue Statistiken bezüglich der Sprachentwicklung sowie geltenden gesetzlichen Grundlagen zur Förderung der Sprachen in der Schweiz gesetzt. Der Bericht zeigt hierbei auf, dass die Verteilung der Sprachen in den vergangenen Jahrzehnten relativ stabil geblieben ist: Von den befragten Personen der ständigen Wohnbevölkerung ab 15 Jahren gaben für die Jahre 2011–2013 63,9% Deutsch, 22,5% Französisch, 8% Italienisch und 0,5% Rätoromanisch als Hauptsprache an. Der Anteil der Nichtlandessprachen liegt mit 19,7% indes sogar höher als Italienisch und Rätoromanisch zusammengenommen, wobei sich hierbei wesentliche Unterschiede in der Verteilung der Sprachen auf die einzelnen Sprachregionen ausmachen lassen. Im Rahmen des internationalen Sprachenrechts sowie sprachrechtlichen Bestimmungen in der Bundesverfassung hat sich seit den letzten zwei Berichten keine Veränderung eingestellt. Bezüglich der Verordnung über die Landessprachen (Sprachenverordnung, SpV, SR 441.11), welche konkrete Fördermassnahmen festlegt, wurden jedoch gewisse Bestimmungen – insbesondere bei der Verwendung der Amtssprache im Bereich der Bundesverwaltung – ausfindig gemacht, die nicht ganz den Anforderungen entsprachen, weshalb man 2014 eine Revision der SpV vornahm. Weitere Fördermassnahmen sollen mit der Kulturbotschaft 2016–2020 umgesetzt werden, welche im Juni 2015 vom Parlament verabschiedet worden war und innerhalb derer die Sprachpolitik auf der Handlungsachse des „gesellschaftlichen Zusammenhaltes“ eine relevante Rolle spielt.

Im zweiten Teil wird die Entwicklung der schweizerischen Massnahmen zur Umsetzung der Charta aufgegriffen und damit verbunden auf eine Reihe von Fragen eingegangen, welche der Europarat aufgrund der Empfehlungen des Expertenkomitees aufgeworfen hatte. Das Komitee erbat beispielsweise Erörterungen zur Situation und zur Stellung des Frankoprovenzalischen in der Schweiz. Diese aus dem Vulgärlatein hervorgegangene Sprache war für mehrere Jahrhunderte u.a. auch in der französischen Schweiz Alltagssprache in allen Bereichen des öffentlichen und privaten Lebens. Heutzutage gilt sie hingegen als eine verschwindende Sprache, weshalb sie von der UNESCO im Atlas der gefährdeten Sprachen aufgelistet wird. Während das Frankoprovenzalische in den Kantonen Wallis und Freiburg immerhin noch von Teilen der älteren Generation gesprochen wird, ist es in den Kantonen Genf, Neuenburg und Waadt nahezu gänzlich aus dem Sprachgebrauch verschwunden. Dennoch zeigen die einzelnen Kantone, mitunter auch auf Vereinsebene, grosses Interesse an Fördermassnahmen zum Erhalt der Sprache.
Eine weitere Fragestellung zielte in Richtung der Fahrenden in der Schweiz. Hierbei solle erörtert werden, wie es um die Finanzhilfen an Fahrendenorganisationen und Förderinstrumente der jenischen Sprache sowie deren Förderung in den Medien steht. Bereits in der Vernehmlassung des fünften Berichtes wurde darauf verwiesen, dass die finanzielle Hilfe für Fördermassnahmen der jenischen Sprache und Kultur im Rahmen der Kulturbotschaft 2016–2020 erhöht werden solle. Auch wenn die Fahrenden in Bezug auf die mediale Förderung ihrer Sprache keinen expliziten Wunsch geäussert haben, habe sich das BAK bereit erklärt, Untersuchungen zur allfälligen Unterstützung eines möglichen Schulprojektes vorzunehmen, welches den jenischen Kindern während ihrer Reisezeit den Fernunterricht erleichtern soll.

