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Die Vernehmlassung zur Revision des Sexualstrafrechts, die in der ersten Jahreshälfte 2021 durchgeführt wurde, wurde von einer lebhaften öffentlichen Debatte begleitet. Vor allem die Tatsache, dass die zuständige RK-SR im Vernehmlassungsentwurf keine «Nur-Ja-heisst-Ja»-Lösung zur Debatte stellte, sorgte für Unverständnis bei den linken Parteien sowie bei Frauen- und Menschenrechtsorganisationen. Nur die Zustimmungslösung verwirkliche die sexuelle Selbstbestimmung, weil Sex ohne Einverständnis grundsätzlich als Vergewaltigung anzusehen sei, argumentierten sie. Demgegenüber traten Kritikerinnen und Kritiker mit Bedenken an die Medien, dass eine «Nur-Ja-heisst-Ja»-Lösung faktisch die Beweislast im Strafprozess umkehre und zu mehr Falschanschuldigungen führen könnte.
Das rege Interesse spiegelte sich denn auch in der rekordhohen Zahl an Stellungnahmen: Von den Kantonen, Parteien und Verbänden sowie interessierten Kreisen gingen 124 individuelle Stellungnahmen ein. Darüber hinaus wurden im Zuge der Kampagne «Nur Ja heisst Ja! – Art. 190 ändern» der SP Frauen* mehr als 10'000 gleichlautende Stellungnahmen von Privatpersonen eingereicht. Noch nie hätten sich in einer Vernehmlassung so viele Einzelpersonen geäussert, berichtete die Presse. Wie der im August 2021 erschienene Ergebnisbericht zeigte, wurde der Bedarf für eine Revision des Sexualstrafrechts überwiegend bejaht, wobei sich an der konkreten Ausgestaltung die Geister schieden. Dabei waren nicht nur diverse Mindest- und Höchststrafmasse umstritten, sondern insbesondere auch der von der RK-SR neu eingeführte Grundtatbestand des sexuellen Übergriffs (Art. 187a StGB). Im Gegensatz zur Vergewaltigung, die im Vorentwurf wie bisher über ein Nötigungselement definiert wird, sollte der neue Tatbestand den Geschlechtsverkehr gegen den Willen einer Person erfassen, wenn diese nicht dazu genötigt wird. Diese Unterscheidung wurde von vielen Teilnehmenden kritisiert, weil sie die Klassifizierung einer Sexualstraftat als Vergewaltigung weiterhin an der Reaktion des Opfers festmache bzw. daran, dass der Täter oder die Täterin dessen (physischen) Widerstand überwunden haben müsse. Wenn das Opfer allerdings in einen Schockzustand gerate und sich gar nicht wehren könne, sei eine Nötigung in diesem Sinne gar nicht erforderlich, um den Tatbestand der Vergewaltigung zu erfüllen. Stattdessen wurde gefordert, diesen Aspekt in Artikel 189 StGB (sexuelle Nötigung) und 190 StGB (Vergewaltigung) zu integrieren. Diese Ansicht wurde von rund zwei Dritteln der Teilnehmenden vertreten. Höchst umstritten war des Weiteren die im Vorentwurf vorgesehene «Nein-heisst-Nein»-Lösung: Strafbar soll es werden, «gegen den Willen einer Person oder überraschend» eine sexuelle Handlung vorzunehmen. 36 Teilnehmende sprachen sich hierfür aus. Demgegenüber hätten sich 80 Teilnehmende eine «Nur-Ja-heisst-Ja»-Lösung gewünscht, also die Ersetzung des Ausdrucks «gegen den Willen» durch «ohne Einwilligung». Dies würde gesellschaftspolitisch ein wichtiges Signal setzen, dass bestimmte Verhaltensweisen gesellschaftlich nicht toleriert würden, erklärten verschiedene Frauenrechtsorganisationen. Unter den Parteien sprachen sich die SP, die Grünen und die GLP für die Zustimmungslösung aus. Während sich die Mitte dazu nicht äusserte, weil ein solcher Vorschlag nicht Gegenstand der Vernehmlassung war, zeigte sich die FDP grundsätzlich offen für eine «Nur-Ja-heisst-Ja»-Regel; die FDP-Frauen mit Präsidentin Susanne Vincenz-Stauffacher (fdp, SG) an der Spitze traten in den Medien unterdessen prominent für die Zustimmungslösung ein. Dezidiert dagegen äusserte sich die SVP. Die Kantone zeigten sich in dieser Frage gespalten, wobei sich gemäss NZZ für ein ursprünglich linkes Anliegen «auffällig viele» Kantone positiv zur Zustimmungslösung äusserten – neben Zürich und den meisten Westschweizer Kantonen notabene auch «diverse konservativere Kantone wie Appenzell Ausserrhoden, St. Gallen oder Nidwalden».
Zusätzlich befeuert wurde die öffentliche Debatte um Zustimmungs- oder Widerspruchslösung durch die Anfang August 2021 ausgesprochene Urteilsbegründung des Basler Appellationsgerichts in einem Vergewaltigungsfall. Das Appellationsgericht hatte die Freiheitsstrafe für einen Vergewaltiger verkürzt und in der mündlichen Urteilsbegründung unter anderem angeführt, das Opfer habe «Signale gesendet» und «mit dem Feuer gespielt». Obwohl sich das Gericht ob der prompten und heftigen öffentlichen Kritik zu einer Stellungnahme gedrängt sah, in der es versuchte, die in der Öffentlichkeit entstandenen «Missverständnisse» zu erklären, wurden diese Aussagen in den Medien dahingehend interpretiert, dass das Gericht dem Opfer die Mitschuld an der Vergewaltigung gebe. Vor diesem Hintergrund erhielten die Forderungen nach einer «Nur-Ja-heisst-Ja»-Lösung weiteren Auftrieb, nun auch explizit verstärkt durch Stellungnahmen von Fachpersonen aus der Psychologie und dem Rechtswesen.

