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In der Wintersession 2021 kam der Nationalrat als Zweitrat dem Antrag seiner Rechtskommission nach und gab der Standesinitiative des Kanton Solothurns (Kt.Iv. 20.312) bezüglich der Kostenstruktur im Zivilstandswesen keine Folge. Stattdessen überwies er eine Motion der RK-SR, die eine Überprüfung der Kostenstruktur im Zivilstandswesen sowie eine allfällige Anpassung der Tarife zum besseren Kostendeckungsgrad forderte. SVP-Nationalrat Thomas Aeschi (svp, ZG) hatte im Namen seiner Partei dagegen argumentiert, dass das Problem der zu tief angelegten Gebührentarife nur für Zivilstandsämter bestehe, welche die «Kostenseite nicht im Griff» hätten. Eine Gebührenerhöhung belaste in diesem Fall die Bevölkerung verstärkt aber grundlos mit Steuern, Abgaben und Gebühren. Ausserhalb der SVP-Fraktion konnte er damit jedoch nicht überzeugen.

Tarifgestaltung im Zivilstandswesen (Kt.Iv. 20.312, Mo. 21.3024)

Der Ständerat folgte in der Sommersession 2021 stillschweigend seiner Rechtskommission und gab der Solothurner Standesinitiative für kostendeckende Gebühren im Zivilstandswesen (Kt.Iv. 20.312) keine Folge. Stattdessen nahm er die Kommissionsmotion für eine Überprüfung der Kostenstruktur im Zivilstandswesen an, die vom Bundesrat darüber hinaus verlangte, die Tarife so neu zu gestalten, dass die Kantone einen besseren Kostendeckungsgrad erreichen können. Der Bundesrat hatte die Annahme der Motion beantragt. Wie Justizministerin Karin Keller-Sutter erklärte, seien die Kantone innerhalb der KKJPD bereits dabei, ein neues Gebührenmodell auszuarbeiten, das der Bund in seiner Diskussion berücksichtigen könne.

Tarifgestaltung im Zivilstandswesen (Kt.Iv. 20.312, Mo. 21.3024)

Mit einer Standesinitiative (Kt.Iv. 20.312) verlangte der Kanton Solothurn eine bundesrechtliche Grundlage, damit die kantonalen Behörden kostendeckende Gebühren im Zivilstandswesen verrechnen dürfen. Die jetzigen vom Bund festgelegten Gebührentarife lägen nämlich – auch angesichts der immer komplexer werdenden Verfahren – weit unter den tatsächlich anfallenden Kosten. Die RK-SR lehnte die Initiative im Februar 2021 einstimmig ab. Sie war der Ansicht, dass das Kostendeckungsprinzip den Behörden lediglich verbiete, Gewinne zu erwirtschaften, ihnen aber keine Garantie gegen Verluste gewähre. Gleichzeitig anerkannte sie jedoch die Notwendigkeit, die Gebührenstruktur regelmässig zu überprüfen. Entsprechend reichte sie eine Kommissionsmotion (Mo. 21.3024) ein, die den Bundesrat mit einer solchen Überprüfung beauftragen wollte.

Tarifgestaltung im Zivilstandswesen (Kt.Iv. 20.312, Mo. 21.3024)