Der dritte und letzte Teil beschäftigt sich mit den Berichten zu den Kantonen Graubünden und Tessin und zeigt auf, wie es um die Umsetzung der Charta bezüglich des Rätoromanischen und Italienischen steht. Das Expertenkomitee erbat hierbei u.a. Informationen zur jüngsten Entwicklung in den Bereichen der Gemeindefusionen, des Rumantsch Grischun und natürlich des Erhalts und der Förderung der rätoromanischen Sprache im Allgemeinen. Das kantonale Sprachengesetz sieht für den Zusammenschluss mehrerer ein- bzw. mehrsprachiger Gemeinden vor, dass die Bestimmungen über den Gebrauch der Amts- und Schulsprache eine sinngemässe Anwendung finden sollen. Da das Gesetz aus der Minderheitenperspektive formuliert ist und unter dem Begriff „einsprachig“ lediglich Rätoromanisch und Italienisch inkludiert werden, kann diese Regelung bei Fusionen über den deutschsprachigen Grenzraum hinweg keine adäquate Anwendung finden. Diese Lücke sei jedoch durchaus gewollt und fordere zugleich das soziolinguistische Umfeld auf, in gemeinsamen Diskussionen und verbindlichen Absprachen nach Bottom-up-Lösungen zu suchen. Bezüglich des Rumantsch Grischun gäbe es keine Erneuerungen des Standes von 2011/2012 zu verkünden. Seit dem letzten Bericht habe hier kein Wechsel hin zu den Idiomen oder in umgekehrte Richtung stattgefunden, weshalb eine Verlagerung der Diskussion – noch immer mit dem Fokus auf das Koexistenzmodell – auf sprachdidaktische Fragen stattgefunden habe. Die Diskussion um die Minderheitensprache im Allgemeinen geriet mit dem Aufkommen der kantonalen Fremdspracheninitiative zunächst etwas in den Hintergrund. Nachdem der Grosse Rat diese aber in seiner Aprilsession 2015 für ungültig erklärt hatte, gilt es nun den Verwaltungsgerichtsentscheid über die eingereichte Verfassungsbeschwerde des Initiativkomitees abzuwarten, bevor das Thema wieder aufgegriffen wird.
Der Kanton Tessin hatte zwischenzeitlich neu das Gesetz zur Kulturförderung sowie die entsprechende Durchführungsverordnung verabschiedet, welche explizit die Bedeutung des Erhaltes und der Förderung der italienischen Sprache und Kultur erwähnen; sei dies durch die Bewahrung des materiellen und immateriellen Kulturerbes, durch Finanzbeiträge im Bereich Kulturaustausch oder Beteiligung an ausgewählten ausserkantonalen Veranstaltungen. Besonders erfreulich waren indes auch die Entwicklungen bezüglich des Italienischen in der Bundesverwaltung: Die Kulturbotschaft 2016–2020 nimmt dessen Verbreitung und Förderung neu als zentralen Bestandteil in die Handlungsachse „gesellschaftlicher Zusammenhalt“ auf; seit 2013 wird die Stelle als Delegierte des Bundesamtes für Mehrsprachigkeit, welches im EFD angesiedelt ist, von einer Tessinerin besetzt.

Periodischer Bericht zur Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen

Mathias Grünert wird nach dem emeritierten Georges Darms neuer Inhaber der Professur für die rätoromanische Sprache an der Universität Freiburg. Grünert erlangte seine Romanisch-Kenntnisse während seines Studiums an der Universität Bern und arbeitete vorgängig als Redaktor beim Wörterbuch Dicziunari Rumantsch Grischun. Seine Tätigkeiten als Sprachwissenschaftler an der Universität Zürich und der Pädagogischen Hochschule in Chur setzt er auch nach seiner Berufung fort.

Professur für die rätoromanische Sprache

Die aufgrund Emeritierung bedrohte Professur für die rätoromanische Sprache an der Universität Freiburg wurde im Berichtsjahr per Vertragsunterzeichnung weiterhin gesichert. Die Vereinbarung sieht vor, dass die Churer Hochschule für Pädagogik die Professur mit jährlich bis zu CHF 100 000 unterstützt. Im Gegenzug verpflichtet sich der neue Stelleninhaber der Freiburger Professur zum Unterricht an der Hochschule. Diese Lösung erarbeitete eine auf Initiative der Bündner Regierung entstandene Arbeitsgruppe.