Harmonisierung der Strafrahmen (BRG 18.043)
Dossier: Revision des Strafgesetzbuches (2008– )
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Im Zuge der im Juni 2015 abgeschlossenen Revision des Sanktionenrechts wurde das sogenannte Electronic Monitoring als Vollzugsform für Freiheitsstrafen mit einer Dauer zwischen 20 Tagen und 12 Monaten im Gesetz verankert. Das Anliegen der Kantone Basel-Stadt (Kt.Iv. 10.327) und Basel-Landschaft (Kt.Iv. 10.329), welche beide die elektronische Fussfessel schon vorher versuchsweise eingeführt hatten, ist damit erfüllt. Wie der Nationalrat schrieb auch der Ständerat die beiden Standesinitiativen ab.

Kt.Iv. BS und BL: Einsatz von elektronischen Fussfesseln

Da die Revision des Sanktionenrechts bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen war, entschied der Nationalrat in der Sommersession 2015 zunächst, die Frist für die beiden Standesinitiativen der Kantone Basel-Stadt (10.327) und Basel-Landschaft (10.329) zum Einsatz elektronischer Fussfesseln erneut zu verlängern. Mit der Annahme der Änderungen des Sanktionenrechts am 19. Juni 2015 wurde sodann eine gesetzliche Grundlage für den Einsatz elektronischer Fussfesseln geschaffen, wie sie von den beiden Initiativen gefordert worden war. In der Folge schrieb der Nationalrat im Dezember 2015 die beiden Standesinitiativen ab.

Kt.Iv. BS und BL: Einsatz von elektronischen Fussfesseln

Da die definitive Einführung elektronischer Fussfesseln im Strafvollzug Gegenstand der aktuellen Revision des Sanktionenrechts ist, beantragte die Rechtskommission des Nationalrates eine Fristverlängerung für die beiden 2012 Folge gegebenen Basler Standesinitiativen zu diesem Anliegen. Nach der Verabschiedung des neuen Sanktionenrechts werden dann die Initiativen abgeschrieben werden können.