Mitte Dezember 2017 gab der Bundesrat den Medien bekannt, dass er die Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» ablehne, ihr aber mit einem indirekten Gegenvorschlag begegnen möchte. Die Initiative für ein nationales Verbot sei abzulehnen, weil die Kantone selber entscheiden können sollten, ob sie die Gesichtsverhüllung im öffentlichen Raum verbieten wollen oder nicht. So hätten die Kantone Tessin und St. Gallen ein solches Verbot befürwortet, während es in Zürich, Solothurn, Schwyz, Basel-Stadt und Glarus abgelehnt worden sei. Diesen unterschiedlichen Befindlichkeiten gelte es Rechnung zu tragen. Der Bundesrat anerkenne jedoch, dass die Gesichtsverhüllung problematisch sein könne, und zwar zum einen, wenn jemand zur Verhüllung gezwungen werde, und zum anderen im Kontakt mit den Behörden. Er wollte sich dieser Problematik daher mit einem indirekten Gegenvorschlag annehmen, der Regelungen auf Gesetzesebene vorsehe, ohne den Kompetenzbereich des Bundes zu überschreiten. Konkret solle es im Strafgesetzbuch ausdrücklich verboten werden, jemanden zur Verhüllung des Gesichts zu zwingen. Zudem solle der Kontakt mit Bundesbehörden und Bundesrecht vollziehenden Behörden unter Androhung von Strafe unverhüllt erfolgen müssen. Der Bundesrat beauftragte das EJPD mit der Ausarbeitung einer entsprechenden Vernehmlassungsvorlage bis Ende Juni 2018.
Bei den Initianten vermochte der Vorschlag des Bundesrats wenig Eindruck zu erwecken; er sei «schwammig» und entspreche nicht dem Anliegen der Initiative, so Walter Wobmann (svp, SO) gegenüber der Basler Zeitung. Das Komitee halte an der Initiative fest und blicke der Abstimmung nach wie vor zuversichtlich entgegen. Die SVP lehnte den bundesrätlichen Vorschlag ebenfalls als «wirkungslos» ab, wie in der Presse zu lesen war. Auf wenig Gegenliebe stiess der Vorschlag indes auch bei den Grünen. Nationalrat Balthasar Glättli (gp, ZH) bezeichnete ihn gegenüber der Basler Zeitung als «falsch und überflüssig», weil Nötigung ohnehin strafbar sei, und machte ihm in der Aargauer Zeitung den gleichen Vorwurf wie der Initiative selbst, nämlich zur «Stimmungsmache gegen Muslime in der Schweiz» beizutragen. Positiver äusserten sich die CVP und die SP zur Stossrichtung des Bundesrates, wenngleich sich die SP weiter auf ihren eigenen direkten Gegenentwurf zur Verbesserung der Gleichstellung der Frauen konzentrieren wollte. SP-Nationalrat Cédric Wermuth (sp, AG) bedauerte im Tages-Anzeiger, dass der Bundesrat sich nicht getraut habe, «die Debatte neu auszurichten», und dass der Gegenvorschlag «keine Antwort auf das Unbehagen» liefere, das hinter der Initiative stehe. Von verschiedenen Seiten wurde der bundesrätliche Vorschlag auch als nicht oder nur schwer umsetzbar kritisiert, da Frauen, die gezwungen werden, sich zu verschleiern, dies eher nicht bei der Polizei zur Anzeige bringen würden. Ständerat Andrea Caroni (fdp, AR), der bereits ein Gegenkomitee zur Initiative gegründet hatte, begrüsste dagegen den Vorschlag des Bundesrates. Er sei zwar nicht «das Ei des Kolumbus», eröffne aber die Möglichkeit für eine gezielte Debatte über die Probleme im Zusammenhang mit der Gesichtsverhüllung und über allfällige Lösungen, so Caroni gegenüber «Le Temps».

Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» und indirekter Gegenvorschlag (19.023)
Dossier: Nationales Burkaverbot