Professur für die rätoromanische Sprache

Im Kanton Freiburg verabschiedete die «Constituante» in den ersten Monaten des Jahres ihren Verfassungsentwurf, wobei sich die Regelung der Sprachenfrage als besondere Knacknuss erwies. Die vorberatende Kommission hatte davon abgesehen, das 1990 in die Verfassung aufgenommene und von vielen Romands vehement vertretene Territorialitätsprinzip in der Verfassung zu belassen und sich stattdessen am Wortlaut der neuen Bundesverfassung orientiert, wonach Staat und Gemeinden auf die herkömmliche sprachliche Zusammensetzung der Gebiete achten und auf die angestammten Minderheiten Rücksicht nehmen.
Zudem war sie der deutschsprachigen Bevölkerung an der Sprachengrenze insofern entgegen gekommen als sie bestimmte, dass deren Kinder den Ort der Einschulung frei wählen können. Beide Verfassungsartikel hatten vor der «Constituante» keine Chance. In der Vernehmlassung sprachen sich über 65 Prozent der Antwortenden für das Territorialitätsprinzip aus, ebenso alle Parteien mit Ausnahme der CSP (Nein) und der SP (keine Empfehlung). Nach einer Marathondebatte setzte sich eine Formulierung durch, welche die Zweisprachigkeit zwar als wesentlichen Bestandteil der Identität des Kantons und seiner Hauptstadt anerkennt, bei den Amtssprachen aber auf ein durchgehendes Territorialitätsprinzip setzt, mit Ausnahmemöglichkeiten für Gemeinden mit einer bedeutenden angestammten sprachlichen Minderheit. Der Artikel über die Einschulung an der Sprachgrenze wurde ersatzlos gestrichen, womit auch hier weiterhin das Territorialitätsprinzip gilt. Dass die Angst der Romands vor einer schleichenden Germanisierung eigentlich unbegründet ist, hatten im Vorjahr die Zahlen der Volkszählung 2000 ergeben, welche eine Zunahme des Französischen im Kanton Freiburg belegten.

Im Mai präsentierte zudem der Regierungsrat des Kantons Bern in einem gemeinsamen Gesetz die künftige Stellung des Berner Jura sowie Massnahmen zur Unterstützung der französischsprachigen Bevölkerung und der Förderung der Zweisprachigkeit im Amtsbezirk Biel.

«Constituante» des Kantons Freiburg verabschiedet zwei Verfassungsänderungen

Die Kantone Graubünden, Freiburg, Bern und Solothurn meldeten ihren Anspruch auf die Beherbergung des im Entwurf zum Sprachengesetz vorgesehenen Instituts zur Förderung der Mehrsprachigkeit an. Der Kanton Graubünden machte geltend, er sei von der Problematik der Mehrsprachigkeit intensiv betroffen und biete daher gute Voraussetzungen als Standort für die Mehrsprachigkeitsforschung. Bern wies auf das in Biel angesiedelte «Forum der Zweisprachigkeit» hin, Freiburg auf seine Rolle als einzige zweisprachige Universitätsstadt und Solothurn auf seine Lage an der Schwelle der Deutschschweiz zur Romandie und am Schnittpunkt der Nord-, Süd-, West- und Ostverbindungen sowie auf den Umstand, dass sich der Geschäftssitz der ch-Stiftung für eidgenössische Zusammenarbeit seit 1967 in Solothurn befindet.

Kantone ringen um Standort eines Instituts zur Förderung der Mehrsprachigkeit
Dossier: Schaffung eines Instituts zur Föderung der Mehrsprachigkeit