Kt.Iv. BS und BL: Einsatz von elektronischen Fussfesseln

Die zweite und verschärfte Auflage des Hooligan-Konkordats von 2012 muss leicht revidiert werden. Dies beschloss das Bundesgericht, indem es im Januar 2014 eine Beschwerde des Basler Grossrats Tobit Schäfer (sp, BS) teilweise guthiess. So verstiessen die Mindestdauer des Rayonverbots von einem Jahr und die automatische Verdoppelung der Meldeauflage bei unentschuldbarer Verletzung der Meldepflicht gegen das Verhältnismässigkeitsprinzip. Die Konferenz der kantonalen Justiz- und Sicherheitsdirektoren (KKJPD) nahm den Entscheid gelassen hin. Während die Erhöhung der Meldeauflage sowieso nur wenige Fälle pro Jahr beträfe, käme die Herabsetzung der Mindestdauer des Rayonverbots gar einer Verschärfung des Konkordats gleich, da dann auch bei geringfügigeren Vergehen Rayonverbote verhängt werden könnten. Die übrigen Bestimmungen sah das Bundesgericht als grundrechtskonform an. Eine Woche nach dem Entscheid beschloss der Baselbieter Landrat, dem Konkordat nicht beizutreten. Eine Volksinitiative in beiden Basel ist wahrscheinlich. Im April heizten Ausschreitungen beim Cupfinal in Bern sowie nach dem Spiel des GC gegen den FCB in Basel die Diskussion über den Umgang mit gewaltbereiten Fans weiter an. Insbesondere eine Haftpflicht für Schäden an Fanzügen wurde gefordert.

Hooligan-Konkordats

Die Kantone Basel-Landschaft (10.329) und Basel-Stadt (10.327) reichten je eine Standesinitiative ein, welche die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für einen definitiven Einsatz von elektronischen Fussfesseln verlangen. Der Bundesrat hatte bereits 1999 eine entsprechende Ausnahmeregelung für Versuche in den Kantonen Basel-Stadt, Bern, Genf, Solothurn, Tessin und Waadt bewilligt. Fussfesseln für gewalttätige Partner fordert auch eine vom Nationalrat angenommene Motion Perrin (svp, NE) (09.4017). Die elektronische Überwachung von Gewalttätern soll insbesondere Frauen vor häuslicher Gewalt schützen.

Kt.Iv. BS und BL: Einsatz von elektronischen Fussfesseln

Der Bundesrat gab den Kantonen Basel-Land, Basel-Stadt, Bern, Genf, Tessin und Waadt die Erlaubnis, vom Herbst an Versuche mit dem elektronisch überwachten Strafvollzug zu beginnen. Dabei werden Personen, die zu einer kürzeren Freiheitsstrafe verurteilt worden sind, mit einem am Fuss- oder Handgelenk befestigten Sender überwacht und können ihre Strafe zu Hause oder an einem anderen zugewiesenen Ort (z.B. gemeinnütziger Arbeitsplatz) absitzen.

Kantonale Versuche zum elektronisch überwachten Strafvollzug

Die Kantone Basel-Stadt und Solothurn beantragten beim BAG, versuchsweise in ausgewählten Strafanstalten Heroin an Häftlinge abgeben zu dürfen. Das BAG erteilte dem weltweit einmaligen Projekt grünes Licht und auch Bundesrätin Dreifuss stellte sich ausdrücklich hinter das brisante Vorhaben. Ab Mitte Jahr wurden daraufhin in der solothurnischen Strafanstalt Oberschöngrün Heroinprogrammplätze geschaffen, wobei die Bedingungen zur Teilnahme gleich definiert wurden wie in den Drogenversuchen des Bundes. Auch dieses Projekt wird wissenschaftlich begleitet und ausgewertet.

Massnahmenpaket zur Drogenpolitik: Ärztlich kontrollierter Zugang zu Heroin (1991–1997)
Dossier: Bundesbeschluss über die ärztliche Verschreibung von Heroin