Die Vernehmlassung zur Totalrevision des Datenschutzgesetzes (DSG) und zur Änderung weiterer Erlasse zum Datenschutz umfasste neben diesem Hauptentwurf auch einen Entwurf für einen Bundesbeschluss betreffend die Genehmigung und Umsetzung des Notenaustausches zwischen der Schweiz und der EU zur Übernahme der Richtlinie (EU) 2016/680 sowie einen Entwurf für die Revision des Übereinkommens SEV 108 des Europarates zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten. Im Zentrum des Gesetzgebungsprojektes stehen die Verbesserung der Transparenz von Datenbearbeitungen, die Förderung der Selbstregulierung bei den Verantwortlichen in Form von Empfehlungen der guten Praxis sowie die Stärkung der Position und Unabhängigkeit des EDÖB. Im Einklang mit den europäischen Datenschutzbestimmungen soll darüber hinaus der Schutz von Daten juristischer Personen aufgehoben werden, um insbesondere den Datenaustausch mit dem Ausland zu erleichtern. Einige Anforderungen der EU-Richtlinie 2016/680 erfordern ausserdem Anpassungen im Strafgesetzbuch, in der Strafprozessordnung, im Rechtshilfegesetz und im Schengen-Informationsaustauschgesetz.
Unter den insgesamt 222 Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmern befanden sich alle Kantone, acht politische Parteien (BDP, CVP, FDP, GLP, GP, SP, SVP, PP), drei eidgenössische Gerichte (Bundesgericht, Bundespatentgericht, Bundesverwaltungsgericht) sowie zahlreiche weitere Organisationen aus den betroffenen Kreisen. Während die Übernahme der EU-Richtlinie 2016/680 sowie der Anforderungen im SEV 108 unumstritten waren, wurde die Revision des DSG und weiterer Erlasse zum Datenschutz von der Mehrheit der Vernehmlasserinnen und Vernehmlasser im Grundsatz ebenfalls begrüsst. Vielerseits gelobt wurde beispielsweise das Vorhaben, das schweizerische Datenschutzrecht so weit an die europäischen Vorgaben anzupassen, dass die Schweiz von der EU weiterhin als Drittstaat mit angemessenem Datenschutzniveau anerkannt wird. Vorbehalte bestanden jedoch gegenüber dem – insbesondere für KMU – grossen Verwaltungsaufwand sowie gegenüber dem «Swiss Finish»: Rund die Hälfte der Teilnehmenden bemängelte, dass der Entwurf unnötigerweise über die europäischen Anforderungen hinaus gehe. Demgegenüber ging er rund einem Fünftel der Teilnehmenden – hauptsächlich aus Konsumentenschutzkreisen – zu wenig weit. Auf harsche Kritik von verschiedensten Seiten stiess das vorgesehene Sanktionensystem. Laut Bericht wünschten sich «sehr viele Teilnehmer» dessen «vollständige Überarbeitung», darunter BDP, CVP, FDP, GP und SP, 18 Kantone sowie Economiesuisse, der Verein Unternehmens-Datenschutz, die FRC, Privatim und die Stiftung für Konsumentenschutz. Hauptsächlich wurde kritisiert, dass keine direkte Strafbarkeit für Unternehmen vorgesehen ist, sondern strafrechtliche Sanktionen, die in erster Linie auf natürliche Personen ausgerichtet sind. In diesem Zusammenhang herrschte die Befürchtung, es könnten einfache Angestellte ohne Entscheidungs- und Vertretungsbefugnis verurteilt werden. Dies wiederum erschwere es den Unternehmen, qualifiziertes und motiviertes Personal – insbesondere Datenschutzverantwortliche – zu rekrutieren. Der häufigste Änderungsvorschlag zielte daher auf ein Modell mit Verwaltungssanktionen anstatt Strafverfahren, die direkt gegen die Unternehmen und nicht gegen Privatpersonen verhängt werden könnten. Verwaltungssanktionen, so die Hoffnung, hätten eine grössere Wirksamkeit als das bislang für die Strafbestimmungen im DSG nur selten angewandte Strafverfahren. Weitere umstrittene Punkte waren auch die Höhe der Bussen – welche einerseits als zu hoch und andererseits als zu niedrig kritisiert wurde – sowie der Katalog der strafbaren Verhaltensweisen, welcher ebenfalls wahlweise als unvollständig bzw. zu umfangreich bezeichnet wurde. Kritisiert wurden des Weiteren auch die mangelhafte Regulierungsfolgeabschätzung und die fehlenden Ausführungen zum Verhältnis zwischen dem Datenschutzrecht des Bundes und jenem auf kantonaler Ebene. Hierzu äusserten auch die Kantone Glarus, Solothurn und Zürich Bedenken, dass die Frist für die Anpassung des kantonalen Rechts zu kurz bemessen sei. Die SVP, die Kantone Schwyz und Waadt sowie einige betroffene Kreise – darunter der AGVS, Auto Schweiz, die FER, PharmaSuisse, Santésuisse sowie der VSV – lehnten den Vorentwurf in der vorliegenden Form ausdrücklich ab, befanden sich damit jedoch klar in der Minderheit aller Vernehmlassungsteilnehmenden.

Revision des Datenschutzgesetzes (BRG 17.059)
Dossier: 2. Revision des Bundesgesetzes über den Datenschutz (DSG)

Mit 60,4 Prozent Ja- gegenüber 39,6 Prozent Nein-Stimmen nahm das Schweizer Stimmvolk am 12. Februar 2017 die erleichterte Einbürgerung von Personen der dritten Ausländergeneration deutlich an. Die Stimmbeteiligung lag schweizweit bei 46,8 Prozent und schwankte zwischen 39 Prozent im Kanton Uri und rund 66 Prozent in Schaffhausen. Eher überraschend war das ebenfalls deutliche Ständemehr: 17 von 23 Ständen stimmten der Vorlage zu. Die auf frühere Abstimmungsergebnisse zur erleichterten Einbürgerung zurückgehenden Befürchtungen der Befürworter, am Ständemehr zu scheitern, wurden damit klar widerlegt. In den im Vorfeld des Urnengangs noch als „Swing States“ bezeichneten Kantonen resultierte überall ein Ja. Verglichen mit der Abstimmung von 1994, als das Anliegen am Ständemehr gescheitert war, wechselten somit die acht Kantone Luzern, Nidwalden, Solothurn, Aargau, Schaffhausen, Appenzell-Ausserrhoden, Tessin und Wallis auf die Befürworterseite, wobei es in Nidwalden, Appenzell-Ausserrhoden und Tessin ein enges Rennen war (NW 50,4%, AR 50,9%, TI 50,2% Ja-Stimmen). Die knappste Entscheidung überhaupt fiel im Kanton Thurgau, wo lediglich 24 Stimmen für die ablehnende Standesstimme ausschlaggebend waren. Ein ebenfalls hauchdünnes Nein resultierte in Glarus und St. Gallen mit Nein-Stimmenanteilen von 50,4 Prozent bzw. 50,2 Prozent. Demgegenüber stiess die Vorlage in sämtlichen Westschweizer Kantonen auf überdurchschnittlich hohe Zustimmung. Am deutlichsten stimmte der in Ausländerfragen ohnehin sehr offen eingestellte Kanton Neuenburg mit einem Ja-Stimmenanteil von 75,1 Prozent zu. Die höchste Ablehnung hingegen erfuhr die Vorlage in Appenzell-Innerrhoden, dessen Stimmbevölkerung zu 56,4 Prozent ein Nein einlegte. Augenfällig ist bei den Ergebnissen zudem das Gefälle zwischen Stadt und Land; so stimmte die Stadt Zürich zu 76 Prozent Ja (Kanton ZH: 63,2%) und die Stadt St. Gallen zu 65 Prozent (Kanton SG: 49,8%).