Der Entwurf zum Sprachengesetz wurde in der Vernehmlassung tendenziell positiv aufgenommen, weshalb der Bundesrat dem EDI den Auftrag erteilte, auf dieser Basis und in Zusammenarbeit mit den Kantonen die Botschaft auszuarbeiten. Die Notwendigkeit zur Schaffung einer gesetzlichen Grundlage war bei den Kantonen unbestritten, doch lehnten sie alle Vorschläge ab, welche ihre Kompetenzen in den Bereichen Schule und Bildung tangieren könnten. Mit Ausnahme der SVP, die keinen Gesetzgebungsbedarf sah, hiessen alle Parteien ein Sprachengesetz grundsätzlich gut. Breite Zustimmung fanden die Abschnitte über die Amtssprachen des Bundes, über die Förderung der mehrsprachigen Kantone sowie des Rätoromanischen und Italienischen. Die Bundesratsparteien forderten darüber hinaus eine angemessene Vertretung der Sprachregionen in der Bundesverwaltung. Unterschiedlich wurde der Abschnitt über die Förderung der Verständigung und des Austauschs beurteilt. Während SP, Grüne und EVP hier dem Bund durchaus eigene Kompetenzen einräumen wollten, äusserten sich FDP und CVP aus föderalistischen sowie finanzpolitischen Gründen eher zurückhaltend. Allgemein gut aufgenommen wurde der vorgesehene Austausch von Schülerinnen und Schülern sowie Lehrkräften zwischen den Sprachregionen. Mehrere Vernehmlassungsteilnehmer bedauerten, dass sich der Entwurf nicht zur Frage der Landessprachen als erste Fremdsprache im Unterricht und damit zu der Kontroverse über das Frühenglisch äussert. Drei französischsprachige und drei zweisprachige Kantone (GE, NE, JU, VS, FR und BE), drei Parteien (Grüne, EVP, SD) sowie die Erziehungsdirektorenkonferenz der Suisse romande und des Tessins verlangten eine Regelung im Sinn der Festschreibung einer Landessprache als erste Fremdsprache. Die SP begrüsste zwar eine Landessprache als erste Fremdsprache, äusserte jedoch Verständnis dafür, dass diese Frage nicht im Sprachengesetz geregelt werden kann. CVP und SVP waren hingegen der Meinung, die Frage des Frühenglisch sei Sache der Kantone. Auf keine Unterstützung stiess die vorgesehene Bundeskompetenz, Immigranten Kurse in heimatlicher Sprache und Kultur anzubieten. Die Parteien waren sich einig, dass eine derartige Bestimmung nicht in ein Gesetz über die Landessprachen gehört.

Bundesrat beschliesst 2004 vorläufigen Verzicht auf ein Sprachengesetz
Dossier: Bestrebungen zur Ausarbeitung eines Sprachengesetzes

Das Bundesgericht fällte einen wegweisenden Entscheid in der vor allem im Kanton Freiburg immer wieder strittigen Frage der Sprachenfreiheit im Verhältnis zum Territorialitätsprinzip. Es schützte die Beschwerde eines deutschsprachigen Elternpaares mit Wohnsitz in einer nahe der Sprachengrenze gelegenen frankophonen Gemeinde. Gemäss Bundesgericht hatten die Freiburger Behörden das verfassungsmässige Prinzip der Sprachenfreiheit verletzt, weil sie der Familie nicht erlaubten, ihren Sohn in einer öffentlichen deutschsprachigen Schule in Freiburg zum Unterricht anzumelden und dabei die Kosten für den Transport zu übernehmen. Die Lausanner Richter verwiesen auf die Schwierigkeiten, welche den Eltern aus der Begleitung ihres Sohnes in einer französischsprachigen Oberstufe erwachsen könnten. Die Freiburger Behörden hatten hingegen das Territorialitätsprinzip höher gewichten wollen, das ihrer Auffassung nach gerade an der Sprachengrenze besonders streng gehandhabt werden müsse.
Zu den Schwierigkeiten des Kantons Freiburg mit seiner Zweisprachigkeit siehe hier.

Wegweisender Bundesgerichtentscheid zur Frage der Sprachenfreiheit im Verhältnis zum Territorialitätsprinzip

Im deutsch-französischen Kanton Freiburg sollte nach dem Willen des praktisch einstimmigen Kantonsparlaments ein neues Schulgesetz den zweisprachigen Unterricht nach kanadischem Vorbild zur Regel machen. Vorgesehen war, in einem Zeitraum von acht Jahren die Zweitsprache im Unterricht als «Partnersprache» einzuführen. Sie sollte also nicht mehr nur Gegenstand des Fremdsprachenunterrichts sein, sondern jene Sprache werden, in der gewisse Lerninhalte vermittelt werden. Ausgehend von der Kindergartenstufe sollte der Unterricht nach dem «Immersionsprinzip» bis zur Oberstufe konsequent ausgebaut werden. Ziel wäre gewesen, den Schülerinnen und Schülern zu mehr Sprachkompetenz zu verhelfen, um gewissermassen spielerisch mit beiden Sprachen umzugehen. Gegen das neue Schulgesetz wurde von Vertretern der frankophonen Bevölkerung, die seit Jahren gegen die „germanisation rampante“ des Kantons ankämpfen, mit dem Argument der Sprachterritorialität erfolgreich das Referendum ergriffen. Nach einem erbittert geführten Abstimmungskampf, der streckenweise in einen eigentlichen Sprachenkrieg auszuarten drohte, wurde das neue Schulgesetz von den Freiburger Stimmberechtigten ganz knapp mit 50,4% Neinstimmen abgelehnt.

Neues Schulgesetz zur Zweisprachigkeit von Kindergarten bis zur Gymnasialstufe im Kanton Freiburg

Freiburg möchte zur Vermittlung der kantonal vorgegebenen Zweisprachigkeit (Französisch und Deutsch) vom Kindergarten bis zur Gymnasialstufe neue Wege beschreiten. Bereits in der Vorschulstufe sollen die Kinder spielerisch mit der anderen Sprache vertraut gemacht werden. Ab der Primarschule werden dann bestimmte Fächer wie etwa Geographie, Geschichte und Zeichnen allein in der zweiten Sprache unterrichtet (Immersionsmethode). In den höheren Schulstufen soll Englisch nach der gleichen Methode umgangssprachlich gefördert werden. Für die Umsetzung dieses Projektes rechnet der Freiburger Regierungsrat mit rund acht Jahren.

Neues Schulgesetz zur Zweisprachigkeit von Kindergarten bis zur Gymnasialstufe im Kanton Freiburg

Mit einem Bundesgerichtsurteil wurde erneut der Frage nachgegangen, welchen Stellenwert das Territorialitätsprinzip im zweisprachigen Kanton Freiburg haben soll. Die Lausanner Richter unterstützen das Freiburger Verwaltungsgericht, welches einer deutschsprachigen Familie aus der heute zu gut 40% germanophonen Gemeinde Crissier ein rein auf Deutsch geführtes Gerichtsverfahren verweigert hatte. Das Bundesgericht befand, eine Gemeinde mit so geringer Einwohnerzahl wie Crissier (rund 500 Personen) könne erst nach mindestens zwei Jahrzehnten mit einer starken anderssprachigen Minderheit als echt zweisprachig bezeichnet werden.

Bundesgerichtsurteil Territorialitätsprinzip Freiburg

Vertreter der welschen Mehrheit im Kanton Freiburg, welche sich seit Jahren für die konkrete Umsetzung des 1990 in die Staatsverfassung aufgenommenen Territorialitätsprinzips einsetzen, publizierten ein «Manifeste de Marly», in welchem sie die definitive und unverrückbare Festsetzung der Sprachgrenzen verlangten; Kompromisse, wie sie in Marly praktiziert werden, wo die deutschsprachigen Kinder auf Kosten der Gemeinde die deutschsprachige Schule im nahegelegenen Freiburg besuchen können, dürften nicht mehr vorkommen.

Freiburg

Nach dem Ständerat lehnte auch der Nationalrat diskussionslos und mit deutlicher Mehrheit drei Standesinitiativen der Kantone Bern, Freiburg und Wallis ab, mit denen diese eine Bundesentschädigung für ihre durch die Zweisprachigkeit bedingten Mehrkosten verlangten. Die grosse Kammer übernahm dabei die Argumentation des Ständerates und ihrer vorberatenden Kommission, wonach Zwei- und Mehrsprachigkeit im administrativen und im schulischen Bereich zwar zusätzliche Kosten verursache, eine Sprachenvielfalt innerhalb der Kantonsgrenzen aber bereichernd sei. Einzelne Sprecher machten geltend, für die Unterstützung der mehrsprachigen Kantone könne es auch noch andere Wege als jene über direkte Bundessubventionen geben, so etwa über den interkantonalen Finanzausgleich.