Bundesrätin Simonetta Sommaruga liess nach dem Urnengang verlauten, die Regierung nehme das Ergebnis „mit grosser Genugtuung“ zur Kenntnis und es stimme zuversichtlich „für weitere, ebenso umstrittene Vorlagen“. Darüber hinaus ermunterte sie junge Ausländerinnen und Ausländer der dritten Generation, nun „die Chance zu nutzen und ihre Heimat mitzugestalten“, und fügte an, die Erleichterung der Einbürgerung sollte voraussichtlich spätestens in einem Jahr in Kraft treten. Freude über den Entscheid herrschte auch beim SGB und bei der Operation Libero. Während Ersterer von einer überfälligen Reform sprach und ankündigte, nun auch die Anforderungen für andere Einbürgerungswillige senken zu wollen, sah Letztere in dieser Abstimmung einen „ersten, wichtigen Schritt zu einem liberalen Bürgerrecht“. Daran müsse man jetzt anknüpfen und beispielsweise auch die erforderliche Aufenthaltsdauer senken oder die Mindestwohnsitzfristen in den Gemeinden abschaffen. Wenig erfreut zeigte sich die SVP, die nach der Durchsetzungsinitiative und dem Asylgesetz mit dieser Abstimmung die dritte Niederlage in der Ausländerpolitik innerhalb eines Jahres hinnehmen musste. Als Kopf des Gegenkomitees und Initiator der umstrittenen Plakate machte Andreas Glarner (svp, AG) besonders die bereits Eingebürgerten für das Resultat verantwortlich und forderte die Abschaffung des Doppelbürgerrechts. Die SVP erklärte aber auch, das Verdikt von Volk und Ständen zu akzeptieren und die noch offenstehende Möglichkeit, das Referendum gegen die in dieser Sache beschlossene Gesetzesänderung zu ergreifen, nicht wahrnehmen zu wollen.


Abstimmung vom 12. Februar 2017

Beteiligung: 46,84%
Ja: 1'499'627 (60,4%) / Stände: 15 4/2
Nein: 982'844 (39,6%) / Stände: 5 2/2

Parolen:
– Ja: SP, FDP (1*), CVP (1*), Grüne, GLP, BDP (1*), EVP, Städteverband, Eidgenössische Migrationskommission, SGB, Travail.Suisse
– Nein: SVP, EDU (1*)
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

La Suisse doit reconnaître ses enfants (Iv.Pa. 08.432) / Erleichterte Einbürgerung der dritten Generation