Standesinitiative zugunsten mehrsprachiger Kantone

Die an der Sprachgrenze gelegene Gemeinde Sierre/Siders (VS) weitete das im Vorjahr auf Kindergartenstufe eingeführte Pilotprojekt eines zweisprachigen Unterrichts auf die Primarschulen aus. Das Westschweizer Institut für pädagogische Forschung will hier während sieben Jahren mit zwei Modellen Erfahrungen sammeln. Im Kanton Wallis soll zudem vom Sommer 1995 an in allen Mittelschulen und Gymnasien ein Fach in der zweiten Sprache unterrichtet werden. Das Wallis hat damit in Sachen zweisprachiger Unterricht an öffentlichen Schulen die Führung übernommen. Im Kanton Freiburg, der in den vergangenen Jahren mehrfach sein Interesse an Versuchen mit zweisprachigen Unterrichtsformen bekundet hatte, wurde in Villars-sur-Glâne auf Druck der Eltern erstmals eine zweisprachige Kindergartenklasse eröffnet. Der Berner Stadtrat überwies ein Postulat zur Prüfung der Möglichkeit, an den Stadtberner Schulen verschiedene Fächer französisch zu unterrichten.

Versuche mit zweisprachigem Unterricht in den Kantonen Wallis, Freiburg und Bern

Im Kanton Freiburg entfachte ein von der Regierung in Auftrag gegebener kantonaler Sprachenbericht die Sprachendebatte erneut. Seit 1990 stehen die Gleichberechtigung von Deutsch und Französisch sowie das Territorialitätsprinzip in der Freiburger Verfassung. Der von einer Kommission erarbeitete Bericht sollte nun Wege zur Konkretisierung des neuen Verfassungsartikels und insbesondere des Territorialitätsprinzips aufzeigen. Die zentrale Frage war, ob es inskünftig im Kanton Freiburg nur deutsch- und französischsprachige Gemeinden geben soll, oder ob und wie man entlang der Sprachgrenze den starken deutschsprachigen Minderheiten entgegenkommen kann. Der Bericht empfahl, jene Gemeinden als zweisprachig zu erklären, in denen eine Sprachenminderheit mindestens 30 Prozent der gesamten französisch- und deutschsprachigen Bevölkerung erreicht. In diesen Gemeinden sollen Schule, Verwaltung und Gerichtsbarkeit zweisprachig sein. Diese Regelung beträfe mehrere Dörfer, nicht aber die Stadt Freiburg (28,1% deutschsprachig) und die Gemeinde Murten (16,4% französischsprachig), die aus historischen Gründen als zweisprachig gelten und es auch bleiben sollen. Eine Kommissionsminderheit schlug zudem vor, Gemeinden mit einer Sprachminderheit von zehn bis dreissig Prozent einen Sonderstatus zu gewähren, der den Schulbesuch und die Gerichtsverhandlungen in der Minderheitssprache ermöglichen würde.

Kantonaler Sprachenbericht in Freiburg

Die kleine Kammer lehnte auf Antrag ihrer Kommission diskussionslos drei ähnlichlautende Standesinitiativen der Kantone Bern, Freiburg und Wallis ab, welche verlangten, der Bund solle die zweisprachigen Kantone bei ihren besonderen Leistungen zur Erhaltung und Förderung der Mehrsprachigkeit finanziell unterstützen. Die Kommission stellte in Aussicht, dass je nach Ausgestaltung des Sprachenartikels gewisse Beiträge eventuell möglich werden könnten, betonte aber auch ganz klar, dass die Mehrsprachigkeit eines Kantons nicht in erster Linie eine Belastung, sondern eine Bereicherung von nicht zu unterschätzendem Wert darstelle.

Standesinitiative zugunsten mehrsprachiger Kantone

Im an der Sprachgrenze gelegenen Walliser Ort Sierre/Siders wurden im Herbst auf Druck von engagierten Eltern und als eidgenössische Premiere 16 französischsprachige Mädchen und Buben einem deutschsprachigen Kindergarten zugewiesen. Interesse an Pilotprojekten auch auf Schulstufe meldeten der Kanton Freiburg (mit geplanten zweisprachigen Schulklassen in Freiburg und Murten) sowie die Stadt Biel an.

Sierre/Siders führt zweisprachige Kindergarten ein

In Bern konnte Ende November nach längerem finanzierungsbedingtem Tauziehen die Gründung der "Maison latine" bekanntgegeben werden. Diese neue Begegnungsstätte zwischen deutscher und lateinischer Kultur wird getragen von einer Stiftung mit der Burgergemeinde Bern als Initiatorin, sowie von der Einwohnergemeinde Bern, den Kantonen Aargau, Freiburg, Graubünden, Solothurn, Tessin, Waadt und Wallis sowie den Organisationen Helvetia Latina, Pro Grigioni Italiani, Lia Rumantscha, Pro Ticino, Neue Helvetische Gesellschaft, Anciens Helvétiens Vaudois und der Vereinigung der Kader des Bundes als Mitstifter.

Eröffnung des "Maison latine" in Bern

Um die Mehrausgaben, die ihnen aus der Zweisprachigkeit entstehen, wenigstens teilweise abzugelten, reichten die Kantone Freiburg und Wallis je eine entsprechende Standesinitiative ein. Sie schlossen sich damit dem ebenfalls zweisprachigen Kanton Bern an, welcher bereits im Vorjahr einen analogen Vorstoss eingereicht hatte.

Standesinitiativen zur Abgeltung der Aufwände der Mehrsprachigkeit

Im Kanton Freiburg eskalierte der Sprachenstreit weiter und wird nun auch das Bundesgericht beschäftigen. Ende 1991 hatte der Staatsrat (Exekutive) in seiner Stellungnahme zu einer Beschwerde befunden, die Gemeinde Marly dürfe weiterhin deutschsprachigen Kindern den Schulbesuch in ihrer Muttersprache in der Kantonshauptstadt finanzieren. Marly, welches an der Sprachgrenze, aber im französischen Sprachraum liegt und mit 23% der Einwohner eine bedeutende deutschsprachige Minderheit aufweist, hatte diese Regelung vor über 20 Jahren eingeführt, um den dort ansässigen deutschsprachigen Angestellten eines Zweigwerkes von Ciba-Geigy entgegenzukommen. Gemäss dem Staatsrat verstösst dies aufgrund der Gemeindeautonomie und des Schulgesetzes nicht gegen das seit zwei Jahren in der Kantonsverfassung verankerte Territorialitätsprinzip. Mit Unterstützung der lokalen SP-Sektion beschloss die Beschwerdeführerin, diesen Entscheid des Staatsrates an das Bundesgericht weiterzuziehen.

Gesamtkantonal zeigten sich die Sozialdemokraten jedoch uneins: im Kantonsrat wurde sowohl eine SP-Motion für eine klare sprachliche Zuordnung aller freiburgischen Gemeinden (mit Ausnahme von Freiburg und Murten) wie auch eine auf Einführung von gemischtsprachigen Gebieten eingereicht. Beide Motionen wurden auf Wunsch der Regierung nur als Postulate angenommen.

Sprachenartikel in der Freiburger Staatsverfassung

Die Annahme des neuen Sprachenartikels in der Freiburger Staatsverfassung, mit dem das Deutsche dem Französischen gleichgestellt wird, hat nicht zum Sprachfrieden geführt, ganz im Gegenteil. Besonders im Saane-Bezirk mit seinen vielen gemischtsprachigen Gemeinden war die Anwendung des seit dem Vorjahr in der Verfassung festgeschriebenen Territorialitätsprinzips Anlass für mehrere Beschwerden und parlamentarische Vorstösse mit dem Ziel, entweder auf gesetzlichem Weg die Gemeinden linguistisch klar zu definieren oder doch noch gemischtsprachige Gebiete einzuführen. Mit dem Entscheid der Kantonsregierung, im Fall der Freiburger Vorortsgemeinde Marly das Prinzip der Gemeindehoheit über jenes der Territorialität zu stellen und den Schulbesuch der deutschsprachigen Kinder weiterhin in Freiburg zu gestatten, wurde die Kontroverse kurz vor Jahresende erneut angeheizt. Die ursprünglichen Beschwerdeführer beschlossen, diesen staatsrätlichen Entscheid beim Bundesgericht anzufechten.

Sprachenartikel in der Freiburger Staatsverfassung

Der neue Sprachenartikel wurde daraufhin vom Grossen Rat einstimmig verabschiedet und in der Volksabstimmung mit überwältigendem Mehr (83,7% Ja-Stimmen) angenommen. Das damit erstmals in einer Kantonsverfassung explizit festgehaltene Territorialitätsprinzip zeigte aber schon bald darauf seine Tücken. Zu einem ersten Eklat kam es, als der Oberamtmann (Regierungsstatthalter) des Saane-Bezirks aufgrund des neuen Verfassungsartikels entschied, die Gemeinde Marly dürfe den deutschsprachigen Kindern den Schulbesuch in ihrer Muttersprache in der nahen Stadt Freiburg nicht weiter finanzieren.