Zur Umsetzung der parlamentarischen Initiative Marra (sp, VD) hatten die eidgenössischen Räte im Herbst 2016 einerseits eine Änderung des Bürgerrechtsgesetzes verabschiedet und andererseits einen Bundesbeschluss erlassen, der die erleichterte Einbürgerung von Ausländerinnen und Ausländern der dritten Generation in der Bundesverfassung verankert. Im Hinblick auf das auf den 12. Februar 2017 angesetzte obligatorische Referendum über die Verfassungsänderung gewann das Thema im zu Ende gehenden Jahr 2016 auch in der öffentlichen Debatte langsam an Präsenz. Mit Ausnahme der „Weltwoche“, die schon Anfang November das erste Mal zum verbalen Zweihänder griff und die Linke bezichtigte, „sich von den vielen Eingebürgerten viele linke Stimmen“ zu erhoffen, sowie die „Umwälzung der politischen Entscheide, ja des ganzen politischen Erfolgsmodells der Schweiz“ befürchtete, liess das Nein-Lager lange Zeit nichts von sich verlauten. Die erste SVP-Exponentin, die sich in dieser Sache zu Wort meldete, war Nationalrätin Yvette Estermann (svp, LU); als gebürtige Slowakin, die sich nach ihrer Heirat selbst erleichtert hatte einbürgern lassen, sprach sie sich im „Blick“ allerdings für die erleichterte Einbürgerung der dritten Generation aus. So war es denn auch das Befürworter-Komitee – eine breite Allianz aus Vertreterinnen und Vertretern aller grossen Parteien ausser der SVP –, das unterstützt von den Alt-Bundesrätinnen Ruth Dreifuss (sp, GE) und Eveline Widmer-Schlumpf (bdp, GR) sowie Alt-Bundesrat Pascal Couchepin (fdp, VS) am 22. November 2016 medienwirksam den Abstimmungskampf eröffnete. Kurz darauf wurde aber bekannt, dass dem Pro-Komitee die finanziellen Mittel fehlten, um eine sichtbare Inseratekampagne zu führen, da sich die Wirtschaftsverbände in dieser Frage nicht engagierten. Neben der grossen Kontroverse um die Unternehmenssteuerreform III fristete die Debatte um die erleichterte Einbürgerung somit ein Mauerblümchendasein.

Das laue Lüftchen gegen die Vorlage – hauptsächlich Argumente bezüglich föderalistischer Bedenken oder mangelnden Handlungsbedarfs – wich Anfang 2017 jedoch schlagartig einem Wirbelsturm, der sich – für eine von SVP-Exponenten geführte Kampagne nicht ganz untypisch – einmal mehr um ein Burka-Plakat drehte. „Die kennen wir doch!“, übertitelte der „Blick“ einen Artikel, in dem er aufzeigte, dass das gleiche Sujet bereits bei den Kampagnen für das Minarettverbot und die Masseneinwanderungsinitiative sowie bei der Unterschriftensammlung für das nationale Verhüllungsverbot zum Einsatz gekommen war. Damit war die öffentliche Debatte definitiv lanciert, wenn auch vielmehr jene über die Angemessenheit der Plakate als jene über das inhaltliche Für und Wider der erleichterten Einbürgerung. Mit dem Motiv hätten die Gegner das Thema völlig verfehlt, da es sich bei den betreffenden Ausländerinnen und Ausländern der dritten Generation hauptsächlich um italienische, spanische, portugiesische und türkische Staatsangehörige handle, empörte sich die Unterstützerseite. Während Bundesrätin Simonetta Sommaruga der Gegenseite fehlende Argumente unterstellte, verkündete Initiantin Ada Marra im Radio gar, dem- oder derjenigen 2000 Franken zu bezahlen, der oder die ihr eine Burka tragende Ausländerin der dritten Generation zeige. Im Internet sorgten die Plakate mit dem „Burka-Schreckgespenst aus der Mottenkiste“ (BZ) derweil auch für Belustigung, indem das Sujet in völlig andere Kontexte gesetzt, ad absurdum geführt und durch den Kakao gezogen wurde. Selbst aus den Reihen der SVP ertönten kritische Stimmen zum umstrittenen Plakat. Während SVP-Nationalrat Maximilian Reimann (svp, AG) das Sujet als „nicht optimal“ bezeichnete, war es für Alex Kuprecht (svp, SZ) als Befürworter der Vorlage schlicht „einige Niveaus zu tief“. Die Mitglieder des Pro-Komitees legten daraufhin etwas Geld für eine eigene, kleine Plakatkampagne an einigen grossen Bahnhöfen der Deutschschweiz zusammen. Nachdem die grosse Welle der Empörung abgeebbt war, plätscherte der Abstimmungskampf wieder gemächlich vor sich hin.

Mit näher rückendem Abstimmungstermin richtete sich die Aufmerksamkeit nochmals auf einen ganz anderen Aspekt der Abstimmung: das Ständemehr. Was das Volksmehr betrifft, zeigten die letzten Umfragen eine eher klare Tendenz zu einem Ja, doch das Ständemehr war bereits früheren Bestrebungen zur erleichterten Einbürgerung zum Verhängnis geworden (insb. bei der Volksabstimmung vom 12. Juni 1994). Experten gingen davon aus, dass die Westschweizer Kantone und Zürich der Vorlage bei einem Volksmehr mit grosser Wahrscheinlichkeit zustimmen würden, während die meisten Zentral- und Ostschweizer Kantone – traditionell skeptisch in Ausländerfragen – eher zur Ablehnung der Vorlage neigen sollten. Den entscheidenden Ausschlag erwarteten sie von den als „Swing States“ bezeichneten Kantonen Basel-Landschaft, Graubünden, Luzern, Solothurn, Wallis und Zug. Dies sind zugleich jene Kantone, die die Einbürgerung der dritten Ausländergeneration im Jahr 2004 mit weniger als 60% Nein-Stimmen abgelehnt hatten. Angesichts der aktuellen, weniger radikalen Reform, die im Gegensatz zu jener von 2004 insbesondere keinen Automatismus vorsieht, ist es durchaus denkbar, dass einige der „Swing States“ nun ins andere Lager wechseln.

La Suisse doit reconnaître ses enfants (Iv.Pa. 08.432) / Erleichterte Einbürgerung der dritten Generation

Im Jahr 2013 war in mehreren Kantonen der Beitritt zum verschärften Hooligankonkordat debattiert worden. In drei Kantonen (Luzern, Neuenburg, Aargau) konnte das im Vorjahr angenommene Konkordat in Kraft treten. Während im Kanton Appenzell Ausserrhoden das Konkordat vom Kantonsrat angenommen und kein Referendum ergriffen worden war, lief 2013 in den Kantonen Jura, Genf, Solothurn und Freiburg noch die Referendumsfrist. Im Kanton Bern wurde erfolgreich das Referendum ergriffen, was im Kanton Tessin nicht gelang. In Schaffhausen und Basel-Landschaft gab zwar der Regierungsrat seine Zustimmung, jedoch waren die Verschärfungen Ende 2013 noch nicht in Kraft getreten. Basel-Stadt war bislang der einzige Kanton, in dem der Regierungsrat gar nicht erst auf die Revision eintrat. In den drei Kantonen Glarus, Graubünden und Nidwalden wurde noch kein Entscheid gefällt.

Hooligan-Konkordat
Dossier: Hooligan-Konkordat

Der Fall Rappaz wirkte auch 2013 noch nach. Zur Debatte stand dabei das Dilemma zwischen Schutzpflicht des Staates und Selbstbestimmungsrecht des Häftlings. Die durch den Hungerstreik des Hanfbauern angeregte Diskussion über die Zwangsernährung von Häftlingen führte dazu, dass mehrere Kantone diese Fälle nun explizit regelten. Abgeschlossen sind die Revisionen in den Kantonen Zug, St. Gallen und Solothurn. Gesetzesrevisionen laufen derzeit in den Kantonen Appenzell Ausserrhoden und Luzern. Dabei wurde meist der Standpunkt vertreten, dass der Wunsch des Häftlings zu respektieren sei, auch wenn dieser zum Tod führe.

Zwangsernährung

In den Kantonen und Gemeinden blieb die Regelung der Einbürgerung ein beliebtes Aktionsfeld der SVP im Berichtsjahr. Im Kanton Solothurn reichte sie das Referendum gegen eine Gesetzesrevision ein, weil diese den Entscheid über die zuständige Einbürgerungsinstanz (Kommission, Exekutive oder Gemeindeversammlung) den Gemeinden überlassen wollte. Die Neuerung wurde in der Volksabstimmung gutgeheissen. Ebenfalls erfolglos bekämpfte die SVP in Obwalden das revidierte Einbürgerungsgesetz, welches unter anderem eine Anpassung an die Bundesgerichtsentscheide (Begründungspflicht für eine Ablehnung) vornahm.

Kantonale Auseinandersetzungen betreffend Einbürgerungsabstimmungen in den Gemeinden
Dossier: Einschränkung der Einbürgerungen auf Gemeindeebene (bis 2008)

Wie zuvor in anderen Kantonen lehnten auch die Freiburger Stimmberechtigten eine Volksinitiative für die Einführung des kantonalen Ausländerstimmrechts deutlich ab. 76.2 Prozent sprachen sich gegen das von der Linken unterstützte Volksbegehren aus. Im Kanton Solothurn sprachen sich das Parlament und dann mit klarem Mehr (88.5 Prozent) auch das Volk gegen eine ähnliche Initiative aus.

Vorstösse zum Ausländerstimmrecht auf kantonaler Ebene
Dossier: Einführung des Ausländerstimmrechts