Daraufhin wurden Rekurse beim Staatsrat eingereicht – auch von Marly wegen Verletzung der Gemeindeautonomie –, und es entbrannte eine heftige Polemik in der Regionalpresse. Auf das Territorialitätsprinzip beriefen sich auch die beiden Staatsräte Morel und Clerc, als sie, zusammen mit einem französischsprachigen Kantonsrichter die Wahl zweier deutschsprachiger Laienrichter ans Gericht des Saane-Bezirks öffentlich anprangerten.

Sprachliche Gleichberechtigung im Kanton Freiburg

Freiburg musste aber auch einsehen, dass Zweisprachigkeit nicht nur kulturell bereichernd ist, sondern auch finanziell aufwendig. Die jährlichen Mehrausgaben in der Verwaltung, dem Schulwesen und der Kulturförderung wurden auf acht bis zwölf Mio Fr. beziffert. Entgegen dem Willen des Staatsrates, welcher auf das kantonale Privileg der Schul- und Kulturhoheit hinwies und Förderungsmassnahmen im Rahmen des revidierten Sprachenartikels der Bundesverfassung in Aussicht stellte, verpflichtete der Grosse Rat die Regierung nahezu einstimmig dazu, in Bern eine Standesinitiative mit der Forderung nach Subventionen einzureichen.

Mehrausgaben Standesinitiative

Was die Regierung des Kantons Freiburg in siebenjähriger Arbeit nicht erreichte, nämlich einen konsensfähigen neuen Sprachenartikel vorzulegen, welcher die deutschsprachigen Freiburgerinnen und Freiburger auf Verfassungsebene den Welschen gleichstellen sollte ohne deshalb die Romands zu benachteiligen, gelang der vorberatenden Parlamentskommission in nur vier Sitzungen. Sie übernahm den eigentlich unbestrittenen Grundsatz der Gleichberechtigung der beiden Sprachen, krempelte ansonsten aber den Entwurf der Exekutive völlig um. Insbesondere verzichtete sie definitiv auf den vor allem von den Romands heftig bekämpften Begriff der gemischtsprachigen Gebiete und schrieb das Territorialitätsprinzip in der Verfassung fest. Um diesem recht starren Prinzip etwas von seiner Härte zu nehmen, ergänzte sie es mit dem Auftrag an den Staat, das Verständnis zwischen den Sprachregionen zu fördern.

Sprachliche Gleichberechtigung im Kanton Freiburg

Um einen Minderheitenstreit mit umgekehrten Vorzeichen ging es im Kanton Freiburg. Seit mehr als einem Vierteljahrhundert kämpfen die Deutschfreiburger – rund ein Drittel der Kantonsbevölkerung – um ihre sprachliche Gleichberechtigung. Sieben Jahre nach Entgegennahme einer entsprechenden Motion Jutzet (sp) präsentierte der Freiburger Staatsrat nun seine Vorstellungen über das künftige Zusammenleben der beiden Sprachen und löste damit fast einen Sprachenkrieg aus: Er trat nämlich nicht nur für die sprachliche Gleichberechtigung ein, er wollte auch ganze Gegenden zu «gemischten Gebieten» erklären, wie dies faktisch in den Städten Freiburg und Murten bereits der Fall ist. Diese Durchlöcherung des Territorialitätsprinzips erregte den geballten Zorn der Romands weit über die Kantonsgrenzen hinaus, weil sich diese «poches mixtes» alle im traditionell französischsprachigen Kantonsteil befänden und damit der wirtschaftlich bedingten «germanisation rampante» noch zusätzlich Vorschub geleistet würde. Genauso erbittert hatte die welsche Mehrheit einige Monate zuvor den Wunsch der Deutschfreiburger bekämpft, am Gericht des Saanebezirks eine deutschsprachige Abteilung einzurichten.

Sprachliche Gleichberechtigung im Kanton Freiburg