Insgesamt kam es im Berichtsjahr zu 24 Grosskundgebungen mit 1'000 und mehr Beteiligten (1995: 25). Davon fanden je fünf in Bern resp. Zürich statt, vier in Genf und drei in Lausanne. Deutlich abgenommen haben die von Ausländern durchgeführten grossen Manifestationen gegen die Zustände in ihren Heimatländern (vier), welche im Vorjahr noch mehr als die Hälfte aller Grosskundgebungen ausgemacht hatten. Am aktivsten waren 1996 die Angestellten des Bundes und der Kantone, welche zwölfmal an grossen Protestveranstaltungen ihre Unzufriedenheit zeigten. Der Höhepunkt dieser Mobilisierungswelle fand am 26. Oktober in Bern statt, wo rund 35'000 Angestellte des öffentlichen Dienstes aus der ganzen Schweiz gegen Spar- und Abbaumassnahmen demonstrierten. Es handelte sich dabei um die grösste Kundgebung seit 1982 (Friedensdemonstration in Bern mit rund 50'000 Beteiligten). Auch bei den beiden nächstgrössten Manifestationen des Berichtsjahres standen Sparmassnahmen und Angst um den Arbeitsplatz im Vordergrund: an einer Bauerndemonstration in Bern nahmen 15'000 Personen teil, und an einem Protestmarsch gegen die Schliessung der Brauerei Cardinal in Freiburg zählte man 10'000 Unzufriedene.

In der folgenden Zusammenstellung sind die Kundgebungen der Gewerkschaften zum 1. Mai, welche in den Grossstädten jeweils einige Tausend Beteiligte aufweisen, nicht erfasst. Demonstrationen mit 1'000 und mehr Teilnehmenden:
Bern: 8'000/Kosovo-Albaner, 8'000/Tamilen gegen Ausschaffung, 7'000/SBB-Angestellte gegen Lohnabbau, 15'000/Bauern, 35'000/Angestellte des öffentlichen Dienstes;
Zürich: 1'000/Tamilen, 2'000/gegen Polizeieinsatz bei 1. Mai-Demo, 2'000/Staatsangestellte gegen Sparmassnahmen, 7'000/Studierende und Mittelschüler gegen Sparmassnahmen, 1'500/Staatsangestellte gegen Sparmassnahmen;
Genf: 8'000/Tamilen, 7'000 und 5'000/Staatspersonal gegen Sparmassnahmen, 1'500/Rentner gegen Rentenkürzung;
Lausanne: 2'000, 2'000 und 3'000/Angestellte des öffentlichen Dienstes gegen Sparmassnahmen;
Freiburg: 10'000/gegen Schliessung der Brauerei Cardinal;
Basel: 3'000/Gewerkschafter Chemie;
Matran (FR): 2'500/Landwirte;
Schaffhausen: 1'500/gegen Gewalt an Kindern;
Lugano: 1'500/für autonomes Jugendzentrum;
Rheinfelden (AG): 1'500/gegen Schliessung der Brauerei Cardinal in Freiburg;
Solothurn: 1'500/Lehrer gegen Sparmassnahmen.

Statistik Grossdemonstrationen 1996
Dossier: Grossdemonstrationen in der Schweiz

Im Vorjahr hatte das Parlament mehrere Vorstösse für eine Vereinheitlichung der kantonalen Strafprozessordnungen überwiesen. Im Berichtsjahr gaben der Ständerat und der Nationalrat nun auch sechs entsprechenden Standesinitiativen der Kantone Aargau (Kt.Iv. 95.307), Basel-Stadt (Kt.Iv. 95.301), Basel-Land (Kt.Iv. 95.305), St. Gallen (Kt.Iv. 95.304), Solothurn (Kt.Iv. 95.302) und Thurgau (Kt.Iv. 96.300) Folge. Bundesrat Koller gab in diesem Zusammenhang bekannt, dass er eine Expertenkommission beauftragt habe, bis zum Sommer 1997 ein Konzept vorzulegen.

Standesinitiativen für Vereinheitlichung der kantonalen Strafprozessordnungen
Dossier: Vereinheitlichung des Strafprozessrechts (2010)

Die aargauische Regierung und in der Folge auch der Grosse Rat empfahlen eine 1993 von den Grünen, der SP und den Gewerkschaften eingereichte Volksinitiative für die fakultative Einführung des kommunalen Ausländerstimmrechts zur Ablehnung. Im Kanton Uri sprachen sich die Regierung und das Parlament gegen eine im Vorjahr eingereichte Initiative aus, welche das kantonale Stimm- und Wahlrecht für alle Ausländer einführen wollte, die sich seit fünf Jahren in der Schweiz aufhalten. In der Volksabstimmung wurde der von SP und den Grünen unterstützte Vorschlag mit einem Nein-Stimmenanteil von 84 Prozent verworfen. Ein analoges Volksbegehren wurde im Kanton Solothurn eingereicht.

Vorstösse zum Ausländerstimmrecht auf kantonaler Ebene
Dossier: Einführung des Ausländerstimmrechts

Die Verfolgung der auf internationalem Niveau tätigen Kriminellen (namentlich im Bereich des organisierten Verbrechens und der Wirtschaftskriminalität) wird durch die kantonale Organisation der Polizei- und Justizbehörden erschwert. Der Ständerat hiess deshalb – trotz föderalistischer Bedenken Danioths (cvp, UR) – eine Motion Rhinow (fdp, BL) für eine Vereinheitlichung der Strafprozessordnung in der Schweiz gut. Der Bundesrat hatte sich ursprünglich für die Umwandlung in ein Postulat ausgesprochen, nachdem aber eine Expertengruppe ebenfalls Handlungsbedarf konstatiert hatte, war er mit der Motionsform einverstanden. Er nahm den Vorschlag zudem in den Vernehmlassungsentwurf für die Totalrevision der Bundesverfassung auf. Auch der Nationalrat stellte sich hinter den Vorstoss und überwies zudem noch eine gleichlautende Motion Schweingruber (fdp, JU) (Mo. 94.3181). Dieselbe Zielrichtung verfolgen auch die im Berichtsjahr eingereichten Standesinitiativen der Kantone Basel-Stadt, Basel-Land, St. Gallen und Solothurn.

Vereinheitlichung der Strafprozessordnung in der Schweiz
Dossier: Vereinheitlichung des Strafprozessrechts (2010)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 1/2: Vorgeschichte (1966 bis 1996)

Im Kanton Bern fand zu dieser Frage am 4. Dezember eine Volksabstimmung mit zwei Varianten statt. Das Ergebnis fiel ähnlich negativ aus: Die von der Linken und den Grünen unterstützte Volksinitiative für das kantonale Ausländerstimmrecht wurde mit einem Neinstimmen-Anteil von 77 Prozent klar verworfen. Eine Mehrheit von 61 Prozent lehnte auch den Gegenvorschlag der Regierung ab, den Gemeinden wenigstens die Kompetenz zur Einführung des kommunalen Ausländerstimmrechts einzuräumen. Diese Alternative hatte im Parlament - dank Stimmenthaltung einiger bürgerlicher Politiker - zwar noch eine knappe Mehrheit gefunden, in der Volksabstimmung wurde sie dann aber nicht nur von der FP, den SD und der EDU, sondern auch von der SVP und der FDP bekämpft. Neue Volksinitiativen für das Ausländerstimmrecht wurden in den Kantonen Uri und Solothurn eingereicht bzw. lanciert.

Vorstösse zum Ausländerstimmrecht auf kantonaler Ebene
Dossier: Einführung des Ausländerstimmrechts

In die Diskussion über die Polizei wurde das Projekt einbezogen, auf dem Konkordatswege eine Interkantonale Mobile Polizei IMP zu schaffen, die dem Bundesrat zum Schutz ausländischer Diplomaten und internationaler Konferenzen, zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung und in Katastrophenfällen zur Verfügung stehen sollte. Die Opposition gegen die Aufstellung eines solchen Ordnungsinstruments entsprang einerseits der Sorge um die kantonale Polizeihoheit, anderseits Bedenken, dass die neue Polizeitruppe eher provokativ als beruhigend wirken könnte. Unentwegte Kritiker bezeichneten sie als Werkzeug der Repression. In Zürich, wo man sich wie in Baselstadt vom Konkordat fernhielt, wurde die Befürchtung geäussert, die eigenen Bestände würden von der interkantonalen Institution zu stark beansprucht. Der schon Ende 1968 vom Bundesrat den eidgenössischen Räten unterbreitete Antrag, die auf 600 Mann veranschlagte IMP durch Subventionen — insbesondere für Ausrüstung und Ausbildung — zu unterstützen und damit das auf Initiative des Bundes entstandene Konkordat wirksam werden zu lassen, wurde im Ständerat nur vom Vertreter des Landesrings bekämpft. Im Nationalrat jedoch meldete sich eine stärkere Gegnerschaft, die aus der Mehrheit der Sozialdemokraten, dem Landesring und der PdA bestand; ihr Sprecher bezeichnete die IMP als verkappte Bundespolizei und als verfassungswidrig. Bundespräsident von Moos versicherte demgegenüber, dass der Bundesrat von der ihm durch das Konkordat eingeräumten Einsatzkompetenz nicht ohne Einvernehmen mit den betroffenen Kantonen Gebrauch machen werde. Nach der Verabschiedung durch beide Räte wählte die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren den Walliser Kantonspolizeichef E. Schmid provisorisch zum Kommandanten der vorgesehenen Truppe (Schmid war zugleich Kommandant der Heerespolizei, kündigte aber die Niederlegung dieses Kommandos an.) Auf kantonaler Ebene wurde vom Solothumer Landesring eine Volksinitiative gegen den vom Kantonsrat beschlossenen Beitritt lanciert.

Interkantonale Mobile Polizei